Jordanien – „Königreich der Start-ups“?
Im ersten Teil unserer vierteiligen Start-up-Serie MENA befassen wir uns mit der Frage, ob das Königreich Jordanien auch immer noch das „Königreich der Start-ups“ ist, als das es einmal gehandelt wurde. Denn ausufernde Bürokratie und schlechte Aussichten auf eine Kreditvergabe erschweren jungen Unternehmern das Gründen sehr.
Maktoob ist eine E-Mail-Dienstleistungsfirma, die 1999 in Jordanien gegründet wurde. 2009 erreichte Maktoob 16 Millionen Website-Aufrufe, ohne Mehrfachbesuche einzelner Nutzer (Unique Visitors) – erfolgreich genug, um von Yahoo! gekauft zu werden, zum Preis von 165 Millionen US-Dollar (USD). Über den schönen Profit konnten sich die Firmengründer allerdings nicht ungetrübt freuen, denn die jordanische Regierung besteuerte den Gewinn zusätzlich mit fragwürdigen Sonderabgaben auf den Markennamen. Kein Wunder, dass die Verkäufer sich für die Re-Investition ihres Kapitals eine andere, Start-up-freundlichere Umgebung suchten – und fanden, nämlich in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Dort riefen sie Souk.com ins Leben, eine Firma, die heute einen Nettowert von 670 Million USD hat.
Dies ist eine der bittersüßen Erfolgsgeschichten der jordanischen Start-up-Szene, in einem Land, das einmal als einer der vielversprechendsten Standorte für Start-ups in der Region galt. Noch vor wenigen Jahren galt Amman als eine der dynamischsten Städte für Unternehmensgründungen in der arabischen Welt. Das Wachstum des IT-Sektors erreichte bis zu 25 Prozent pro Jahr. Die Chancen für innovative Jungunternehmer schienen gut, schließlich ist das Land ressourcenarm und abhängig von der Dynamik und Wettbewerbsfähigkeit seiner Bürger. Der jordanische König Abdallah II. wurde gar als „King of Start-ups“ bezeichnet. Indes erwies sich bald, dass die Bäume der (Jung-) Unternehmer in Jordanien doch nur mühsam in Richtung Himmel wachsen. Um wirklich attraktive Start-up-Bedingungen dauerhaft und umfassend zu entwickeln, um auf regionaler Ebene mit den Golfstaaten konkurrieren zu können und den nationalen „Start-up Drain“, den Weggang von Unternehmern, zu stoppen, muss im Wüstenstaat noch viel getan werden.
Die kleinen Schritte zu mehr Wettbewerbsfähigkeit
Einen ersten, kleinen Schritt in diese Richtung ist die Stadtverwaltung der jordanischen Hauptstadt Amman nun gegangen, indem sie 60 weitere Berufe in die Liste derjenigen Erwerbsmöglichkeiten aufgenommen hat, die von zu Hause als Home Office oder Home Production ausgeübt werden dürfen. Hierdurch sollen erweiterte Spielräume für die Gründung von Kleinunternehmen und Start-ups geschaffen werden.
Externe Anschubfinanzierung bleibt jedoch bis auf weiteres der wichtigste Faktor, um das Terrain für Unternehmensgründungen – ob im Bereich neuer Technologien oder in klassischen traditionellen Wirtschaftszweigen – zu verbessern. Viele Entwicklungsagenturen sind hier engagiert. So genehmigte die Weltbank im April 2017 ein 50-Millionen-USD-Projekt, um Start-ups in Jordanien zu stärken. Dieses Projekt toppte sogar die 48 Millionen USD der Regierung, die diesen Betrag für Start-ups in den nächsten fünf Jahren außerhalb Ammans bereitgestellt hatte.
Auch andere Initiativen sind zu nennen, etwa die Initiative REACH2025. Sie zielt auf die Digitalisierungspotentiale in der Wirtschaft ab, um die Produktivität zu steigern und Jordanien als einen attraktiven Standort für Investitionen und internationale Partnerschaften zu entwickeln. Im gleichen Sektor ist auch Oasis500 tätig, eine bereits 2010 gegründete Modell-Kapitalanlagegesellschaft der jordanischen Regierung. Sie finanziert Tech-Start-ups mit Beträgen zwischen 30.000 und 50.000 USD pro Projekt. Zu den Anreizen der jordanischen Regierung für Start-ups im IT-Sektor gehören darüber hinaus Steuerbefreiung für gewisse Importe und Exporte sowie Dienstleistungen, aber auch eine reduzierte Einkommenssteuer für den Bereich (5 anstelle von 20 Prozent).
