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Trump zwingt die Europäer zu Steuerreformen

Der US-Präsident deckt die Schwächen der europäischen Steuersysteme auf
Donald Trump.
Donald Trump. © flickr.com/CC BY-SA 2.0 Gage Skidmore

Dieser Artikel erschien erstmals am 06.12.2017 auf Welt.de.

"Der US-Präsident deckt schonungslos die Schwächen der europäischen Steuersysteme auf. Abwehr und Defensive aber sind die falsche Antwort. Zukunftsfähig wäre, ausgeschüttete Gewinne direkt bei den Begünstigten zu besteuern.

Wer eigentlich zahlt noch Steuern? Mehr denn je stellt sich die Frage nach dem Verschwinden der Steuerbasis, seit am Wochenende Donald Trump die Unternehmenssteuern in den USA praktisch halbiert hat. Der amerikanische Präsident dürfte damit eine neue Runde im globalen „Race to the Bottom“ – dem weltweiten Wettrennen um immer tiefere Steuersätze – eingeläutet haben.

Denn die übrigen Volkswirtschaften, allen voran Europa und damit auch Deutschland, werden unter immensen Druck geraten, nun ihrerseits ihre mittlerweile deutlich höheren Steuersätze senken zu müssen. Ansonsten werden in Scharen Unternehmen ihre Erträge in die USA transferieren, um sie dort zu günstigen Konditionen zu versteuern und im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen hierzulande vom Fiskus verschont zu bleiben.

Donald Trump zwingt die Europäer zum Handeln – und das in einer Situation, in der Deutschland lediglich eine geschäftsführende Regierung hat und nicht einmal die Kraft findet, einen Solidaritätszuschlag abzuschaffen, der seine ursprüngliche Rechtfertigung – man erinnere sich: Konflikt am Persischen Golf, Unterstützung der Länder in Mittel-, Ost- und Südeuropa oder die Kosten der Wiedervereinigung – längst verloren hat.

MigrationsforscheThomas Straubhaar über die Strategielosigkeit in Sachen Flüchtlingspolitik

Thomas Straubhaar ist Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Hamburg. Der Migrationsforscher gehört dem Kuratorium der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit an.

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit | liberal-Magazin

Der US-Präsident deckt schonungslos die eklatante Schwäche der europäischen Steuersysteme auf, die der amerikanischen Herausforderung mit Abwehr und Defensive, Steuerfestungen und Steuererhöhungen entgegentreten und damit genau aufs falsche Pferd setzen. Klüger wäre das Gegenteil, nämlich eine offensive, dem 21. Jahrhundert angepasste Strategie der Steuersenkungen für Unternehmen und eine Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne bei den Begünstigten – also den Eigentümern der Unternehmen.

Riesige Gewinne, die mit Kleckerbeträgen besteuert werden

Steuersenkungen für Unternehmen in den USA mit Steuersenkungen in Europa beantworten zu wollen, klingt verrückt, ungerecht und wie ein Wettlauf in die falsche Richtung. Das ist es aber keinesfalls! Richtig ist, dass es in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung faktisch sowieso immer schwieriger wird, Unternehmen zu besteuern. Einmal, weil Firmen mobiler geworden sind und einfacher denn je Erträge und Kosten von einem Land ins andere verschieben können.

Betriebsinterne Verrechnungsschlüssel tun ein Übriges, um mit von Land zu Land unterschiedlichen Steuersätzen zu jonglieren, mit einfachen Tricks Gewinne und Verluste über Staatsgrenzen hin und her zu transferieren und mit nationalen Finanzbehörden Katz und Maus zu spielen. Dann auch, weil mit der Digitalisierung ein immer größer werdender Anteil der Wertschöpfung und Umsätze sowieso losgelöst von der Erde irgendwo im Orbit des Internets und in weltumspannenden Clouds produziert wird. Damit aber wird eine nationale Erfassung, Bilanzierung und Besteuerung ohnehin mehr oder weniger willkürlich.

