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Viele positive Trends

Wie stehen die Chancen für Argentiniens Liberale?

Jörg Dehnert, Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Argentinien, spricht vor den Parlamentswahlen am Sonntag im Interview mit freiheit.org über den argentinischen Wahlkampf und die dominierenden Themen.

Bei den Vorwahlen zum Kongress lag das Regierungsbündnis landesweit vor den Peronisten, bei den Vorwahlen zum Senat dagegen siegte in der größten und wichtigsten Provinz Buenos Aires mit knappem Vorsprung Ex-Präsidentin Cristina Kirchner. Welcher Trend zeichnet sich eine Woche vor den Wahlen ab?

Landesweit hat Cambiemos in allen Umfragen zu den Kongresswahlen nochmals zugelegt und es ist zu erwarten, dass das Regierungsbündnis den Vorsprung weiter ausbauen und das Ergebnis der letzten Wahlen von 2015 verbessern wird. Allerdings wird Cambiemos auch diesmal nicht die parlamentarische Mehrheit gewinnen. Dieser Trend ist zum einen einer sehr intensiven Wahlkampagne geschuldet, in der man die eigenen Erfolge wesentlich offensiver als vorher mit vielen Haus zu Haus Besuchen propagiert hat. Zum anderen helfen Cambiemos auch die Zerstrittenheit und der erbitterte Konkurrenzkampf innerhalb des peronistischen Lagers sowie die aggressive Streikpolitik der Gewerkschaften. Die Menschen haben es ganz einfach satt, dass mehrmals in der Woche zu Stoßzeiten -oft illegal- wichtige Straßen seitens der Gewerkschaften blockiert werden und ein Verkehrschaos angerichtet wird, das alle betrifft. Hinsichtlich der Senatswahlen hat Cambiemos durch eine sehr effektive Kampagne den Bekanntheitsgrad des bisherigen Bildungsministers Esteban Bullrich als Kandidat für den Senat in der Provinz Buenos Aires erhöht. In seiner sachlichen und integrierenden Art bildet er einen starken Kontrast zu der als aggressiv und dogmatisch agierenden Ex-Präsidentin Kirchner. Hinzu kommt, dass durch das Bekanntwerden weiterer Korruptionsvorwürfe das Image der Ex-Präsidentin weiter gelitten hat.

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Welche waren die dominierenden Themen in diesem Wahlkampf?

Der Regierung ist es mit Unterstützung der Stiftungspartner gelungen, Themen wie „innere und häusliche Sicherheit“, „Inflation“, „Drogenkriminalität“ und „Wirtschaftsentwicklung“ in den Vordergrund zu stellen, bei denen es deutlich positive Entwicklungen seit der Amtsübernahme Macris gab. Die Regierung konnte insbesondere in den Bereichen der „inneren Sicherheit“ und „Drogenkriminalität“ durch die hervorragende Politik der zuständigen Ressortministerin Patricia Bullrich punkten, die den Drogenhandel in einigen Hochburgen bis zu 40 Prozent reduzieren konnte. Auch im Bereich der inneren Sicherheit konnten bemerkenswerte Fortschritte erzielt werden. Zwar ist die Zahl der Delikte nur marginal gesunken, die Aufklärungsquote hat sich jedoch deutlich verbessert. Die Anzahl der Verhaftungen ist ebenfalls stark gestiegen, was zu einem größeren Sicherheitsempfinden in der Bevölkerung führte. Wie hoch das Image der liberalen Ministerin Bullrich ist, zeigt auch die Tatsache, dass der Versuch der Peronisten, insbesondere der Kirchneristen, das Verschwinden des indigenen Aktivisten Santiago Maldonado im Zusammenhang mit einer Demonstration, dem Versagen der zuständigen Sicherheitsbehörden und damit der Ministerin anzulasten, völlig fehlgeschlagen ist. Während nahezu 100 Prozent der Anhänger der Ex-Präsidentin davon überzeugt sind, dass die staatlichen Sicherheitsbehörden für den Fall verantwortlich sind, geht nach einer Umfrage der Friedrich-Naumann-Stiftung der überwiegende Anteil der Bevölkerung von einer Instrumentalisierung des Falles durch die Peronisten aus und erklärt der „Fall Santiago Maldonado“ habe keinen Einfluss auf ihre Wahlentscheidung.

Im Bereich der Wirtschaft ist ein großer Erfolg, dass es der Regierung gelungen ist, die hohe Inflationsrate von über 40 Prozent innerhalb von zwei Jahren auf unter 30 Prozent zu verringern. Auch wenn die Arbeitslosigkeit bisher nur wenig gesunken ist, ist der allgemeine wirtschaftliche Trend positiv.

Während in Europa die Populisten deutlich im Aufwind sind, wie in den letzten Wochen besonders in Deutschland und am 15.10. noch klarer in Österreich deutlich wurde, scheint in Argentinien ein gegenteiliger Trend erkennbar zu sein. Was sind  die Gründe hierfür?

In Argentinien haben die Populisten jahrelang Regierungsverantwortung getragen und die Menschen haben die „Erfolge“ oder besser Misserfolge dieser Politik direkt erfahren können. Hinzu kommt, dass mit Venezuela und Bolivien weitere abschreckende Beispiele populistischer und sozialistischer Misswirtschaft und Politik im unmittelbaren Blickfeld der Lateinamerikaner sind. Dies fehlt in Europa gänzlich. Die Populisten ziehen in Europa zwar mit teilweise - für Liberale - erschreckenden Ergebnissen in die Parlamente ein, an Regierungen waren sie aber bisher noch nicht beteiligt und können daher nicht direkt für ihre Politikkonzepte verantwortlich gemacht werden. Hinzu kommt, dass in der Auseinandersetzung mit den Populisten hier in Lateinamerika keine hoch emotionalen Themen wie Migration oder Menschenrechte, sondern mit Wirtschaft oder Korruption andere Themen dominieren. Eine Verknüpfung der Themen  innere Sicherheit oder Arbeitslosigkeit mit Flüchtlingen und  Migration findet in Lateinamerika nicht statt.

Jörg Dehnert leitet das Projektbüro Argentinien in Buenos Aires.