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Südafrika
Rückblick auf die ersten 100 Tage der Regierung der Nationalen Einheit

South Africa flag

A person waving a South African flag against blue sky

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Zum ersten Mal seit 25 Jahren wird Südafrika wieder von einer Koalition regiert. Dabei sind die beiden stärksten Parteien der African National Congress ( ANC) mit 159 und die liberale Democratic Alliance (DA) mit 87 Sitzen. Nach den ersten 100 Tagen dieser Regierung ist es an der Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen und zu bewerten, welche Lehren aus dieser Koalition für Südafrika gezogen werden können und welche Veränderungen sie bisher mit sich gebracht hat.

Eine verstärkte internationale Zusammenarbeit

Um die verschiedenen Herausforderungen, vor denen Südafrika steht, anzugehen, setzen einige Ministerien verstärkt auf internationale Kooperation. So traf sich die Ministerin für Primärbildung, Dr. Siviwe Gwarube (DA), mit Partnern der EU, OECD und UNICEF, um über eine engere Zusammenarbeit im Bildungsbereich zu beraten. Ein weiteres Beispiel ist Infrastrukturminister Dean Macpherson (DA), der eine Absichtserklärung mit zwei chinesischen Baufirmen unterzeichnete. Dies wird zwar von westlichen Ländern kritisch gesehen, zeigt jedoch das Potenzial, durch globale Partnerschaften die nationale Infrastruktur zu verbessern.

Entschlossen gegen Korruption

Die neue Regierung bekennt sich klar dazu, die Korruption einzudämmen sowie transparenter und verantwortungsvoller mit Steuergeldern umzugehen. So untersucht Infrastrukturminister Dean Macpherson (DA) derzeit den Verlust von 15 Millionen Euro, die sein Vorgänger bei Cyberattacken auf das Ministerium verloren hatte. Vor ebenso großen Aufgaben steht die Staatssekretärin für Hochschulbildung, Mimmy Gondwe (DA). Sie hat die Rückzahlung von 5,7 Millionen Euro fälschlicherweise ausgezahlte Fördermittel für Studierende angeordnet. Diese Mittel wurden nicht nach objektiven Kriterien vergeben, sondern aufgrund von subjektiven Präferenzen nahezu willkürlich verteilt. Gondwe steht nun vor der Aufgabe, die Integrität dieses Fördersystems wiederherzustellen und zu reformieren.

Zusätzlich hat Innenminister Leon Schreiber (DA) ein Verfahren eingeleitet, indem Besitzer von blockierten Personalausweisen innerhalb von 30 Tagen rechtfertigen müssen, wieso ihr Ausweis nicht annulliert werden sollte. Dies ist ein wichtiger Schritt, um fälschlicherweise blockierte Ausweise wieder freizuschalten, aber vor allem, um gegen gefälschte Personalausweise vorzugehen.

So zeigt sich ministeriumübergreifend  die Tendenz Korruption aufzuarbeiten. Dies ist wohl einerseits darauf zurückzuführen, dass der ANC nicht mehr allein regiert und somit durch die Koalitionspartner unter Druck gesetzt wird, transparenter zu arbeiten. Andererseits zeigt sich, dass sich die jahrelangen Bemühungen zivilgesellschaftlicher Organisationen wie der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) und ihre Antikorruptionsprojekte nun auszahlen.

Ankurbeln der Wirtschaft

Seit 1994 ist die Arbeitslosigkeit in Südafrika von 20% auf 42 % gestiegen. Es liegt also an der neuen Regierung, diesen Negativtrend umzukehren. Um den Arbeitsmarkt zu beleben, möchte Innenminister Leon Schreiber (DA) die Visaverfahren und Arbeitserlaubnisse durch die Einführung eines Punktesystems beschleunigen. Außerdem hat er die zuvor fast unerfüllbaren Anforderungen für simbabwische Gastarbeiter gesenkt. Diese Maßnahmen sind dringend notwendig, da das Ministerium einerseits mit einer Flut von Klagen über die langsame Arbeit seines Vorgängers konfrontiert ist und andererseits zahlreiche Gastarbeiter aus Simbabwe auf die Verlängerung oder Erteilung ihrer Arbeitserlaubnis warten. Die positiven Entwicklungen in diesem Bereich können als Erfolg der Partnerschaft zwischen der Helen Suzman Foundation (HSF) und der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) gewertet werden, die den ehemaligen Innenminister Aaron Motsoaledi (ANC) erfolgreich verklagten, nachdem er die Ausnahmegenehmigung für Arbeiter aus Zimbabwe aufgehoben hatte.

