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Sicherheit garantieren, ohne Freiheit zu zerstören

Kommentar über den Datenschutz

Dieser Artikel wurde am 28.09.2017 zuerst im Weser Kurier veröffentlicht. Er ist online hier zu finden.

Die Frage, wie wir die Sicherheit von Menschen garantieren können, ohne dass die Balance zu der Freiheit jedes Einzelnen zerstört wird, muss angepackt werden, meint Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Oft genug waren in den vergangenen Jahren die fürchterlichen Terroranschläge Anlass für eine innenpolitische Aufrüstung, wie sie die liberalen Demokratien vor dem 11. September 2001 nicht kannten. Auf der Strecke blieben dabei die Freiheitsrechte. Dass immer mehr Überwachung Unschuldiger und das Sammeln von immer mehr Daten ohne jeden Anlass, tiefe Eingriffe in die Privatsphäre eines jeden mit sich bringt, liegt auf der Hand.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

© Tobias Koch

Erst die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gegen eine Reihe von Sicherheitsgesetzen und die des Europäischen Gerichtshofes gegen die Vorratsdatenspeicherung beendeten zumindest diese einfache Sicht der Dinge. Geblieben ist der gesetzgeberische Wildwuchs. In den Landespolizeigesetzen der Länder und des Bundes wurden immer mehr Befugnisse festgeschrieben, die Ermittlungen weit im Vorfeld von konkreten Gefahren ermöglichten. Und gleichzeitig erhielten die Dienste polizeiliche Befugnisse, die sie nach ihrer Funktion nicht erhalten konnten.

Vor vier Jahren stellte die von mir eingesetzte Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetze ihre Ergebnisse vor. Die Experten machten umfassend konkrete Vorschläge:

  • Die Zusammenlegung von Landesverfassungsschutzämtern,
  • die Stärkung der Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz und seine Kontrolle sowie
  • die Übertragung der Aufgaben des Militärischen Abschirmdienstes auf den Bundesnachrichtendienst werden seitdem immer wieder diskutiert.

Die Kommission entwickelte auch Antworten auf das Problem der behördlichen Doppelzuständigkeiten und forderte eine Entflechtung nachrichtendienstlicher und polizeilicher Zuständigkeiten.

Um Handeln und Haftung zusammenzubringen, brauchen wir überall dort, wo Bund und Länder sowie Nachrichtendienste, Verfassungsschutz und Polizei bisher informell zusammenarbeiten, klare Regeln und genau definierte Verantwortlichkeiten.

Neuauflage der Großen Koalition wäre schlecht für Freiheit und Sicherheit

Klare Regeln müssen auch über Staatsgrenzen hinweg in Europa greifen. Vor allem mehr Personal ist überfällig: Schätzungen zufolge fehlen bundesweit etwa 16.000 Polizisten. Hier liegen die Versäumnisse, die schleunigst angepackt werden müssen. Eine große Koalition der Besitzsstandswahrer verstand es seit dem 11. September 2001 die deutsche Sicherheitsarchitektur nicht zu reformieren.

Dabei drängt die Zeit. Die Frage, wie wir die Sicherheit von Menschen garantieren können, ohne dass die Balance zu der Freiheit jedes Einzelnen zerstört wird, muss endlich angepackt werden. Die Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung und die Einführung des Staatstrojaners durch die große Koalition sind mehr als ein Menetekel. Eine Neuauflage der großen Koalition wäre schlecht für Freiheit und für Sicherheit. 

Zur Person: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war von 1992 bis 1996 sowie von 2009 bis 2013 Bundesjustizministerin. Die FDP-Politikerin gehört zu den Unterstützern der Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union, die 2016 veröffentlicht wurde und ist im Vorstand der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.