Selbstzensur als Überlebensstrategie
Verbrechen gegen Journalisten gelten in Simbabwe als Bagatellen und Täter werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Die Systeme, Personen und Verwaltungsstrukturen, die eigentlich dazu gedacht sind, Journalisten zu schützen, sind in manchen Fällen sogar die Anstifter der Belästigungen, tätlichen Angriffe, hetzerischen Parolen und verbalen Übergriffe, denen Journalisten in der Öffentlichkeit ausgesetzt sind. Das Resultat ist eine umfassende Selbstzensur der Medien.
Wie ist es aktuell um die strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen gegen Journalisten im Land bestellt?
Die aktuelle rechtliche und politische Lage bietet nur wenige Ansatzpunkte für die erfolgreiche Strafverfolgung von Personen und Institutionen, die Verbrechen gegen Journalisten begehen. In den meisten Fällen handelt es sich bei Journalisten um „rechtlose“ Opfer, die im Anschluss an Übergriffe nur wenig Aussicht auf ein faires Verfahren haben. In Simbabwe herrscht in solchen Fällen eine Kultur der Straflosigkeit und Missachtung des Gesetzes.
Verbrechen gegen Journalisten gelten als Bagatellen und Täter werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Die Systeme, Personen und Verwaltungsstrukturen, die eigentlich dazu gedacht sind, Journalisten zu schützen, sind in manchen Fällen sogar die Anstifter der Belästigungen, tätlichen Angriffe, hetzerischen Parolen und verbalen Übergriffe, denen Journalisten in der Öffentlichkeit ausgesetzt sind.
So wurde etwa der Journalist Itai Dzamara im März 2015 entführt. Seit über zwei Jahren fehlt von ihm jede Spur. Trotzdem ist im Zusammenhang mit dem Vorfall bisher niemand verhaftet oder überhaupt verhört worden. Es wurden auch keine Schritte im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens in die Wege geleitet, um seinen Verbleib ausfindig zu machen.
Zwischen 2016 und 2017 wurden über 15 Journalisten privater Medien von der Polizei und Anhängern der Regierungspartei Zanu-PF angegriffen, während sie ihrem rechtmäßigen Beruf nachgingen und über Ereignisse wie Proteste und Demonstrationen berichteten. Alle Versuche, die Polizei und Regierungspartei zur Rechenschaft zu ziehen, sind fehlgeschlagen.
Es besteht kein politischer Wille, die UN-Resolution 68/163 umzusetzen. Stattdessen gab es dahingehend bisher nur zaghafte, unvollständige und unverbindliche Scheinversuche. Bei Verbrechen gegen Journalisten herrscht eine grundlegende Kultur der Straflosigkeit, bei der die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Für Handlungen, Aussagen und Verhaltensweisen, die die Arbeit von Journalisten gefährden und die Journalisten selbst in Gefahr bringen – wie etwa Einschüchterung, tätliche Angriffe, unrechtmäßige Festnahmen und Inhaftierung – gibt es keinerlei Konsequenzen.
Hat sich die Lage in den vergangenen Jahren verbessert oder verschlechtert?
In der Rangliste zur Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ rangiert Simbabwe zurzeit auf Platz 128. Voraussichtlich wird das Land selbst diese Position nicht halten können und im Ranking weiter abrutschen, da die Behörden die Medienfreiheit noch weiter einschränken werden und Journalisten kontinuierlich von drakonischen Gesetzen, der Polizei, Parteianhängern von Zanu-PF und den Agenten der Staatssicherheit drangsaliert werden. Journalisten werden belästigt, geschlagen und bedroht, insbesondere dann, wenn sie über politische oder wirtschaftliche Entwicklungen berichten.
Simbabwe führt auch weiterhin Vorschriften ein, durch die sich die Arbeit der Journalisten sehr schwierig gestaltet. Das neu eingeführte Ministerium für Cyber-Sicherheit, Bedrohungserkennung und -abwehr arbeitet daran, die freie Meinungsäußerung sowohl von Journalisten als auch von Bürgern in den sozialen Medien einzuschränken.
Inwieweit wirkt sich die Straflosigkeit auf die Meinungs- und Pressefreiheit im Land aus?
Es ist ein Gemeinplatz, dass die Straflosigkeit in Simbabwe den professionellen und hochwertigen Journalismus und damit auch die freie Meinungsäußerung zerstört hat. Journalisten bleibt häufig nichts anderes übrig, als Informationen sorgfältig zu filtern und zu verwässern, bevor sie diese veröffentlichen. Der investigative Journalismus ist in der Folge stark geschwächt, so dass Korruptionsfälle in Simbabwe nicht umfassend oder wirksam untersucht werden.
Die Selbstzensur ist für Journalisten der privaten Medien eine Überlebensstrategie, durch die sie ihre persönliche Sicherheit zu gewährleisten versuchen. Die Straflosigkeit hat bei Journalisten zu weitverbreiteter Angst und Verunsicherung geführt. Inzwischen streben diese danach, dass ihre Artikel möglichst „politisch korrekt“ sind und vermeiden tunlichst jede Kritik am Präsidenten und dessen Frau.
