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„Für das VW-Gesetz gibt es keine Rechtfertigung mehr“

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu den politischen Beziehungen des VW-Konzerns

Dieser Artikel erschien erstmals am 08. August 2017 in der Onlineausgabe des Handelsblatt. Autorin: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten.

Angesichts des Skandals um manipulierte VW-Diesel wirken die Anteile, die Niedersachsen an dem Autokonzern hält, wie aus der Zeit gefallen. Das entsprechende Gesetz sollte aufgehoben werden. Ein Kommentar von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Keine Frage: Volkswagen ist der weitaus größte Arbeitgeber in Niedersachen. Enge politische Beziehungen zum Konzern sind daher wohl nicht ungewöhnlich. Die Dieselaffäre zeigt aber, dass die Verflechtung von Politik und Wirtschaft ein Ausmaß erreicht hat, die einem demokratischen Staat nicht gut tun kann. Hätte die Politik den Autoherstellern nicht permanent den Rücken freigehalten, wäre auch der Abgas-Skandal nicht möglich gewesen.

Völlig ungewöhnlich ist aber, dass im Wahljahr 2017 kaum über das anachronistische VW-Gesetz diskutiert wird. Fast drängt sich der Eindruck auf, dass Union und SPD nicht über die politischen Verflechtungen reden wollen, die zwar juristisch vom EuGH durchgewinkt worden sind. De facto, das zeigen die letzten Wochen auf erschreckende Weise, haben sie ein Niveau erreicht, das man nicht von einem industrialisierten Staat erwarten würde.

Das VW-Gesetz trat bereits im Jahr 1960 in Kraft, als das Volkswagenwerk privatisiert wurde und in eine Aktiengesellschaft überging. Einst sollte es den staatlichen Einfluss bei dem Wolfsburger Autobauer sichern und ihn vor feindlichen Übernahmen schützen. Heute sichert das VW-Gesetz lediglich die gegenseitige Einflussnahme und führt zu einer immer engeren Verflechtung zwischen Landesregierung und Konzern. Bund und Land haben nicht nur das Recht, je zwei Vertreter im Aufsichtsrat von Volkswagen zu stellen, sondern verfügen auch über 20 Prozent der Unternehmensanteile.

 

Leutheusser Schnarrenberger
© Tobias Koch

Viele Kleinanleger würden profitieren

Volkswagen ist nicht der einzige Automobilhersteller, der für Arbeitsplätze und verlässliche Steuereinnahmen sorgt. Trotzdem genießt der Konzern mit dem VW-Gesetz einen einzigartigen Vorteil, auch gegenüber freien Werkstätten und mittelständischen Unternehmen aus anderen Industrien.

Seit Jahren ist das VW-Gesetz Zankapfel der EU-Kommission und der Bundesregierung. Die EU-Kommission beklagte das VW-Gesetz bereits, da es das freie Spiel der Märkte einschränke. Die Bundesregierung entkam zu Zeiten der alten schwarz-gelben Koalition nur knapp einer millionenschweren Geldstrafe. Und heute?

Obwohl die Sperrminorität für Niedersachsen nicht mehr in die Zeit passt, halten Union und SPD daran fest. Historisch betrachtet ist das VW-Gesetz zu erklären, in der heutigen Zeit gibt es keine Rechtfertigung mehr. Auch ohne VW-Gesetz ist der Konzern durch das Aktiengesetz und die Unternehmenssatzung vor „feindlichen Übernahmen“ geschützt.

Um sich selbst als Aktionär zu begünstigen, darf der Staat seine Macht nicht missbrauchen. Nicht nur unzählige Kleinanleger würden von einer Aufhebung des längst überholten VW-Gesetzes profitieren. Alle Bürger würden von einer Automobilflotte profitieren, die nicht den Betrug zur Philosophie erklärt.