Philippinen
Diktator-Sohn Marcos Jr. als philippinischer Präsident vereidigt
Nach seinem Erdrutschsieg mit über 60 Prozent der Stimmen ist Ferdinand "Bongbong" Marcos Jr. am 30. Juni als 17. philippinischer Präsident vereidigt worden. Seine Amtseinführung erfolgte nur wenige Tage nach einem endgültigen Urteil des Obersten Gerichtshof in Manila: Demnach schließt die Steuerhinterziehung, die aus dem unrechtmäßig erworbenen Reichtum der Familie Marcos resultierte, schließen Marcos Jr. nicht von der Übernahme des Amtes des Präsidenten aus. Die Beseitigung der rechtlichen Hindernisse war der letzte Schritt, den die Familie Marcos für ihre Rückkehr an die Macht benötigte.
Schon vor und während des Wahlkampfs beschönigte die Familie Marcos mit einer Rebranding-Kampagne ihr Image und revidierte das Narrativ der Diktatur von Marcos Sr.. Ferdinand "Bongbong" Marcos Jr. vermied während seiner Präsidentschaftskampagne öffentliche Debatten, um so unbequemen Fragen über seine Vergangenheit aus dem Weg zu gehen. Er präsentierte sich als integrative Persönlichkeit und konzentrierte sich auf das Motiv von Einheit und Einigkeit. Das kam bei der Mehrheit der philippinischen Wähler gut an. Einheit und Einigkeit standen auch im Mittelpunkt der Antrittsrede des neuen Präsidenten, die sich nur wenig mit der Politik befasste.
Der Agrarsektor: Armut und Mühsal
Marcos Jr. wählte angesehene Experten für sein Wirtschaftsteam aus. Er und sein Team werden sich mit den steigenden Benzinpreisen und der zunehmenden Inflation befassen müssen, einschließlich der steigenden Kosten für Reis, dem Grundnahrungsmittel der Filipinos. Der neue philippinische Präsident, der Medienberichten zufolge sein Grundstudium nie abgeschlossen hat, ernannte sich selbst zum Landwirtschaftsminister und betonte, dass die Gewährleistung der Ernährungssicherheit seine Priorität sei. Er versprach, den Agrarsektor zu modernisieren, der lange Zeit mit Armut und Entbehrungen in Verbindung gebracht wurde. Als Landwirtschaftsminister wird Marcos Jr., dessen Familie für Korruption bekannt ist, Zugang zu einem milliardenschweren Fonds haben, der aus Abgaben für Kokosnussproduktion besteht. Der ehemalige Präsident Rodrigo Duterte hatte den Fonds in den letzten Tagen seiner Amtszeit freigegeben.
Marcos Jr. ernannte zudem die neue Vizepräsidentin des Landes, Sara Duterte, Tochter des ehemaligen Präsidenten, zur Bildungsministerin. Kritiker befürchten, dass Marcos Jr. und Sara Duterte den Geschichtsrevisionismus und die Desinformation fortsetzen werden, indem sie die Diktatur von Marcos Sr. weiterhin als "goldene Ära" darstellen. Da der Geschichtsunterricht bereits 2014 aus dem Lehrplan gestrichen wurde, werden philippinische Schüler nicht über die Gräueltaten der Marcos-Familie während der Zeit des Kriegsrechts aufgeklärt.
Zwei Tage vor dem Amtsantritt des neuen Präsidenten bestätigte die philippinische Börsenaufsichtsbehörde den Lizenzentzug für das Nachrichten-Portal Rappler. Rappler, gegründet von der Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa und eines der wenigen verbliebenen unabhängigen Medienunternehmen auf den Philippinen, wird Berufung einlegen. Im Jahr 2020 wurde das Mediennetzwerk ABS CBN gezwungen, seinen Betrieb einzustellen. Andererseits ist geplant, Vlogger, die für parteiische Berichterstattung und Hassrede bekannt sind, zur Teilnahme an Regierungsbesprechungen und Pressekonferenzen zu akkreditieren.
Ein Mann, der "Dinge erledigt hat"
Die ehemalige Senatorin Leila de Lima, eine scharfe Kritikerin des vorherigen Präsidenten Duterte, bleibt im Gefängnis. Sie befindet sich seit 2017 aufgrund erfundener Anschuldigungen in Haft. Zwei Zeugen haben ihre Aussagen gegen sie widerrufen, und es gab zahlreiche Forderungen nach ihrer Freilassung - vergeblich. De Lima forderte nun Präsident Marcos Jr. auf, die Mitgliedschaft der Philippinen im Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wiederherzustellen. Der Strafgerichtshof untersucht einen "Krieg gegen Drogen", bei dem während der Präsidentschaft von Rodrigo Duterte Tausende getötet wurden. Im Jahr 2018 zog Duterte die Philippinen aus dem IStGH zurück, der dennoch weiter ermittelte. Der neue Präsident Marcos Jr. hat noch nicht erklärt, ob er mit dieser IStGH-Untersuchung zusammenarbeiten will oder nicht. Er versprach jedoch ein "hohes Maß an Rechenschaftspflicht" in Bezug auf die Menschenrechte und eine "Fortsetzung des Kriegs gegen die Drogen im Rahmen des Gesetzes".
In seiner Antrittsrede beschrieb Präsident Marcos Jr. seinen Vater, den ehemaligen Diktator, als einen Mann der "es geschafft hat; manchmal mit der nötigen Unterstützung, manchmal ohne". Marcos Jr. fügte hinzu: "So wird es auch mit seinem Sohn sein."