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Gleichstellung
Eine unorthodoxe Pionierin der Frauenemanzipation

In Caputh wurde eine Straße nach Clara von Simson (1898-1983) benannt
Clara von Simson (6. v. l.) mit einer Frauengruppe aus Marokko

Clara von Simson (6. v. l.) mit einer Frauengruppe aus Marokko vor der Theodor-Heuss-Akademie

© ADL, Bestand Clara von Simson, N88-160.

In Caputh, einem charmanten Ort gleich südlich von Potsdam, erinnert seit letztem Sonnabend eine private Erschließungsstraße an eine prominente ehemalige Bewohnerin. In einer familiären Zeremonie wurde am vergangenen Samstag der Clara-von-Simson-Weg eingeweiht. Auch für die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ein Grund zur Freude. Schließlich war Clara von Simson in den Jahren 1958 bis 1977 Mitglied des Kuratoriums unserer Stiftung, davon die letzten neun Jahre Vorsitzende – als bislang einzige Frau.

Liberale wissen, dass es viele Wege gibt, um sich und andere zu emanzipieren. Das trifft gerade auch auf die Gleichstellung der Frau zu. Diese war zweifellos ein Herzensanliegen von Clara von Simson, der langjährigen Kuratoriumsvorsitzenden der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Die Wege, die sie einschlug, waren außergewöhnlich, aber sicherlich wirksam, obwohl oder vielleicht auch gerade weil sie dabei nicht in erster Linie auf die Politik und die Macht der Interessenverbände setzte. Gewiss hat sie diese nicht verachtet, aber ihr emanzipatorischen Ansatzpunkt war ein anderer: Der Hebel lag für Clara von Simson in der beruflichen Welt. Getreu dem alten liberalen Schlachtruf „Frei sein, um andere frei zu machen“ studierte die Urenkelin eines berühmten „1848er“ selbst als eine der ersten Frauen Naturwissenschaften und wurde 1923 von dem Nobelpreisträger Max von Laue in Experimentalphysik promoviert. Die erhoffte wissenschaftliche Karriere verhinderten die Zeitläufe, da sie nach 1933 als „jüdisch stämmig“ und politisch unzuverlässig galt. Erst 1951 konnte sie sich – als erste Frau – in Chemie an der TU Berlin habilitieren. 

Da hatte sich ihr Lebensweg bereits in zweifacher Hinsicht jenseits der Wissenschaft stark erweitert: 1948 war Clara von Simson dem Beispiel ihres Ahnen gefolgt  und hatte sich dem organisierten Liberalismus angeschlossen; nun kämpfte sie auch auf politischem Terrain für die weibliche Gleichstellung, u. a. im Berliner Abgeordnetenhaus. Vielleicht wichtiger noch war die 1952 übernommene Leitung des „Lettevereins“, der sich die weibliche Berufsausbildung auf die Fahnen geschrieben hatte. Trotz ihres eigenen wissenschaftlichen Hintergrunds hatte sie die Bedeutung der praktischen Ausbildung erkannt, wenn Frauen beruflich vorankommen wollten. Beim Wiederaufbau dieser alteingesessenen Institution liberaler Provenienz leistete sie ungemein viel.

Schreiben der Friedrich-Naumann-Stiftung an C. v. Simson vom 14.11.1958 mit der Bitte, dem Kuratorium beizutreten

Schreiben der Friedrich-Naumann-Stiftung an Clara von Simson vom 14.11.1958 mit der Bitte, dem Kuratorium beizutreten

© ADL, Bestand Clara von Simson, N88-120.

Ihre praktische Ader kam auch bei einem weiteren großen Engagement zum Ausdruck: Als Kuratoriumsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung hatte vor allem sie darauf gedrängt, dass die liberale Erwachsenenbildung einer eigenen Heimstatt bedurfte. Als dies mit der Eröffnung der Theodor-Heuss-Akademie trotz großer Schwierigkeiten umgesetzt worden war, wurde ihr Einsatz durch die Wahl zur ersten und bislang einzigen weiblichen Kuratoriumsvorsitzenden gewürdigt; als solche führte sie die Stiftung durch ein Jahrzehnt stürmischer Expansion.  In der von Männern bestimmten Welt der Wissenschaft und Politik hat sich Clara von Simson, die Anfang 1983 in Berlin verstarb, auf ihre Weise klar behauptet und nicht nur so der Frauenemanzipation neue Wege gewiesen.