Anfang März hat die Europäische Union die Ausstrahlung russischer Staatsmedien verboten. „Sputnik und Russia Today stehen unter der ständigen direkten oder indirekten Kontrolle der Regierung der Russischen Föderation und tragen wesentlich dazu bei, die militärische Aggression gegen die Ukraine zu befeuern und zu unterstützen sowie ihre Nachbarländer zu destabilisieren“, hieß es in einer Mitteilung des Rats der Europäischen Union. Die Maßnahmen sollten so lange in Kraft bleiben, „bis die Aggression gegen die Ukraine ein Ende hat und die Russische Föderation und die ihr nahestehenden Medien ihre Desinformations- und Informationsmanipulationsmaßnahmen gegen die EU und ihre Mitgliedstaaten einstellen“.
Trotz des Verbots sendete RT DE jedoch weiter. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg belegte die RT DE Pro-ductions GmbH mit einem Zwangsgeld von 25 000 Euro, da das Fernsehprogramm nicht, wie gefordert, zum 4. März eingestellt wurde. Inzwischen wurde das TV-Programm zwar gestoppt, aber die Inhalte der Webseite sind weiter verfügbar. „Die Stimme von RT DE soll zum Verstummen gebracht werden. Doch wir machen weiter“, schrieb die Redaktion am 6. März in einer Mitteilung an ihre Leser. Die RT-DE-Webseite ist nun unter drei neu eingerichteten URL weiter zu lesen.
1,4 Millionen Nutzer
Die Chefredakteurin von RT in Moskau, Margarita Simonjan, bezeichnet den Auslandssender seit jeher ausdrücklich als „Informationswaffe“. Ihre Strategie ziele darauf, im Ausland eine alternative Gegenöffentlichkeit zum Mainstream zu schaffen und damit Nutzer zu gewinnen, die bereit seien, „gegen das System“ zu kämpfen. Im Fokus des Informationskrieges stehen neben der EU und den Vereinigten Staaten postsowjetische Länder wie die Ukraine, Georgien und Moldawien, die eine prowestliche Außenpolitik verfolgen. „Der kollektive Westen“ wird als Bedrohung und Hindernis für Russland dargestellt.
Die Strategie, eine Gegenöffentlichkeit und eine Plattform für Systemkritiker zu schaffen, hat sich in Deutschland als durchaus erfolgreich erwiesen. Erst die Flüchtlingskrise, dann der Brexit, anschließend die Corona-Krise: Der RT-Ableger RT DE hat die Unzufriedenheit der Menschen genutzt und damit rasant seine Besucherzahlen gesteigert. Rechte Kreise und Pegida-Aktivisten, EU-Skeptiker und Kritiker der Corona-Maßnahmen fanden bei RT DE Zustimmung und eine publizistische Bühne. RT DE steigerte sein Auditorium bis September 2021 auf 1,4 Millionen Nutzer und präsentierte sich als „führende alternative Nachrichtenquelle“.
Kontrolle aus Moskau
Die deutsche Redaktion von RT versuchte seit Anfang 2021 gezielt, ihr zweifelhaftes Image in der allgemeinen Öffentlichkeit zu verbessern, mit Dinara Toktosunowa als Chefredakteurin und Alexander Korosteljow als Programmchef. Die beiden täuschten die Öffentlichkeit indes immer wieder, indem sie behaupteten, der Sender zeichne sich „durch besondere Unabhängigkeit“ aus. RT DE wird ebenso wie die Nachrichtenplattform SNA (Sputnik) von Moskau kontrolliert und finanziert.
„Ein Anti-Merkel-Ding“
Für eine besonders schlechte Presse über den Auslandssender sorgte im Frühjahr 2021 ein ehemaliger Reporter von RT DE, Daniel Lange. Er enthüllte gegenüber der „Bild-Zeitung“, wie er sich als Agent missbraucht fühlte, als er den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny im Krankenhaus beobachten sollte, als dieser mit einer Vergiftung in Berlin behandelt wurde. Zeitgleich veröffentlichte er sein Buch „Inside RT Deutsch: Russlands Medienarmee in Deutschland“. Ziel seiner Arbeit bei RT sei es gewesen, „Fake-journalistische Inhalte herzustellen“, um ein „Anti-Merkel-Ding“ zu erzeugen. Es sei kein Zufall, dass RT DE extreme Inhalte verbreite, denn dies entspreche der Mitarbeiterstruktur. Nach Langes Worten arbeiten bei RT DE Rechte, Linke, Verschwörungsphantasten, „Querdenker“ und russischsprachige Menschen, die absolut loyal gegenüber dem Machthaber Wladimir Putin seien. Besonders groß sei der rechte Kreis, der teilweise mit der AfD organisatorisch verbandelt sei.
