"Ich hatte die ungarische Politik gründlich satt"
Zoltán Kész wurde Anfang 2015 bei Nachwahlen in Veszprém als Unabhängiger ins Parlament gewählt. Mit seiner Wahl verlor Viktor Orbán die verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit. Vor den Parlamentswahlen im Frühjahr 2018 ist Kész bemüht, die ungarischen Oppositionsparteien zu einem gemeinsamen Vorgehen zu bringen.
Sie waren Lehrer, Unternehmer, haben einen Think Tank gegründet. Was hat Sie dazu bewogen, sich politisch zu engagieren und sogar fürs Parlament zu kandidieren?
Ich hatte die ungarische Politik, die Parteien und die Politiker gründlich satt. Nach dem Scheitern der sozialdemokratisch geführten Regierung hatte die Regierung Orbán 2010 die Chance, das Land zu reformieren und voranzubringen. Aber ihr einziges Ziel war es, das Land zu plündern, demokratische Institutionen zu ruinieren, die Medien zu übernehmen und das Land zu verwüsten. Hiergegen wollte ich etwas tun und die Nachwahl 2015 in meiner Heimatstadt Veszprém bot eine gute Gelegenheit, aktiv zu werden.
Zwei Jahre sind seit Ihrer Wahl ins Parlament vergangen. Konnten Sie sich Ihre Begeisterung und Begeisterungsfähigkeit erhalten?
Ich bin ein Kämpfer, ein Gewinner und kein Zauderer. Ich bin davon überzeugt, dass wir Ungarn verändern können. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir im kommenden Jahr FIDESZ schlagen können. Aber die Voraussetzung dafür ist, dass die Oppositionsparteien die Interessen der Wähler über die ihrer eigenen Parteien stellen.
Was meinen Sie damit genau?
Ich bin viel in meinem Wahlkreis unterwegs und unterhalte mich mit den Wählern. Dabei heißt es immer wieder, dass es bei den bevorstehenden Wahlen allein um die Frage gehen wird: "Fidesz oder Nicht-Fidesz". Die Nicht-FIDESZ-Wähler sind in der Mehrheit, das haben auch verschiedene Nachwahlen gezeigt. Wenn wir uns danach richten und als demokratische Opposition vereinigen, dann könnten wir die Kandidaten der Regierungspartei in allen 106 Wahlkreisen besiegen.
Als politische Opposition haben wir nicht viel Zeit. Wir können es uns auch nicht leisten jetzt wählerisch zu sein und nach Gründen zu suchen, warum wir nicht miteinander kooperieren können. Wenn wir jetzt nicht handeln, werden wir die halbfeudale, kryptokommunistische Regierung verankern. Unsere aktuelle Situation ist vergleichbar mit einer Feuerbekämpfung: Wir sollten uns nicht darum kümmern, wer uns einen Eimer Wasser holt; das Wichtigste ist, dass das Feuer gelöscht wird.
Wir haben eine historische Gelegenheit, das Orbán-Regime 2018 loszuwerden. Wir müssen diese Chance ergreifen. Wir müssen sehr hart arbeiten und eine zukunftsfähige Alternative und eine positive Vision für die Wähler schaffen. Wir müssen kompetent sein und, was auch wichtig ist, wir müssen persönliche oder parteipolitische Eigeninteressen beiseitelassen. Nur gemeinsam werden wir diese mafiose Regierung besiegen.
Was ist Ihre Vorstellung, Ihre Vision für Ungarn?
Ungarn sollte ein „normales“ Land sein, in dem Menschen unterschiedliche Meinungen haben, diese aber zivilisiert miteinander austauschen. Ein Land, in dem sich Politiker wieder Respekt erarbeiten. Ein Land, in dem Worte auch wieder bedeuten, was sie besagen. Ein Land, in dem die Menschen sich frei entwickeln können, nicht von Steuern erdrückt und den staatlichen Ordnungskräften drangsaliert werden. Ich möchte in einem Land leben, in dem Schulen und Gemeinden nicht von der Zentralregierung aus kontrolliert werden. Ich glaube, dass die ungarischen Bürger viel kreativer, kooperativer und verantwortlicher für sich und das Land wären, wenn wir dezentrale Staatsstrukturen hätten.
Es wird immer mehr über den Einfluss Russlands auf Ungarn und die Schwächung der ungarischen Beziehungen zu den USA und der EU diskutiert. Was denken Sie darüber?
Dies ist auch eines der Hauptthemen der Wahl im nächsten Jahr. Zu wem wollen wir gehören? Zu Russland oder zum Westen? Die jetzige Regierung hat ihre Verbündeten und ihr eigenes Land verraten. Orbán wurde zu Putins Trojanischem Pferd in der EU und der NATO. Er stieg ins Bett mit derselben russischen Macht, die im Laufe der Geschichte die ungarische Freiheit immer wieder vernichtete. Wir müssen zu unseren Verbündeten zurückkehren und dürfen uns Putins Politik des Hasses nicht aneignen. Nur innerhalb der euroatlantischen Allianz kann Ungarn souverän sein.
Das Interview führte Máté Hajba von der ungarischen Free Market Foundation, die Mitglied im 4liberty-Netzwerk ist. Es handelt sich um eine gekürzte Fassung eines Interviews für http://4liberty.eu/. Den vollständigen Text finden Sie auf Englisch unter: http://4liberty.eu/a-historic-chance-to-dispose-of-the-orbans-regime-interview-with-zoltan-kesz/