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Bundestagswahl
"Nazis im Bundestag"

Reaktionen aus Ankara auf die Bundestagswahl
Erdogan Türkei
© CC0 pixabay/geralt

Die Bundestagswahl hat auch im entfernten Ankara hohe Wellen geschlagen. Ministerpräsident Yıldırım gratulierte Kanzlerin Merkel zum Wahlerfolg und ließ erkennen, dass er nach der Wahl auf eine Normalisierung im Verhältnis zu Berlin hofft. Man müsse ein „ein neues Kapitel“ aufschlagen und die Beziehungen „reparieren“, so der türkische Premier in einem Fernsehinterview: „Kehren wir zur Normalität, zur Arbeit zurück, kümmern wir uns um unsere Angelegenheiten.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel habe nun erkannt, dass der Streit mit der Türkei keine Stimmen gebracht habe. „Wer hat gewonnen? Die Rassisten haben gewonnen!“

Deutschland müsse sein Verhalten gegenüber den Mitgliedern der Gülen-Bewegung und der PKK ändern. „Für uns ist das ein sensibles Thema“, so Yıldırım. Mehdi Eker, Präsidiumsmitglied der regierenden AKP, hofft, dass sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern nach den Bundestagswahlen wieder normalisieren werden. „Im Moment profitieren viele davon, die Türkei zu dämonisieren“, glaubt er. Während er das bis zu einem gewissen Grad für „normal in der Politik hält“, sieht er in Deutschland einen Hang zur Boshaftigkeit. Regierungsberater, wie Ozan Ceyhun, üben sich derweil in Wahlarithmetik: Die SPD hält man für den größten Verlierer der Wahl.

Präsident Erdoğan zeigte sich nach dem Wahlergebnis selbstsicher und gönnerhaft. Die Wahl sei eine Lehre, so der türkische Staatschef. „Wir haben ein paar Dinge gesagt“, räumte er ein - und bezog sich damit wohl auf seine Nazi-Beleidigungen gegenüber der deutschen Regierung und seinen Aufruf an die türkeistämmigen deutschen Wähler, weder SPD, CDU oder Grünen ihre Stimme zu geben. Sie hätten die Dinge verdreht, so Erdoğan zu den deutschen Politikern. Nach dem Wahlergebnis aber sei die Wahrheit offensichtlich: „Wir haben überhaupt kein Problem mit der Demokratie, mit den Völkern, mit dem Standard an Freiheiten.“ Wenn es Probleme gebe, dann bei den dortigen Führungen, sagte Erdoğan mit Anspielung auf die Bundesregierung. Erdoğan zeigte sich sicher, dass die Koalitionsbildung in Berlin schwierig werde: „Ihr werdet sehen, sie werden keine Regierung bilden können. Das wird einige Monate in Anspruch nehmen.“ Die deutschen Parteien seien zu sehr auf die Türkei fixiert: „Warum versucht ihr uns in einer Wahl zu benutzen, die in Deutschland abläuft?“

Weiter sagte er, dass auch die Niederlande gegen die Türkei „gehetzt“ hätten: „Noch immer haben die Niederlande keine Regierung bilden können. Sie glauben, dass sie punkten können, wenn sie gegen die Türkei hetzen. Sie glauben, dass sie dann etwas erreichen. Seht her, ihr könnt damit nichts erreichen.“

Bundestagswahl in türkischen Medien sehr präsent

Türkische Zeitungen sehen nach dem starken Abschneiden der AfD eine „Rückkehr von Nationalsozialisten“ in den Bundestag. Die Titelschlagzeile der Boulevardzeitung Posta lautete am Tag nach der Wahl: „Hitler im Parlament“. Daneben war ein Hitler-Foto mit zum Nazi-Gruß ausgestrecktem Arm abgebildet. Die Zeitung schreibt: „Das Ergebnis der Wahlen, die gestern in Deutschland abgehalten wurden, hat die Welt schockiert.“ Den Stimmenverlust für die Union kommentiert das Blatt mit den Worten: „Merkel hat geblutet.“ Die regierungsnahe Zeitung Star macht einen „Nazi-Schock in Deutschland“ aus; man führt den AfD-Erfolg auf die türkeifeindliche Politik der Großen Koalition zurück: „Der türkeifeindliche Hass-Diskurs von Merkel und ihrem Koalitionspartner Schulz hat den Rechtsextremisten genützt. Die Neonazis sind erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg ins Parlament eingezogen.“

Mit Blick auf Merkel und Schulz heißt es: „Sie haben Hass gesät und Enttäuschung geerntet.“ Die Schlagzeile der Zeitung Habertürk lautet: „In Deutschland sind die Rassisten im Parlament“; ähnlich das Krawallblatt Akşam: „Der Nazismus ist auferstanden.“ Auch die eher schlichte Analyse der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet unterscheidet sich in der Wertung des AfD-Ergebnisses kaum von den AKP-nahen Zeitungen (Zitat: „Auch die Nazis sind im Parlament). Der regierungsnahe TV-Sender TGRT und andere Medien zeigten einen Stimmzettel aus Bayern, auf den ein Wähler „Erdoğan“ geschrieben und daneben ein Kreuz gesetzt hatte. Türkische Politologen, wie Sinan Ülgen, sehen bereits den türkischstämmigen Grünen-Chef Cem Özdemir als möglichen nächsten Außenminister einer Jamaika-Koalition, sollte die FDP das Finanzressort erhalten.

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