Das Ziel, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, war insbesondere mit dem Plan verbunden, RT DE als TV-Vollprogramm über Kabel und Satellit anzubieten. Dieser Plan war bislang vor allem daran gescheitert, dass RT DE als staatlich finanziertes Medium in Deutschland nach hiesiger Gesetzgebung keine Lizenz erhalten kann. Die zuständige Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) hatte RT DE schon im Vorfeld darauf hingewiesen, „dass für alle Formen des Rundfunks das Gebot der Staatsferne gilt“. Um die deutschen Bestimmungen zu umgehen, ging die Muttergesellschaft von RT, TV Novosti, den Umweg über Luxemburg und stellte dort einen Antrag auf Sendelizenz. Die Regierung in Luxemburg lehnte dies im August 2021 ab, mit der Begründung, nicht zuständig zu sein, da der Sender vor allem in Deutschland arbeite.
Einen Skandal löste die Abschaltung der YouTube-Kanäle von RT DE dann im September 2021 aus. Damit verlor der Sender etwa 600 000 Nutzer. Die amerikanische Firma begründete ihren Bann damit, dass RT DE wiederholt Desinformationen zu Corona verbreitet und gegen die Gemeinschaftsrichtlinien verstoßen habe. Das russische Außenministerium sprach daraufhin von einem „beispiellosen Akt der Medienaggression“, den deutsche Behörden unterstützten. Die Bundesregierung wies diese Vorwürfe zurück. „Hier handelt es sich um eine Entscheidung von YouTube“, sagte der damalige Regierungssprecher Steffen Seibert.
Dennoch behauptete Simonjan im russischen Fernsehen eine Verschwörung Luxemburgs, Deutschlands und der Vereinigten Staaten gegen RT DE. Sie stellte den Sachverhalt dabei so dar, als ob RT DE vollständig blockiert worden wäre und es überhaupt keine Möglichkeit mehr gebe, die YouTube-Kanäle wiederherzustellen. Dies entsprach nicht den Tatsachen: Die Seite von RT DE und die Accounts bei Facebook, Twitter, Instagram und Telegram blieben weiterhin aktiv und zugänglich; etwa 800 000 Nutzer konnten weiter RT DE konsumieren.
Fehlende Lizenz
Das Problem der fehlenden Lizenz in Deutschland „löste“ RT DE dann im Dezember 2021 mit einer Sendeerlaubnis aus Serbien und ging per Satellit und Onlinestream live. Dies hielt die Berliner Medienbehörde MABB allerdings für nicht hinnehmbar und verhängte ein Sendeverbot für RT DE. Anfang Februar bestätigte die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Landesmedienanstalten diese Entscheidung. Einen Tag später schlug das Außenministerium in Russland prompt zurück: Die DW musste ihr Büro in Russland schließen, ihren Korrespondenten wurden die Akkreditierungen entzogen. Die Ausstrahlung von DW-Sendungen in Russland wurde verboten, und der Sender fand Eintrag in das Register sogenannter ausländischer Agenten beim russischen Justizministerium, was seine Arbeit erheblich erschwert. Das DW-Verbot ging damit deutlich weiter als die in Deutschland verhängten Maßnahmen gegen RT DE. Im Gegensatz zu den DW-Korrespondenten in Russland können RT-Mitarbeiter in Deutschland weiterhin ungehindert arbeiten.
Gefängnisstrafen für „Fakes“
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar ging Russland rigoros gegen ausländische und unabhängige russische Medien vor: Die Webseiten von BBC, Deutscher Welle, dem Radiosender Echo Moskvy, TV Doschd und anderen wurden blockiert. „Fakes“ über den Krieg werden mit einer Geldstrafe von 1,5 Millionen Rubel oder bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft. Als „Fake“ gilt auch, den Krieg als Krieg zu bezeichnen. Infolge dieses Mediengesetzes stellten ARD und ZDF ihre Berichterstattung aus Moskau ein. RT DE agiert hingegen trotz aller Verbote weiter und verbreitet die Kreml-Propagandalügen von der „Sonderoperation“ zur „Befriedung“ und „Entnazifizierung“ der Ukraine. In dieser Darstellung ist nicht Russland der Aggressor, sondern dies sind die Ukraine und der Westen. In Deutschland gibt es Stimmen, beispielsweise Reporter ohne Grenzen, die sich im Namen der Pressefreiheit gegen ein Verbot von RT DE aussprechen. Dabei zeigen die russischen Staatsmedien aktuell besonders deutlich: Sie sind Waffen im Informationskrieg.