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"Die Stimmung kann wieder kippen"

Unser Korea-Experte Lars-André Richter im Gespräch mit Spiegel Online
Keine stabile Angelegenheit - die Beziehung zwischen Nord- und Südkorea.

Keine stabile Angelegenheit - die Beziehung zwischen Nord- und Südkorea.

© tostphoto / iStock / Getty Images Plus / Getty Images

Dieser Artikel wurde am Dienstag, den 06. März 2018 bei Spiegel Online veröffentlicht und ist online auch hier zu finden.

Binnen weniger Wochen haben sich Nord- und Südkorea angenähert. Koreaexperte Lars-André Richter erklärt, wie es dazu gekommen ist - warum das aber noch nicht das Ende des Atomkonflikts bedeutet.

Es klingt wie eine Kehrtwende im Koreakonflikt: Nach dem zweitägigen Besuch im Norden hat der Süden ein gemeinsames Gipfeltreffen beider Länder angekündigt. Ende April sollen Machthaber Kim Jong Un und Präsident Moon Jae In im geteilten Grenzort Panmunjom im Süden zusammenkommen. Es wäre das erste Treffen zwischen Staatschefs beider Länder seit 2007 - und das erste Mal, dass Kim und Moon direkt miteinander sprechen.

Und noch mehr: Nach Angaben des Südens ist der Norden bereit, mit den USA über das Atomprogramm zu sprechen. Die nordkoreanische Seite habe beteuert, ihr Land habe keinen Grund, Atomwaffen zu besitzen, sollten "die Sicherheit des Systems garantiert und militärische Bedrohungen Nordkoreas" beseitigt sein, sagte Südkoreas nationaler Sicherheitsberater Chung Eui Yong nach der Rückkehr aus dem Norden.

Das sei ein bemerkenswerter Schritt, sagt Koreaexperte Lars-André Richter im Interview. Es bedeute jedoch nicht, "dass sich das Regime nicht doch wieder provoziert fühlt und seinen Ärger artikuliert".

SPIEGEL ONLINE: Herr Richter, Delegationen von Süd- und Nordkorea wollen sich bald zu Gesprächen treffen. War das absehbar?

Richter: Die Geschwindigkeit, mit der sich die beiden Seiten aufeinander zubewegen, überrascht. Aber auch die Tonalität, die der Norden plötzlich entdeckt hat. Mittlerweile scheint er sogar bereit, über sein Atomprogramm zu reden und signalisiert Verständnis für die Militärmanöver zwischen Südkorea und den USA. Derlei ist man nach Jahren der Provokationen und des Säbelrasselns gar nicht mehr gewohnt.

SPIEGEL ONLINE: Bedeutet das das Ende des Atomkonflikts auf der koreanischen Halbinsel?

Richter: Da wäre ich zurückhaltend. Von einem Anfang vom Ende des Konflikts würde ich noch nicht sprechen. In jedem Fall aber ist es bemerkenswert, dass der Norden eine Denuklearisierung in Aussicht gestellt hat, wenn auch natürlich unter bestimmten Bedingungen. Die Stimmung kann aber wieder kippen. Auch wenn der Norden offenbar Verständnis für die Militärmanöver gezeigt hat, die auf die Zeit nach den Paralympics verschoben worden sind, heißt es nicht, dass sich das Regime nicht doch wieder provoziert fühlt und seinen Ärger artikuliert.

SPIEGEL ONLINE: Das Kim-Regime hat Gespräche über das Atomprogramm bislang kategorisch ausgeschlossen, warum nun die Kehrtwende?

Richter: Da gibt es eine Vielzahl von möglichen Erklärungen. Beobachter vor Ort berichten, dass die Sanktionen gegen Nordkorea zuletzt doch etwas ernsthafter umgesetzt wurden und Wirkung gezeigt haben. Dazu kommt die Unberechenbarkeit der US-Regierung von Donald Trump. Deren uneinheitlicher Kurs hat in Pjöngjang zu Irritationen geführt - bis die nordkoreanische Führung gar nicht mehr wusste, woran sie ist. Was man als Außenstehender auch nicht unterschätzen sollte, ist der ostasiatische Zwang zur Gesichtswahrung. Die wirtschaftliche Situation des Nordens und die Verunsicherung durch Trump könnten das Regime in eine Sackgasse geführt haben. Die Teilnahme an den Olympischen Winterspielen in Südkorea war eine gute Gelegenheit für den Norden, da nun halbwegs elegant wieder herauszukommen.

SPIEGEL ONLINE: Welche Rolle hat China, der engste Verbündete Nordkoreas, bei der Entwicklung gespielt?

Richter: Das ist schwer zu sagen. China war auf jeden Fall nicht glücklich über das Atomprogramm und die politische Linie des Nordens. Ich habe den Eindruck, dass die Führung in Peking keine konkrete Strategie gefunden hat, wie sie damit umgehen soll. Das nordkoreanische Regime hat wohl gemerkt, dass es sich nicht mehr wie früher auf China als Verbündeten verlassen kann. Auch das könnte es zum Kurswechsel bewogen haben.

SPIEGEL ONLINE: Wie geht es jetzt weiter?

Richter: Wir müssen jetzt einfach abwarten, ob Nordkorea seinen Worten Taten folgen lässt. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Besonders wichtig ist natürlich auch, wie sich die USA nun verhalten. Der Chefsicherheitsberater aus Seoul, Chung Eui Yong, wird in den nächsten Tagen nach Washington fliegen. Und dann sollen auch noch Russland und China informiert werden.

SPIEGEL ONLINE: Wie realistisch ist ein Szenario der Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea?

Richter: Es scheint dem Regime im Norden zunächst vor allem um Sicherheitsgarantien zu gehen. Das hieße, dass die Zweistaatlichkeit zumindest mittelfristig erhalten bleibt und Nordkorea weiter für sich existiert. Wirtschaftlich und auch mental sind Nord- und Südkorea noch sehr weit voneinander entfernt. Aber wer weiß, die Geschichte hat schon manche Überraschung parat gehabt. Ausschließen lässt sich nichts.