Jordanien und Libanon
Frank-Walter Steinmeier zu Besuch im Nahen Osten. Ulrich Niemann, Leiter der Auslandsabteilung der Stiftung für die Freiheit, wird den Bundespräsidenten auf seiner Nahostreise begleiten. Unsere Kollegen vor Ort werfen erklären dien aktuellen Kontext, in dem die Reise stattfindet.
Vom 27. bis 31. Januar besucht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Jordanien und den Libanon. Seine Reise und die damit einhergehende Aufmerksamkeit sind Symbol des außergewöhnlich hohen Engagement Deutschlands in der Region und eine Wertschätzung der beiden Zielländer. „Sowohl die libanesische als auch die jordanische Gesellschaft haben in den letzten Jahren eine enorme Leistung bei der Aufnahme und Versorgung so vieler Menschen auf der Flucht vollbracht. Deutschland und die EU haben ein explizites Interesse daran, dass beide Länder weiterhin Anker der Stabilität in der Region bleiben und den Menschen ein Leben in Frieden und Freiheit bieten können,“ sagt Ulrich Niemann, Leiter der Auslandsabteilung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, der den Bundespräsidenten auf seiner Nahostreise begleitet.
Königreich am Limit: Deutschlands Interesse an der Stabilität Jordaniens
Von Dr. René Klaff und Constanze Sturm
Das Haschemitische Königreich Jordanien hat sich entgegen aller Bedrohungen von außen und Spannungen im Inneren als Hort der Stabilität im Krisenherd Nahost und als verlässlicher Partner der USA und Europas etabliert. Die Beziehung zu Deutschland nimmt dabei eine herausragende Rolle ein: So besteht mit der Deutsch-Jordanischen Universität bereits seit einem guten Jahrzehnt, nur wenige Kilometer südlich von der Hauptstadt Amman, ein Leuchtturmprojekt einer Kooperation unter Federführung der Fachhochschule in Magdeburg-Stendal.
Im Mai 2017 wurde an der Hochschule Al-Balqa im Nordwesten Jordaniens mit SESAME offiziell das erste Zentrum für physikalische Grundlagenforschung im Mittleren Osten eröffnet. Nach seinem Vorbild, dem weltweit größten internationalen Forschungslabor CERN in der Schweiz, soll es Frieden und Stabilität durch Wissenschaftskooperation unter der Schirmherrschaft der UNESCO fördern: Staaten, die sich an anderer Stelle als Erzfeinde begegne(te)n, arbeiten in diesem Zentrum zusammen, darunter Jordanien, Ägypten, Iran, Israel und die Palästinensische Autonomie. Bereits die Idee wurde von deutschen Wissenschaftlern unterstützt, sodass die Bundesregierung zum Aufbau der Einrichtung im Jahr 2002 einen in Berlin ausgemusterten Elektronenspeicherring zur Verfügung stellte – also die Basis und das Herzstück des Forschungslabors. Derzeit steht das Zentrum auch unter der Leitung eines deutschen Wissenschaftlers.
Diese beiden Projekte sind mustergültige Beispiele für die westliche Orientierung Jordaniens und seinem Selbstverständnis als Mittler für Frieden und internationale Kooperation im Nahen Osten. Zugleich stehen diese Bemühungen auf tönernen Füßen, kann Jordanien seine Stabilität nicht behaupten – die Gefährdungen sind zahlreich.
Vertrauenswürdiger Bündnispartner in einer Krisenregion
Ähnlich wie der Libanon spielt Jordanien eine Schlüsselrolle für das Engagement der internationalen Gemeinschaft im krisengeschüttelten Nahen Osten: Das Land ist Drehscheibe der internationalen Politik, Diplomatie und Hilfsorganisationen in der Region und gilt als verlässlicher und vertrauenswürdiger Bündnispartner.
Die Verlegung von Teilen deutscher Streitkräfte von der NATO-Basis Incirlik in der Türkei auf den ostjordanischen Luftwaffenstützpunkt Al-Azraq im Oktober 2017 hebt noch einmal den Stellenwert der deutsch-jordanischen Beziehungen. Die Bundeswehr unterstützt am neuen Standort nicht nur Angriffe der internationalen Allianz gegen die IS-Terrormiliz in Syrien und im Irak, sondern stellt den jordanischen Sicherheitskräften auch Busse, Lastwagen und Ausbildungsflugzeuge zur Verfügung, damit diese selbst Stabilität und Sicherheit an den Grenzen gewährleisten können.
