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125. Todestag
Eduard Simson: Ein Leben im Dienst der Politik und Rechtsprechung

Die Grundwerte der Reichsverfassung von 1849 waren eine liberale Errungenschaft – zum 125. Todestag des Paulskirchenpräsidenten Eduard Simson
Eduard SimsonEduard Simson

Eduard Simson

© picture-alliance / akg-images | akg-images

Als nach fast zehnmonatigen Beratungen Ende März 1849 mit der deutschen Reichsverfassung erstmals ein nationales Grundgesetz verabschiedet wurde, waren die gemäßigten Liberalen der Casino-Fraktion dabei die dominierende Kraft. Sie – und an ihrer Spitze der Präsident der Paulskirchenversammlung Eduard Simson – hatten dafür gesorgt, dass in ihr wesentliche liberale Grundwerte enthalten waren. Das galt in erster Linie für die Presse-, Meinungs-, Auswanderungs-, Gewerbe-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit.

Das Erbe von 1849 im deutschen Grundgesetz – zum 175-jährigen Jubiläum der Reichsverfassung

Die Paulskirchenverfassung vom 28. Maerz 1849" in der Paulskirche in Frankfurt am Main

Die Reichsverfassung von 1849, von Liberalen verfasst, prägte das moderne deutsche Rechtssystem. Obwohl sie scheiterte, fanden ihre Grundprinzipien wie das allgemeine Wahlrecht Eingang in die Weimarer Reichsverfassung von 1919 und später ins Grundgesetz von 1949. Ihr Erbe bleibt ein wichtiger Meilenstein des Liberalismus in Deutschland.

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Darüber hinaus finden sich hier auf nationaler Ebene erstmals die Grundlinien eines Rechtsstaats mit Unabhängigkeit der Justiz, Gleichheit vor dem Gesetz und Abschaffung der Todes- und Prügelstrafe, Schutz der Wohnung und Unverletzlichkeit des Eigentums. Die Krone der Judikative bildete ein Reichsgericht, das nicht nur bei Streitigkeiten unter den Einzelstaaten, sondern sogar über Verfassungsklagen der Reichsbürger entscheiden sollte.

Das erstmals in Europa verankerte allgemeine Männerwahlrecht, das auf einem Kompromiss der liberalen Fraktionen mit der parlamentarischen Linken beruhte, und ausgedehnte Befugnisse des Reichstags gegenüber dem Kaiser deuteten die (langfristige) Ausrichtung auf eine parlamentarische Monarchie an.

16 Mai
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Vom jüdischen Juristen zum Präsidenten der Paulskirche

Zweifelsohne hat Eduard Simson als Präsident der Paulskirche Parlamentsgeschichte geschrieben. Die jüdischen Familienhintergründe, unter denen er 1810 im ostpreußischen Königsberg geboren wurde, ließen eine solche Rolle zunächst wenig realistisch erscheinen, aber die Konversion zum Protestantismus ermöglichten Simson eine Karriere als Jurist in seiner Heimatstadt, für die er 1848 in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt wurde.

Dort folgte er im Dezember dieses Jahres dem gleichfalls gemäßigt liberal eingestellten Heinrich von Gagern auf dem wichtigen Stuhl des Parlamentspräsidenten. Ende März 1849 stand er an der Spitze der Delegation, die dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. vergeblich die Kaiserkrone anbot.

Simsons maßgebliche Mitwirkung an der Ausarbeitung der Reichsverfassung ergab sich aus seiner beruflichen Vorgeschichte. Denn sein Studium der Rechts- und Kameralwissenschaften an der heimatlichen Universität hatte er im Alter von gerade einmal 18 Jahren mit der Promotion abgeschlossen, war anschließend zunächst Privatdozent, außerordentlicher und von 1836 bis 1860 ordentlicher Professor der Rechte in Königsberg geworden.

Ein Leben im Dienst der Politik

Auch nach dem Fehlschlagen der Revolution war Simson weiter politisch aktiv, war 1850 Präsident des Erfurter Unionsparlaments und später des preußischen Abgeordnetenhauses. Ab 1867 gehörte er für die Nationalliberale Partei dem Reichstag des Norddeutschen Bundes an. Wiederum wurde er zum Parlamentspräsidenten gewählt und wurde deshalb ein zweites Mal Vorsitzender einer Parlamentarierabordnung, mit der der Reichstag während des deutsch-französischen Krieges im preußischen Hauptquartier seinen Willen zur Mitwirkung an der Gründung des neuen Kaiserreiches demonstrierte.

Simsons großes parteiübergreifendes Ansehen manifestierte sich später in seiner Nobilitierung und seiner 1879 erfolgenden Berufung zum ersten Präsidenten des Reichsgerichts in Leipzig. Eine seiner Nachfahren, Clara von Simson, gehörte lange Jahre dem Kuratorium der Friedrich-Naumann-Stiftung an.

Clara von Simson: Die durchsetzungsstarke Pionierin

Clara von Simson

Sie kämpfte für die Erwerbsfähigkeit der Frau und setzte sich für die Förderung von Frauen in den Naturwissenschaften ein.

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Eduard von Simson starb hochverehrt im hohen Alter von 88 Jahren in Berlin. Etwas hochgegriffen, aber nicht völlig zu Unrecht hat man den liberalen Juristen und Politiker Eduard von Simson als den „ersten deutschen Verfassungsvater“ bezeichnet.

Weitere liberale Verfassungsväter sollten Simson folgen: So übernahm Hugo Preuß den Grundrechtskatalog in seine Entwürfe der Weimarer Reichsverfassung 1919, und wiederum dreißig Jahre später sorgte Theodor Heuss für die Rezeption der liberalen Grundwerte von 1848 in das bundesdeutsche Grundgesetz.