Zusätzlich zu den Reformen des Arbeitsmarktes plant Infrastrukturminister Dean Macpherson (DA), die Investitionen in die Infrastruktur bis 2030 auf 10 % des BIP zu erhöhen. Zudem schließt er jede Zusammenarbeit mit der sogenannten „Bau-Mafia“ aus, die seit Jahren Infrastrukturprojekte in Südafrika durch Gewalt behindert, um öffentliche Aufträge zu sichern, die sie nicht erfüllen können.

Ein weiteres Kernelement der neuen Regierung, um die Wirtschaft zu stärken, ist die Unterstützung von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Dafür hat Präsident Cyril Ramaphosa (ANC) kürzlich das National Small Enterprise Amendment Bill unterzeichnet, das es kleinen Unternehmen erleichtert, staatliche Unterstützung zu erhalten. Dieser Schritt wurde von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie der FNF begrüßt, die in Zusammenarbeit mit GreenCape die Gründung von Start-ups in Südafrika fördern.

Die zunehmende Digitalisierung

Die Einführung des "Digital-First"-Ansatzes durch Innenminister Leon Schreiber ist ein bedeutender Schritt zur Steigerung der Effizienz des Ministeriums. Diese Reform macht die digitale Bearbeitung von Anträgen zur Regel und  hat bereits zur digitalen Bearbeitung von 60.582 Arbeitsgenehmigungsanträgen geführt, wodurch der Rückstau erheblich verringert wurde. Darüber hinaus hat der Minister für Kommunikation und Digitales, Solly Malatsi (DA),  die Notwendigkeit betont, zentrale Regierungssysteme zu verknüpfen, um einen nahtlosen Datenfluss zwischen den Ressorts zu gewährleisten und so die Effizienz der öffentlichen Verwaltung weiter zu steigern.

Bewältigung der Energiekrise

Südafrika wird seit Jahren von täglichen Stromausfällen geplagt, die den alltäglichen Lebensstandard der Bevölkerung sowie das wirtschaftliche Potential Südafrikas stark beeinträchtigen. Auch wenn es aktuell seit 100 Tagen offiziell keine Stromausfälle mehr gab, warnt Energieminister Kgosientsho Ramokgopa (ANC), dass die "Probleme noch lange nicht gelöst sind”. Es bleibt also nur eine Frage der Zeit bis es zu weiteren Stromausfällen kommen wird. Ein fundamentales Problem ist, dass 85 % des südafrikanischen Stroms aus sanierungsbedürftigen Kohlekraftwerken stammen, obwohl das Land über großes Potenzial für erneuerbare Energien verfügt. Mit jährlich 3254 Sonnenstunden wird nur 2,4 % des Stroms durch Solarenergie erzeugt, während in Deutschland mit 1573 Sonnenstunden der Solaranteil im ersten Quartal 2024 bei 12 % lag. Die Staatssekretärin für Energie Samantha Grahams (DA), der Umweltminister Dion George (DA) und der Staatssekretär für Wirtschaft Andrew Whitfield (DA), möchten dieses Problem angehen und planen den Energiemix durch den Ausbau der erneuerbaren Energien zu diversifizieren. Dies soll  primär durch eine Privatisierung des Energiesektors erfolgen.

Insgesamt zeigt sich also ein großer Reformwille in der neuen Regierung. Es muss jedoch festgehalten werden, dass dieser weitgehend auf die Beteiligung der DA zurückzuführen ist. Schließlich ist der ANC schon seit 30 Jahren in der Regierung und hat es bisher nicht geschafft, Südafrika zu langfristigen Wohlstand zu führen.