Europawahl
Alles, was Du über die Europawahl wissen musst
Angesichts der aktuellen Entwicklungen in vielen europäischen Ländern ist das nicht verwunderlich: Der bevorstehende Brexit des Vereinigten Königreichs, die autokratischen Bestrebungen von Victor Orbán in Ungarn und das Erstarken rechtspopulistischer Parteien in Deutschland, Italien, Frankreich oder auch Schweden, haben die Sorge um die Zukunft der Europäischen Union verstärkt. Die diesjährige Europawahl hat das Potenzial, die politische Landschaft der Europäischen Union nachhaltig zu verändern. Auf Freiheit.org beantworten wir die wichtigsten Fragen rund um die Europawahl 2019.
Was wird bei der Europawahl 2019 gewählt?
Bei der Europawahl wird das Europäische Parlament mit Sitz in Straßburg gewählt. Das Parlament setzt sich aus derzeit 751 Abgeordneten aus den verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusammen. Die konkrete Anzahl von Sitzen im Parlament pro Mitgliedstaat orientiert die sich an deren Bevölkerungsgröße – so entfallen die meisten Sitze auf Deutschland (96). Das Europäische Parlament ist die einzige von den Bürgern direkt gewählte Institution der Europäischen Union.
Wann findet die Europawahl statt?
Die Wahlen zum Europäischen Parlament finden alle fünf Jahre in den derzeit 28 Mitgliedstaaten statt. Eine Legislaturperiode des Europäischen Parlaments beträgt dementsprechend fünf Jahre. Das Parlament wird von den Bürgern direkt gewählt. Die diesjährigen Europawahlen – die neunten insgesamt – werden vom 23. bis 26. Mai durchgeführt. In Deutschland kann man am Sonntag, den 26. Mai, von 8 bis 18 Uhr seine Stimme abgeben, sofern man nicht alternativ das Briefwahlverfahren nutzt.
Wer ist bei der Europawahl wahlberechtigt?
Wahlberechtigt zur Wahl von Abgeordneten aus der Bundesrepublik Deutschland sind alle Deutschen, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben, seit mindestens drei Monaten im Bundesgebiet wohnen oder sich sonst gewöhnlich dort aufhalten, nicht aus besonderen Gründen vom Wahlrecht ausgeschlossen und im Bundesgebiet in ein Wählerverzeichnis eingetragen sind. Diese Regelung trifft weitgehend auch auf die Bürger in den anderen EU-Mitgliedstaaten zu. Lediglich in Österreich ist man bereits mit 16 Jahren bei der Europawahl stimmberechtigt. Insgesamt sind 2019 rund 400 Millionen Unionsbürgerinnen und Unionsbürger wahlberechtigt – davon 64,8 Millionen in Deutschland. Unter den 64,8 Millionen Wahlberechtigten sind rund 3,7 Millionen deutsche Erstwählerwähler.
Unter den gleichen Bedingungen wie die in Deutschland oder anderen Mitgliedstaaten der EU lebenden deutschen Staatsbürger sind auch alle in der Bundesrepublik Deutschland wohnenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im Bundesgebiet wahlberechtigt, sofern sie nicht in ihrem Herkunftsstaat vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.
Die folgende Tabelle zeigt die Aufschlüsselung der in Deutschland lebenden Wahlberechtigten nach Geschlecht und Altersgruppe:
Wie funktioniert das Wahlsystem für die Europawahlen in Deutschland?
Die Europawahl erfolgt in Deutschland nach einem Verhältniswahlsystem mit geschlossenen Listen. Die Parteien können zwischen einer Bundesliste und Landeslisten wählen. Jeder Wähler hat eine Stimme, mit der er die Bundes- bzw. Landesliste einer Partei wählt.
Bei der Europawahl in Deutschland gilt – anders als in anderen EU-Staaten – keine Sperrklausel. Erst bei den Europawahlen 2024 soll auch in Deutschland eine Sperrklausel eingeführt werden
Warum sind die Wahlsysteme der EU-Mitgliedstaaten bei der Europawahl nicht gleich?