Manche Journalisten meiden Orte, an denen sie von der Polizei – die eine führende Rolle bei der Drangsalierung von Journalisten spielt – belästigt werden könnten. Zu solchen Orten gehören naturgemäß auch Stellen, an denen Proteste und politische Kundgebungen der Opposition stattfinden.
Manche Journalisten melden nicht einmal Übergriffe und Schikanen hochrangiger Regierungsmitarbeiter, aus Furcht, dies könnte das Problem eskalieren lassen und zu weiteren Übergriffen führen. Es hat Fälle gegeben, in denen Regierungsbeamte Verleumdungsklagen in astronomischer Höhe gegen Journalisten erhoben haben. Diese hüten sich anschließend natürlich, über diese Beamten zu berichten. Journalistinnen meiden brenzlige Situationen wie etwa politische Kundgebungen von Zanu-PF, da sie die Belästigung durch Parteianhänger fürchten, deren Fehlverhalten ungeahndet bleibt.
Wird die Straflosigkeit von Verbrechen gegen Journalisten in der öffentlichen Debatte thematisiert? Gibt es konkrete Fälle, die in den Fokus der Öffentlichkeit geraten sind?
Die Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Journalisten bildet durchaus Teil der öffentlichen Debatte, vor allem dank des Einsatzes von Medienorganisationen und der Zivilgesellschaft. Diese und andere Akteure haben das Problem thematisiert und setzen sich für Rechenschaftspflicht und Rechtsreform ein. Sie versuchen auch, die allgemeine Kultur sowie die Einstellung von Politikern, Beamten und Mitgliedern der Sicherheitsdienste – den wichtigsten Tätergruppen – zu beeinflussen.
Private Medien und zivilgesellschaftliche Medienorganisationen suchen ununterbrochen den Dialog mit dem simbabwischen Polizeikommissar, um die Belästigung und die Übergriffe gegen Journalisten durch Polizisten zu thematisieren, die für solche Verletzungen der Berufsstandsrechte von Journalisten niemals zur Rechenschaft gezogen werden. Jedoch sind die Gespräche völlig ohne Wirkung geblieben, und die Polizei erfreut sich trotz des Ernstes mancher Fälle weiterhin unbegrenzter Straffreiheit.
Unlängst wurde ein Reporter der Tageszeitung Newsday von der Polizei zusammengeschlagen, während er über einen Protest berichten wollte. Die Zeitung kritisierte die Handlungen des Polizisten in einem Leitartikel scharf und forderte Konsequenzen. In einem weiteren Vorfall schoss die Polizei auf einen Reporter der Daily News, während dieser am 29. September 2017 einer Oppositionskundgebung beiwohnte, und ließ ihn dann halbtot liegen. Medienorganisationen fordern ein Ende der Straflosigkeit. Es ist sehr zu bedauern, dass die Regierung einerseits davon spricht, wie wichtig es sei, die Sicherheit von Journalisten zu gewährleisten, während sie andererseits der Polizei und den Anhängern von Zanu-PF freie Hand lässt.
Welche Organisationen setzen sich im Land gegen die Straflosigkeit von Verbrechen gegen Journalisten ein? Inwieweit unterstützt die FNF diese Bemühungen?
Organisationen wie MISA-Zimbabwe, das Voluntary Media Council of Zimbabwe (VMCZ) und die Media Alliance of Zimbabwe (MAZ) sowie die Rechtshilfeorganisation Zimbabwe Lawyers for Human Rights (ZLHR) engagieren sich aktiv dafür, die Straffreiheit von Verbrechen gegen Journalisten zu bekämpfen. Das VMCZ und die MAZ verurteilen Übergriffe in Presseerklärungen sowie in öffentlichen Dialogforen, während MISA-Zimbabwe einen Medien-Verteidigungsfonds und ZLHR einen vergleichbaren Fonds zur Verteidigung der Menschenrechte unterhält, die inhaftierten Journalisten bei Bedarf Rechtsbeistand und -unterstützung zukommen lassen. Die Organisationen greifen auch mittels öffentlicher Erklärungen und Gespräche mit Sicherheitskräften (MISA-Zim) ein, um ein besseres Verständnis für die Rolle der Medien und die Bedeutung der Medienfreiheit herbeizuführen. MISA veröffentlicht darüber hinaus regelmäßig den Bericht Media Freedom Violations-Report über Vorfälle, in denen die Pressefreiheit angegriffen oder unterminiert wurde. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit arbeitet mit dem VMCZ unter anderem im Bereich der Journalistenweiterbildung zusammen, insbesondere zu Themen wie Selbstregulierung und sichere Berichterstattung.
Fungisai Sithole ist Project Officer der Stiftung für Simbabwe