Vor allem die Anreizsysteme genügen jedoch nicht, um im Königreich eine wirklich erfolgreiche, wettbewerbsfähige Unternehmenskultur zu entwickeln. Dafür sind einschneidende Reformen nötig.
Die großen Hürden auf dem Weg zum Unternehmen
1. Das aufwendige Registrieren einer Firma
Gemäß dem Doing Business Report 2018 der Weltbank sind für die Schritte zur Registrierung einer neuen Firma in Jordanien mindestens zwölf bis 13 Tage erforderlich – im Gegensatz etwa zu acht Tagen in den VAE und einem halben Tag für die Online-Registrierung in Neuseeland. In Jordanien sind die Prozeduren lang und inkonsistent, sie beinhalten vielfach irrelevante und irrationale Anforderungen, und es folgen häufige und unkoordinierte Inspektionen, unklare technische Anforderungen und unberechenbare Erneuerungsverfahren für einmal erworbene Lizenzen. Zudem ist die Registrierung einer neuen Firma relativ teuer – nach dem Doing Business Report 2018 liegen die Kosten statistisch bei 24,2 Prozent des Pro-Kopf-Einkommens; zum Vergleich: In der Region MENA liegen sie im Durchschnitt bei 18,7 Prozent und in OECD-Ländern bei 3,1Prozent. Der nötige finanzielle Aufwand ist also durchaus bedenkenswert, sollte man in Jordanien einen kleinen Betrieb gründen wollen. Hier rächt sich dann auch die Kurzsichtigkeit der staatlichen Bürokratie: Hohe und ungerechtfertigte Gebühren, allein um Geld für den Staat einzutreiben, können Unternehmer und Start-upper abschrecken.
2. Finanzierungsengpässe und schwieriger Zugang zu Krediten
Ohne Moos nichts los – das gilt auch für Unternehmensgründer im Wüstenstaat Jordanien. Die Finanzierung von Geschäftsideen und die Kreditvergabe an risikobereite Investoren hinken jedoch den Anforderungen hinterher. Aus Unternehmerkreisen, Kammern und Wirtschaftsverbänden hört man immer wieder: Jordanische Banken versagen als Antriebsmotoren für wirtschaftliche Entwicklung, denn sie vergeben kaum Kredite; zudem finanzieren sie viel lieber alteingesessene Strukturen, als in innovative neue Technologien oder Start-ups zu investieren. Die European Bank for Reconstruction and Development (EBRD) stellt dann auch fest, dass die zögerliche und sperrige Kreditvergabe jordanischer Banken eines der Hauptprobleme für Unternehmen darstellt. Im Getting Credit Indicator des Doing Business Report 2018 belegt Jordanien nur Platz 159, ein miserables Ergebnis, auch im Vergleich zu anderen Staaten der Region (Ägypten und die VAE teilen sich Platz 90, die Türkei liegt auf Platz 77). Um diese Situation grundlegend zu ändern, muss die Regierung endlich an ordnungspolitischen Stellschrauben drehen, vor allem die Finanzierungsvorschriften anpassen; anders lassen sich diese wichtigen Voraussetzungen für Investitionsanreize und damit internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht schaffen. Ob ein erster Schritt in diese Richtung, die jüngst erfolgte Einrichtung eines so genannten Credit Bureau, wirklich die benötigte Dynamik erzielt, erscheint mehr als fraglich.
Die wichtigen Aufgaben für mehr Innovation und Investition
Jordanien muss seine Bürokratie weiter reformieren, denn Start-ups brauchen Geschwindigkeit und zugleich Planungssicherheit. Die Verwaltung sollte entsprechend die Registrierung neuer Firmen innerhalb kurzer Zeiträume von rund einer Woche ermöglichen und die Kosten für Registrierungen gemäß dem Vorschlag einer Studie des Jordan Strategy Forums mindestens um die Hälfte reduziert werden. Außerdem gilt es, die Möglichkeiten des E-Governments zu nutzen und eine Vielzahl an Verfahren online abzuwickeln.
Wenn Jordanien seinen früheren Glanz als vermeintliches „Königreich der Start-ups“ zurück gewinnen will, müssen Unternehmern und Start-uppern mehr Sicherheit und Anreize gegeben werden. Start-ups sind eine entscheidende Quelle für neue Arbeitsplätze, Innovationen und Investitionen – deshalb muss Jordanien handeln. Einen Verlust wie den von Maktoob kann sich das Land eigentlich nicht leisten.
René Klaff ist Leiter des Regionalbüros MENA der Stiftung mit Sitz in Amman.
Hussam Erhayel ist Projektkoordinator Jordanien im Büro Amman.