Die Europawahlen sind – wie auch die Bundestagswahlen – allgemein, unmittelbar, frei und geheim. Im Gegensatz zu Bundestagswahlen sind sie jedoch nicht gleich. Denn während bei Wahlen in Deutschland jede Stimme das gleiche Gewicht hat, gilt das für die Europawahl nur bedingt. So steht die Anzahl der Abgeordneten eines Mitgliedstaates in keinem proportionalen Verhältnis zu dessen Einwohnerzahl. Zwar hat Deutschland als bevölkerungsreichster Mitgliedstaat die meisten Abgeordneten im Europäischen Parlament, stellt damit jedoch deutlich weniger Abgeordnete pro Einwohner als beispielsweise ein Abgeordneter aus Zypern oder Luxemburg. Durch diese Regelung wird sichergestellt, dass bevölkerungsärmere europäische Staaten auch auf europäischer Ebene die ihnen zustehende Entscheidungsgewalt wahrnehmen können – und, dass deren nationale Parteienlandschaft ausreichend repräsentiert ist.
Weitere Unterschiede in den Wahlsystemen der EU-Mitgliedstaaten bei der Europawahl beinhalten die Wahl von einem Kandidaten – im Gegensatz zur Wahl einer Partei – und die Ausübung einer Wahlpflicht, wie sie beispielsweise in Griechenland angewendet wird
Welche Parteien stehen bei der Europawahl in Deutschland zu Wahl?
Zur Europawahl 2019 sind 41 Parteien und sonstige politische Vereinigungen mit gemeinsamen Listen für alle Länder oder mit Listen für ein Land zugelassen. Es bewerben sich insgesamt 1.380 Kandidatinnen und Kandidaten um die der Bundesrepublik Deutschland zugewiesenen 96 Parlamentssitze. Darunter sind 479 Frauen, was einem Anteil von 34,7 Prozent entspricht.
Folgende Parteien sind zur Europawahl 2019 zugelassen:
Die Reihenfolge der Parteien auf den Stimmzetteln für die Europawahl am 26. Mai 2019 ist nicht bundesweit einheitlich. Die Reihenfolge der Wahlvorschläge auf den Stimmzetteln wird durch das Europawahlgesetz festgelegt. Sie richtet sich in den einzelnen Bundesländern nach der Zahl der Stimmen, die die Parteien und sonstigen politischen Vereinigungen bei der Wahl zum Europäischen Parlament 2014 im betreffenden Bundesland erzielt haben. Wahlvorschläge von Parteien und sonstigen politischen Vereinigungen, die an der letzten Europawahl nicht teilgenommen haben, schließen sich in alphabetischer Reihenfolge der Namen an.
Welche Forderungen stellen die in Deutschland zur Wahl stehenden Parteien?
Die Darstellung der wesentlichen Kernforderungen von FDP, CDU/CSU, SPD, DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen und AfD zur Europawahl 2019 liefert die Grundlage, sich zwischen den politischen Angeboten zu entscheiden. Eine Übersicht über die Wahlprogramme gibt es hier.
Was ist der Unterschied von Europäischen Parteien und Fraktionen?
Die europäischen Parteien sind meist Bündnisse nationaler Parteien, die ein gemeinsames politisches Leitbild teilen. Die europäischen Parteien schließen sich nach der Wahl im europäischen Parlament zu Fraktionen zusammen. Eine Fraktion im europäischen Parlament setzt sich also aus den gewählten Abgeordneten der Europäischen Parteien zusammen. Hinzu kommen gewählte Abgeordnete nationaler Parteien, die keiner europäischen Partei angehören (derzeit etwa 12 Prozent).
Welche Fraktionen gibt es im Europaparlament, wo sind die deutschen Parteien vertreten?
Die gewählten nationalen Parteien schließen sich im EU-Parlament zu europäischen Fraktionen zusammen. Folgende Fraktionen sind vertreten:
Die deutschen Parteien sind in folgenden Fraktionen vertreten:
- Europäische Volkspartei (EVP) à CDU und CSU
- Progressive Allianz der Sozialdemokraten (S&D) à SPD
- Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (Alde) à FDP
- Europäische Konservative und Reformer (EKR) à Alfa
- Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordischen Grünen Linken (GUE/NGL) à Die LINKE
- Die Grünen/Europäische Freie Allianz (EFA) à Bündnis 90/Die Grünen
- Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD) à AfD
- Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) à Die Blaue
Wer sind die Spitzenkandidaten für die Europawahl?