Ja, es ist ungerecht, dass Personen weniger leicht als Unternehmen dem Steuerzwang entfliehen können. Menschen sind sesshaft, verwurzelt, haben schulpflichtige Kinder, Familienangehörige und Nachbarn, die sie nicht so ohne Weiteres verlassen wollen. Genau deshalb sind sie für den Fiskus viel leichtere Beute als Firmen, die ohne viel Federlesens und Abbaukosten Büros und Kanzleien, Verwaltung und Vertriebszentren schließen, um sie in Steueroasen wiederaufzubauen.

Kein Wunder, neigen nationale Steuerbehörden dazu, mit Akribie auch noch den letzten Euro von Beschäftigten, Angestellten und Selbstständigen zu belasten, während sie sich bei Unternehmen zähneknirschend mehr oder weniger erpressen lassen und bei den Internetriesen wie Google, Amazon, Facebook oder Apple sogar hilflos zuschauen müssen, wie riesige Gewinne bestenfalls mit lächerlichen Kleckerbeträgen besteuert werden können.

Unternehmen sorgen in der Volkswirtschaft für Jobs

Auf eine Besteuerung der Unternehmen zu verzichten, wird jedoch vorschnell als Kapitulation vor der Macht der Wirtschaft bewertet. Dann würden Personen ja stärker belastet, weil sie nun alles und die Firmen nichts zum Steueraufkommen beitragen müssten. Das stimmt, bedeutet aber nicht, dass es deswegen weniger gerecht zugehen würde. Denn richtig ist eben auch, dass Firmen zu besteuern, aus Sicht des Fiskus eigentlich nichts anderes bedeutet, als die Hand zu beißen, die ihn füttert.

Unternehmen sind nämlich hauptverantwortlich dafür, dass in einer Volkswirtschaft die Masse der Menschen Arbeit findet. Sie sorgen bei den Beschäftigten und den Eigentümern für Einkommen, das vom Staat besteuert werden kann. Neben dem Selbstzweck dienen Firmen somit ganz automatisch einem gesamtwirtschaftlichen Nutzen. Wieso überhaupt sollten sie da noch Steuern zahlen?

Solange Gewinne von Unternehmen einbehalten werden, sollten sie steuerfrei bleiben. Sie sind für die Firmen die einfachste und billigste Möglichkeit, die Eigenkapitaldecken zu verstärken, Zinsrisiken zu verringern und neue Investitionen zu finanzieren. Das sorgt gesamtwirtschaftlich für Nachhaltigkeit bei Wachstum, Wertschöpfung und Beschäftigung. Der Verzicht einer direkten Unternehmensbesteuerung heute führt somit für den Fiskus indirekt zu höheren Steuereinnahmen in Zukunft. Genau auf die – nach dem Reagan-Berater Arthur Laffer benannten – Effekte einer sich selbst finanzierenden Steuersenkung setzt Donald Trump mit seiner Reform.

Die richtige Antwort auf Globalisierung und Digitalisierung

Unabhängig davon, ob die Laffer-Wette aufgeht, was im aktuellen Fall in den USA durchaus umstritten ist, sollte – ganz grundsätzlich – der Fiskus dann, aber eben erst dann, zugreifen, wenn Unternehmen Ausschüttungen an ihre Eigentümer vornehmen. Dann darf es keine Ausnahmen, Schlupflöcher, Steuererleichterungen oder Privilegien geben. Alles Einkommen, das an Personen fließt, müsste gleichermaßen besteuert werden, unabhängig, ob es als Löhne durch Menschen, als Kapitalerträge durch Roboter und Maschinen oder eben als Gewinne durch „Unternehmen“ geschaffen wurde.

Einkommen und nicht Unternehmen zu besteuern, ist die richtige Antwort auf Globalisierung und Digitalisierung. Unternehmenssteuern zu senken, dafür aber Unternehmensbesitzer stärker zu besteuern, ist weder verrückt noch ungerecht noch ein Weg in eine fiskalische Sackgasse. Es ist eine zeitgemäße und für alle eine wohlstandsfördernde Herangehensweise an neue Herausforderungen – nicht zuletzt als Antwort auf die Steuersenkungspolitik eines Donald Trump.