Chancen für eine faire Entwicklung
In einer Veranstaltungsreihe widmet sich die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit dem Thema Entwicklungspolitik: In Bonn, Koblenz, Bielefeld und Dortmund wurden der Kampf gegen Hunger und Korruption ebenso thematisiert wie der Einsatz für einen fairen Handel und von privatem Kapital. Knapp 200 Besucher hörten sich bislang die neuesten Erkenntnisse und Erfahrungen der insgesamt fünfzehn Fachleute an.
Ziel der Roadshow war es zum einen, das Thema in die breite Fläche zu tragen, zum anderen die Player der Entwicklungszusammenarbeit in den jeweiligen Regionen vorzustellen. In Koblenz berichtete der EZ-Scout Bernd Lunkenheimer, wie er klein- und mittelständische Firmen berät, die in Entwicklungs- und Schwellenländern investieren wollen. Zur Frage, ob Unternehmen verbindliche Regeln gesetzt werden müssten oder man eher auf Freiwilligkeit setzen solle, sagte er: „Private sind oftmals sehr kreativ im Umgehen von Regeln. Der Konsument ist der beste Regulator.“
Auftakt der Reihe war Ende Januar eine Veranstaltung in der Zentrale der Deutschen Welthungerhilfe in Bonn, einer großen privaten Hilfsorganisation. Dort untermauerte Vorstandschef Dr. Till Wahnbaeck seine These „Null Hunger bis zum Jahre 2030 ist möglich“ unter anderem mit Zahlen über den kontinuierlichen Rückgang des Hungers sowie mit einer großen Portion Optimismus. Zugleich lud er zu einer kritischen Hinterfragung unseres Konsumverhaltens ein: „Wenn die Welt wie Deutschland essen würde, benötigten wir weitere Planeten.“
Wenn sich nichts ändert, ist das afrikanische Volk im Jahr 2100 viermal so groß wie heute
Seine Kollegin Anne-Catrin Hummel erklärte, dass Hunger vor allem die ländliche Bevölkerung betreffe (drei von vier Hungernden). In Ländern mit guter Entwicklung und Bildung beobachte man sinkende Geburtenraten und damit eine Entschärfung der Lage. Wichtig sei zudem ein fairer Handel. Standards müssten eingehalten werden, damit beim Produzenten beispielsweise mehr als 90 Cent für ein Kilo Kaffee ankommen.
Privat und/oder Staat
Bei der Veranstaltung im Bielefelder Welthaus ging es schwerpunktmäßig um die Frage, wie viel privat und wie viel Staat für die Entwicklung ärmerer Staaten gut sei. Die frühere Parlamentarische Entwicklungsstaatssekretärin Gudrun Kopp (FDP) wies zwar auf die enorme Bürokratie bei privaten Engagements hin. Anträge von rund 70 DIN-A-4-Seiten seien keine Seltenheit. Ohne private Investitionen gehe es aber nicht. Das zeigten schon die weltweiten Entwicklungstöpfe: 136 Milliarden Dollar flössen pro Jahr vom Staat, 600 Milliarden Dollar an Direktinvestitionen und weitere 500 Milliarden überwiesen Migranten an ihre Familien.
Georg Krämer vom Welthaus gab bei Public-Private-Partnership (PPP) zu bedenken, dass die Risiken oftmals einseitig verteilt seien und die Entwicklungsländer bei einem Scheitern die Kosten zu tragen hätten. PPP-Projekte müssten sich deshalb strikt an entwicklungspolitische Kriterien halten.
Angela Krug von Engagement Global zeichnete die vielfältigen Beteiligungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft auf. Das beginne schon im Kindergarten, wo man den Kids erklären könne, wie und unter welchen Umständen die Banane in unsere Supermarktregale gelange. Jeder Einzelne könne einen Beitrag leisten, indem er sein Konsumverhalten kritisch hinterfrage. Der Senior-Experten-Service (SES) entsandte 2017 mehr als 1.800 Fach- und Führungskräfte auf ehrenamtlicher Basis in die Welt. Sie schauen sich in der Regel etwa zwei Monate die Betriebsabläufe an, unterbreiten Verbesserungsvorschläge, die anschließend von den lokalen Partnern umgesetzt werden. Und um sicherzugehen, ob die Mittel auch ihren Zweck erfüllen und an der richtigen Stelle ankommen, evaluiert das Bonner Institut DEval Entwicklungsprojekte.
„Die Welt ist besser als ihr Ruf“, mit diesen Worten beschrieb Manfred Belle vom Eine-Welt-Netz-NRW bei der Podiumsdiskussion in Dortmund seine Sicht der Dinge. Ein langjähriges Mitglied seiner Organisation sei beispielsweise eine Schlachterei. Eine Schlachterei? „Ja, weil Fleisch ein besonderes Lebensmittel ist, das seinen Preis hat. Und der Konsument zum Nachdenken über seinen Fleischkonsum angeregt werden solle.“
Als eine der größten Herausforderungen bezeichnete der Europabeauftragte im Entwicklungsministerium (BMZ) und Hochschuldozent Dr. Rolf Steltemeier das zunehmende Bevölkerungswachstum: „Wenn sich nichts ändert, ist das afrikanische Volk im Jahr 2100 viermal so groß wie heute“. Um voranzukommen, müssten die Länder bei den alle 2 bis 3 Jahre stattfindenden Regierungsverhandlungen erklären, was sie gefördert haben wollen. Steltemeier begrüßte die im neuen Koalitionsvertrag vorgesehene Fokussierung auf die Förderung der etwas weiter entwickelten Staaten. Dies schaffe Arbeitsplätze vor Ort und strahle auf ganze Regionen aus. In der EU-Entwicklungszusammenarbeit bleibe Frankreich der Hauptpartner.
Dass den Entwicklungspolitikern die Arbeit nicht ausgeht, machte Gudrun Kopp deutlich. So sei ein großer Teil der Entwicklungs- und Transformationsstaaten immer noch autoritär geführt. Außerdem gebe es immer wieder Rückschläge im Wahlrecht sowie bei der Presse- und Meinungsfreiheit, willkürliche Reiseverbote und Scheckbuchdiplomatie.
Die Roadshow scheint anzukommen. Das belegen nicht nur die Teilnehmerzahlen, sondern ebenso die pointiert kritischen Fragen und Statements der Gäste, die zum Teil selbst in Entwicklungsländern tätig waren. Eine Besucherin in Bielefeld war übrigens extra aus den Niederlanden angereist, um die Diskussion zu verfolgen.