Das Konzept der Spitzenkandidaten der europäischen Parteien ist noch recht neu und wurde erst bei den letzten Europawahlen 2014 etabliert. Über das Spitzenkandidatenprinzip soll auch der zukünftige Präsident der Europäischen Kommission bestimmt werden (derzeit Jean-Claude Juncker), wobei dieser nach der Wahl vom Europäischen Rat vorgeschlagen und vom Europäischen Parlament gewählt wird. Dass man als Spitzenkandidat der stärksten Fraktion bei den Europawahlen automatisch auch Kommissionspräsident wird, ist keineswegs garantiert.
Folgende Kandidaten haben die europäischen Parteienzu ihren Spitzenkandidaten ernannt:
- Christdemokraten (EVP): Manfred Weber (Deutschland)
- Sozialdemokraten (SPE): Frans Timmermans (Niederlande)
- Konservative (ACRE): Jan Zahradil (Tschechien)
- Grüne (EGP): Ska Keller (Deutschland) und Bas Eickhout (Niederlande)
- Europäische Linke (EL): Nico Cué (Belgien) und Violeta Tomič (Slowenien)
Es besteht keine Pflicht, Spitzenkandidaten zu nominieren und zur Wahl zu stellen. Europäische Parteien wie ALDE (Liberale) oder EFA (Freie Allianz) haben sich explizit dagegen entschieden. Auch innerhalb der EU-Mitgliedstaaten treten Politiker nationaler Parteien als Spitzenkandidaten bei der Europawahl an. So wird der Wahlkampf der FDP in Deutschland von Nicola Beer angeführt.
Warum nimmt das Vereinigte Königreich trotz Brexit noch an den Wahlen teil?
Der zwischen der britischen Regierung und der Europäischen Union ausgehandelte Austrittsvertrag wurde trotz dreimaliger Abstimmung vom britischen Parlament abgelehnt. Da der ursprünglich vorgesehene Austrittstermin aus der Europäischen Union zum 29. März 2019 somit nicht vollzogen werden konnte, ist das Vereinigte Königreich als EU-Mitgliedstaat rechtlich verpflichtet, an den Europawahlen teilzunehmen.
Dies führt dazu, dass britische Abgeordnete weiterhin die Geschicke der Europäischen Union mitbestimmen können, obwohl der nächste Austrittstermin bereits am 31. Oktober 2019 stattfinden soll. Das führt zu Unmut unter den Abgeordneten anderer Länder, da die bisher gescheiterte Brexit-Strategie der britischen Regierung und der Frust darüber in der britischen Bevölkerung weitere EU-Skeptiker ins Europäische Parlament bringen könnte.
Wie ist die politische Stimmung in Deutschland vor den Wahlen?
Im „EuropaTrend“ der ARD äußerten Mitte Mai 56 Prozent sehr starkes oder starkes Interesse an der Europawahl – bei der Wahl 2014 waren es zum gleichen Zeitpunkt 38%. Im „ZDF-Politbarometer“ vom 17.05. bejahen sogar 63 Prozent sehr starkes oder starkes Interesse an der Europawahl; 2014 waren es 38 Prozent. Es zeigt sich, dass die Europawahlen 2019 deutlich mehr Interesse auf sich ziehen, als vorherige Europawahlen. Zurückzuführen ist dies nicht zuletzt auf die zunehmende Polarisierung der Politik und Gesellschaft durch populistische Parteien auf nationaler und europäischer Ebene. Die Europäische Union und ihre Institutionen werden von populistischen Parteien zum Feindbild erklärt und deren supranationale Entscheidungsgewalt abgelehnt. Die Folgen dieser Anti-EU-Rhetorik sind bereits spürbar und haben zu ernsthaften Konsequenzen geführt, wie der geplante Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union zeigt. Dennoch erwarten populistische Parteien große Erfolge bei den Europawahlen 2019. Laut aktuellen Prognosen der Forschungsgruppe Wahlen könnte die rechtspopulistische AfD ihren Stimmenanteil von 7 auf 12 Prozent steigern – was einer Zunahme von über 70 Prozent entspricht (Stand: 17. Mai 2019).
Warum sollte ich wählen gehen?
Das Europäische Parlament ist die einzige von den Bürgern direkt gewählte Institution der Europäischen Union und ist deren Stimme in der supranationalen, europäischen Politik. Es bestimmt über europäische Gesetze und Regeln, bestimmt den Haushalt der Europäischen Union, kontrolliert die Europäische Kommission und wählt deren Präsidenten. Das Europäische Parlament bestimmt unseren Alltag oft stärker, als es uns bewusst ist.