Deutschland wird dieses Jahr voraussichtlich erneut 130 Millionen Euro für Waffen, Ausrüstung und Infrastruktur bereitstellen und der Bundeswehr ein Mandat für eine weitere Mission in Jordanien erteilen, denn eine vollständige Befriedung Syriens und Iraks ist auf absehbare Zeit nicht in Sicht, obwohl der IS als militärisch weitestgehend besiegt gilt. Von versprengt agierenden Kämpfern, aber auch religiös motivierten Extremisten in Jordanien selbst, geht weiterhin die Gefahr von gezielten terroristischen Angriffen aus – nicht nur, weil das Land eng in die Koalition zur Bekämpfung des IS eingebunden ist, sondern auch, weil das Königshaus für einen moderaten Islam und die Modernisierung der jordanischen Gesellschaft steht. Und das Risiko, dass die Konflikte der Nachbarländer auf Jordanien übergreifen, ist längst nicht gebannt.
Verlässlicher Friedensmittler und humanitärer Helfer im Zwiespalt
Neben den Bedrohungen aus Syrien und dem Irak strahlt der israelisch-palästinensische Konflikt weiterhin nach Jordanien stärker aus als auf jeden anderen arabischen Staat. Die Irritationen und Unruhen, die der Beschluss der Trump-Administration zur vollständigen Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt bewirkt hat, bereiten der jordanischen Führung vor dem Hintergrund des hohen Anteils von Palästinensern an der eigenen Bevölkerung – rund 50 Prozent der 6,7 Millionen Einwohner – erhebliche innenpolitische Probleme; so befindet sich nicht nur das Verhältnis zu Israel auf einem politischen und emotionalen Tiefpunkt, auch die enge (Militär-) Allianz mit den USA wird von großen Teilen der Bevölkerung und des Establishments zunehmend kritisch gesehen.
Umso wichtiger ist, dass Europa, die USA und internationale Hilfsorganisationen das Land weiter unterstützen, vor allem bei der Versorgung der Flüchtlinge. 630.000 syrische Flüchtlinge sind vom UNHCR registriert, die auf humanitäre Unterstützung angewiesen sind – dies entspricht zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Die jordanische Gesellschaft hat die Flüchtlinge mit großem Verständnis für deren Situation aufgenommen, sieht sich aber insbesondere nach dem Zusammenbruch zentraler Handelsbeziehungen zu den Nachbarländern zu erheblichen Teilen selbst mit Arbeitslosigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit konfrontiert. Die Aufnahme und Versorgung so vieler Menschen sprengt die Kapazitäten des Gesundheitssystems, der Energie- und Wasserversorgung – Jordanien gehört zu den fünf wasserärmsten Ländern der Welt –, des ohnehin angespannten Arbeitsmarktes, des Bildungswesens.
Deutschland unterstützte das Königreich allein im vergangenen Jahr mit gut 450 Millionen Euro. Die Stiftung für die Freiheit arbeitet dabei gemeinsam mit ihren Partnern insbesondere daran, dass sich vor allem jugendliche Jordanier und Syrer mit extremistischen Einflüssen kritisch auseinander setzen, sich berufliche Perspektiven schaffen und begleitet die staatlichen Einrichtungen in ihren wirtschaftlichen und politischen Reformbemühungen. Der Besuch des Bundespräsidenten ist eine Chance für Jordanien zu zeigen, welche Potentiale das Land hat – und für Deutschland, dass es die enorme Leistung Jordaniens anerkennt, Vorbild für ein friedliches Miteinander und Humanität in einer Krisenregion zu sein.
Libanon: Kleines Land, große Probleme – Deutschlands Interesse in der Levante
Von Dirk Kunze und Philip Müller
Geopolitisch liegt der kleine Staat Libanon in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kriegsgebiet Syrien. Dieser kommt im nächsten Monat in sein achtes Jahr und ist zugleich – wie der Libanon auch – Austragungsort eines Wettstreits verschiedener Akteure um die regionale Hegemonie. Eine Kriegspartei in Syrien (Hisbollah) ist im Libanon in Regierungsverantwortung. Der mögliche Funke, der den regionalen Flächenbrand auch in den Libanon überspringen lassen könnte, ist somit nicht nur theoretischer Natur. Bislang hat der Zedernstaat dieser Gefahr getrotzt. Weder hat die in Europa erst spät begriffene Dimension der Flüchtlingsströme Syriens Nachbarn destabilisiert, noch haben das politische Chaos und die Gewalt übergegriffen. Ob dies so bleiben wird, ist jedoch besonders im Falle des chronisch fragilen Libanon fraglich.
Denn in dieser von Krisen nicht armen Region hat insbesondere der kleine Staat am östlichen Mittelmeer die größten finanziellen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu meistern. Neben der Bewältigung der historisch beispiellosen Flüchtlingskrise bedürfen die libanesischen Staatsfinanzen einer dringenden Sanierung, der Ausbau der Infrastruktur ist von immer größerer Dringlichkeit und nun stehen zum ersten Mal seit 2009 Parlamentswahlen an. Bedingt durch immer wiederkehrende politische Krisen, verlängerte das Parlament sein Mandat in der Vergangenheit mehrfach eigenmächtig und verschob damit die Wahl immer weiter. Im Mai dieses Jahres sollen die Libanesen nun endlich an die Wahlurnen treten. Darüber hinaus hat sich der Libanon zur Neutralität in Bezug auf Regionalkonflikte verpflichtet. Allein die Umsetzung dieses Ziels bedarf des intensiven Kontakts zu internationalen Partnern.
