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Wo bleibt die Start-up Nation Deutschland?

Der KfW-Gründungsmonitor zeichnet ein eher düsteres Bild. Die Politik ist gefordert. Wir brauchen einen Masterplan.
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Die Gründerquote in Deutschland ist in den letzten Jahren stark gesunken.

© Tempura / E+ / GettyImages

Im vergangenen Monat veröffentlichte die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) ihren Gründungsmonitor. Sie tut dies jährlich seit 2002. Das Bild fällt im Wesentlichen düster aus, mit einigen Lichtblicken. Erschreckend ist vor allem die Gründerquote, also der Anteil der Bevölkerung im Alter von 18 bis 64 Jahren, der ein Start-up auf den Weg bringt. Sie erreichte 2017 mit 1,08 Prozent den tiefsten Stand in der bisherigen Erhebungszeit von 15 Jahren, also seit 2002. Woran liegt es? Was ist zu tun? Unser stellvertretender Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Paqué, selbst Volkswirt, beurteilt die Lage.

Manchmal verlangt eine nüchterne Analyse eine kleine Entwarnung vorweg. So auch im Falle der Gründerquote: Sie betrug in der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts 2,5 bis 3 Prozent, heute liegt sie bei gut 1 Prozent. Allerdings gilt es zu bedenken: Damals lief noch die letzte Phase des „Aufbau Ost“, mit vielen Neugründungen bei Dienstleistungen und im Handwerk, die indes oft nicht sehr nachhaltig ausfielen. Dies zeigt sich auch daran, dass in jüngster Zeit jene Gründungen zugenommen haben, die auf neue Geschäftsmodelle, technische Innovationen und digitale Märkte setzen. Sogenannte Gründungen aus der Not und Erwerbslosigkeit sind dagegen in den letzten 10 Jahren deutlich zurückgegangen – wohl nicht zuletzt wegen der guten Lage am Arbeitsmarkt. Diese sorgt generell für ein gewisses Absaugen von Gründertalenten, einfach weil die Karriereperspektiven auch in der abhängigen Beschäftigung sich stark verbessert haben.

Offenbar altert in Deutschland nicht nur die Bevölkerung wegen niedriger Geburtenrate, sondern auch die Wirtschaft wegen niedriger Gründerquote.

Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Paqué am Hauptsitz der Stiftung in Potsdam
Karl-Heinz Paqué

Also: kein Grund zur Panik, wohl aber zur Sorge. Denn selbst wenn die gute gesamtwirtschaftliche Lage so manches erklären mag, bleibt die kleine Zahl der Gründungen ein riesiges Problem – zumindest auf lange Sicht. Denn offenbar altert in Deutschland nicht nur die Bevölkerung wegen niedriger Geburtenrate, sondern auch die Wirtschaft wegen niedriger Gründerquote. Auf lange Sicht kann dies nur von Nachteil sein: Gut eine halbe Million Gründer bei einer Bevölkerung von 80 Millionen Menschen ist einfach zu wenig. Bedenkt man, dass rund ein Drittel der Gründer – auch ohne geschäftliches Scheitern – aus persönlichen Gründen nach wenigen Jahren aufgibt und nur die wenigsten den Aufstieg in den starken gewerblichen Mittelstand schaffen,dann kann die Diagnose nur lauten: Es fehlt der deutschen Wirtschaft am innovativen Nachwuchs!

Dies gilt für Deutschland insgesamt, aber insebsondere für die Weiten der deutschen Flächenländer.Die können mit der von digitalen Dienstleistungen getriebenen Gründungsdynamik in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg nicht mithalten. Selbst der ansonsten so wirtschafts- und industriestarke Süden der Republik – allen voran Baden-Württemberg, Bayern und Hessen – bieten nur Gründungsmittelmaß, das sogar jüngst unter das Niveau von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gesunken ist. Eindeutige Schlusslichter sind allerdings die mittel- und ostdeutschen Länder – mit Ausnahme von Brandenburg, das aber mit Sicherheit von allfälligen Auslagerungen aus dem innovationsstarken Berlin ins Umland profitiert und nicht stark eigenständig wächst.  

Gründermonitor

Kein Zweifel: Es besteht politischer Handlungsbedarf. Aber was ist zu tun? Der KfW-Gründungsmonitor gibt ein paar Hinweise. So sehen Gründer selbst das Bildungssystem, bürokratische und steuerliche Belastungen sowie den Zugang zu Wagniskapital und Krediten als Haupthindernisse. Experten der Gründerszene, die selbst nicht Gründer sind, erkennen zusätzliche Engpässe bei der physischen Infrastruktur, Beratern und Zulieferern sowie öffentlichen Förderprogrammen. Das Kernproblem ist also vielschichtig, so banal dies klingen mag. Es lässt sich nicht durch ein paar politische Kunstgriffe lösen, jedenfalls sehen dies die Gründer selbst so.

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Mehr Bildung, weniger Bürokratie, bessere Finanzierung

Es wird Zeit für einen Masterplan. Der muss zumindest drei Leitlinien folgen: Mehr Bildung, weniger Bürokratie, bessere Finanzierung. Mehr Bildung heißt dabei: Mehr motivierende Vorbereitung junger Menschen auf eine unternehmerische Tätigkeit – durch Planspiele mit Business-Plänen, Produktinnovationen und Venture Capital. Weniger Bürokratie heißt: Durchforsten von Arbeits-, Bau- und Genehmigungsrecht für junge Unternehmen, und zwar nicht nur in der ersten Gründungsphase, sondern darüber hinaus – auf dem Weg zum mittelständischen Betrieb. Bessere Finanzierung heißt, die steuerliche Behandlung von Vermögen und Erträgen von Venture Capital grundlegend neu und günstiger gestalten; dazu gehört auch, für vorsichtige deutsche Sparer Anreize zu schaffen, statt in AAA-Staatsanleihen durch professionelle, diversifizierte Vermögensanlage in ein breites Spektrum von Venture Capital zu investieren, und zwar ohne hohe Risiken einzugehen.

Zu alledem braucht es aber einen politischen Willen, der das Problem endlich in seiner ganzen Tragweite erkennt und angeht. Ohne eine Wende zum Besseren bei den Gründungen wird die deutsche Wirtschaft auf Dauer zurückfallen – jedenfalls hinter die jungen vitalen Zentren der innovativen Risikomärkte der digitalen Technologie in den USA, dem Vereinigten Königreich und Israel. Kurzum: Deutschland muss das werden, was Israel längst ist: eine Start-up Nation.