Sowohl die libanesische als auch die jordanische Gesellschaft haben in den letzten Jahren eine enorme Leistung bei der Aufnahme und Versorgung so vieler Menschen auf der Flucht vollbracht. Deutschland und die EU haben ein explizites Interesse daran, dass beide Länder weiterhin Anker der Stabilität in der Region bleiben und den Menschen ein Leben in Frieden und Freiheit bieten können.
Enge Verbindung zu Deutschland
Für den Libanon ist die deutsche Unterstützung essentiell. Die Bundesregierung engagiert sich im Rahmen der UN Mission UNIFIL militärisch im Land und leistet erhebliche Entwicklungshilfe mit dem Fokus auf der Versorgung von Flüchtlingen und Aufnahmegemeinden in den Feldern Bildung, Berufsbildung und Wasserversorgung. Sowohl über das Auswärtige Amt als auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird ein substanzieller Beitrag zur zivilgesellschaftlichen Entwicklung im Land geleistet, an welchem auch die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit großen Anteil trägt. Die Stiftung agiert von einem neuen Büro im Herzen Beiruts in drei Interventionsbereichen. Das umfasst die Arbeit mit liberalen politischen Parteien wie etwa „Future Movement“ und ihren Jugendorganisationen, Arbeit mit syrischen Flüchtlingen sowie den zivilgesellschaftlichen Dialog zu Themen wie Jungunternehmertum, Meinungs-, Pressefreiheit und Menschenrechte. Denn der Libanon zeichnet sich durch eine ungemein lebendige Zivilgesellschaft sowie eine Bevölkerung aus, die sich allen Instabilitäten und Widrigkeiten mit ungebrochenem Elan entgegenstemmt.
Für Deutschland selbst ist der Libanon ein Schlüsselpartner in der Bewältigung der Folgen des Syrienkrieges und der Flüchtlingskrise. Die hohe Aufnahmebereitschaft für syrische Flüchtlinge seitens der Libanesen macht es Deutschland möglich, auch außerhalb der EU zur Versorgung der Flüchtlinge beizutragen ohne Menschen in Gefahr zu bringen oder die Situation in anderen Teilen der Welt zu verschärfen. Schon deshalb unterstützte Deutschland Syrien mit humanitärer Hilfe mit rund 720 Millionen Euro sowie den Libanon mit 386 Millionen Euro im Jahr 2017. Denn trotz aller Widrigkeiten steckt das Land voller Möglichkeiten. Ob diese Chancen beispielsweise in Freihandelszonen im Norden des Libanon oder bei dem kreativen Potential zahlreicher gut ausgebildeter (http://mena.fnst.org/content/dont-miss-out-innovation) junger Menschen zu finden sind, hängt vom Einzelfall ab. Fest steht jedoch, das Potential für – auch größere – Investitionen in der Zukunft ist vorhanden.
Drei großen internationale Konferenzen
Deutschlands Rolle ist aber auch in anderer Hinsicht äußerst relevant für die Region. In den kommenden Monaten hat der Libanon nicht nur die oben beschriebenen Herausforderungen zu bewältigen. Vielmehr stehen drei äußerst wichtige internationale Konferenzen bevor, bei denen weitere finanzielle und administrative Hilfen für den Libanon thematisiert werden.
Im Vorgriff darauf und im Zuge der laufenden Haushaltsverhandlungen forderte Premierminister Saad Hariri soeben alle Ressorts auf, ihre Ausgaben um 20 Prozent zu kürzen. Dies kann als Initiative gewertet werden, um im Vorfeld der kommenden Paris IV-Konferenz den libanesischen Haushalt zu konsolidieren und IWF-Forderungen nach stärkerer Ausgabendisziplin nachzukommen. Denn Anfang Februar wird die Rom II Konferenz abgehalten, welche sich hauptsächlich dem Aufbau und der Ausstattung der libanesischen Armee widmen wird. Es folgt im März die Paris IV Konferenz, in der es um die libanesische Infrastruktur geht. Die Brüssel II Konferenz Mitte April schließlich umfasst das größere, regionale Thema der politischen Fragen zur Situation in Syrien sowie der Flüchtlingsfrage.
Im besten Fall wird der Libanon somit durch seine internationalen Partner, nicht zuletzt auch durch die Bundesrepublik, aus dem Jahr 2018 in eine gestärkte Zukunft gehen. Der Besuch von Bundespräsident Walter Steinmeier kommt somit zur richtigen Zeit.
Dr. René Klaff leitet das Regionalbüro MENA der Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Amman.
Constanze Strum ist regionale Projektmanager der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Amman.
Dirk Kunze ist Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit für den Libanon und Syrien.
Philip Müller ist Praktikant im Stiftungsbüro Beirut.