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Wir sind beim CO2-Preis nicht allein

Wer klimaschädliches Kohlendioxid erzeugt, wird dafür zukünftig zahlen müssen – davon ist Klimaökonom Ottmar Edenhofer überzeugt. Im Interview erläutert er, warum unerwünschte Verlagerungseffekte in andere Weltregionen nicht zu befürchten sind.

Herr Professor Edenhofer, derzeit wird viel über eine CO2-Steuer diskutiert. Ein Erfolg versprechendes Instrument, um die Pariser Klimaziele zu erreichen?

Edenhofer: Ich bin davon überzeugt, dass wir einen CO2-Preis benötigen. Wobei der nicht unbedingt in Form einer Steuer eingeführt werden muss! Man kann das Ziel mit einer Steuer und mit einem Emissionshandel erreichen. Beide Instrumente können effizient sein, weil sie die vorgegebene Emissionsreduktion zu geringen volkswirtschaftlichen Kosten ermöglichen. Es geht hier um soziale, nämlich der Gesellschaft verpflichtete, Marktwirtschaft.

Inwiefern?

Eine substanzielle CO2-Bepreisung mobilisiert die Marktkräfte. Jeder, der eine gute Idee hat, Treibhausgase zu reduzieren, kann sie zur Marktreife führen und damit Geld verdienen. Wer weniger innovativ ist, muss mehr zahlen. Ein CO2-Preis regt nicht nur die Marktkräfte, sondern das Innovationspotenzial der Wirtschaft an. Mit Verboten und Geboten allein wäre das nicht zu erreichen. Natürlich kostet die Bepreisung. Aber wir haben heute nur die Wahl, ob wir für Klimastabilisierung zahlen oder für Klimaschäden. Machen wir einfach weiter wie bisher mit den fossilen Brennstoffen, so nehmen weltweit Wetterextreme zu, Waldbrände, Missernten, auch Migration. Was alles sehr teuer ist, was auch Menschenleben kostet und was am Ende unser aller Freiheit verringern wird. Wir müssen also etwas tun, und die CO2-Bepreisung ist das beste Mittel.

Und die Fairness?

Die gibt es. Erstens muss das Verursacherprinzip gelten: Wer verschmutzt, der zahlt. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Zweitens generiert ein CO2-Preis staatliche Mehreinnahmen. Hier empfehlen wir eine Pro-Kopf-Rückerstattung. Damit könnten gezielt einkommensschwache Haushalte entlastet werden. Außerdem kann der Staat andere Steuern senken, die die Wirtschaft und Verbraucher belasten – etwa die Stromsteuer – und so soziale Härten abfedern. Die Stromsteuer, das sollte in diesem Zusammenhang vielleicht auch gesagt werden, wirkt aus unserer Sicht dysfunktional. Warum etwa soll man Strom hoch besteuern, wenn er aus erneuerbaren Erzeugungsarten kommt? Mit den Einnahmen kann der Staat aber auch den Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur finanzieren. Ein alternatives Konzept ist der Emissionshandel, auch hier können die Auktionserlöse an die Haushalte rückerstattet werden. Es gibt also viele Möglichkeiten für die Politik, nach unterschiedlichen Präferenzen auszuwählen.

Welches System bevorzugen Sie?

Ob ein CO2-Preis als Steuer oder Emissionshandel implementiert wird, ist meiner Meinung nach letztlich zweitrangig. Beide Systeme lassen sich so ausgestalten, dass sie ähnlich wirken. Der Einwand ist oft: Das eine ist marktbasiert, das andere nicht. Das ist Unsinn: Beim Emissionshandel gibt der Staat die Menge vor und bei der Steuer gibt der Staat den Preis vor. Wenn er den Preis vorgibt, dann ist der Preis sicher und die Mengenreaktion unsicher. Wenn die Menge vorgegeben ist, dann ist die Preisreaktion unsicher. Im Kern hat es die gleiche Wirkung: die Förderung von Innovationen.

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© Ottmar Edenhofer

Drohen bei einer CO2-Steuer oder bei einem Emissionshandel ähnlich wie beim Strom unerwünschte Verlagerungseffekte?

Nein, nein, denn wir reden ja nicht von einer nationalen Lösung. Die Debatte ist eine europäische. Innerhalb der EU ist eine Kappung vorgegeben, die für alle Mitgliedsländer gilt. Sollten sich einzelne Staaten verweigern, könnten Transferzahlungen ausgesetzt werden. Aufgrund dieser harten institutionellen Vorgabe für alle EU-Mitglieder sind Verlagerungseffekte innerhalb Europas nicht zu erwarten. Wir haben dazu gerade eine große empirische Untersuchung vorgelegt, in der sich zeigt, dass in der Vergangenheit solche Verlagerungseffekte nicht zu beobachten waren.

Spielt dabei auch eine Rolle, dass sich viel mehr Länder als die EU-Staaten auf die Klimaziele von Paris verpflichtet haben?

Sicherlich. In der Debatte wird es ja häufig so dargestellt, als wollten die Deutschen einmal mehr Vorbild sein und machten jetzt etwas ganz Verrücktes: einen Preis für CO2. Tatsächlich ist doch die Situation gerade in Europa eine ganz andere. Großbritannien hat eine CO2-Bepreisung, Schweden genauso. Viele Länder sind weiter als wir, Deutschland verweigert Frankreich in der EU klimapolitische Unterstützung. Immerhin, ich glaube, dass der CO2-Preis bei uns noch in dieser Legislaturperiode kommt. Aber auch in den USA gibt es im Augenblick eine veritable Debatte zu einer CO2-Steuer – und das unter einem Präsidenten Donald Trump. Im Bundesstaat Kalifornien gibt es bereits einen CO2-Preis. Schließlich ist nicht zuletzt China gerade dabei, über einen nationalen Emissionshandel nachzudenken und den auch zu implementieren. Sie sehen: Wenn wir den Blick nach außen richten, gibt es zumindest in drei großen Wirtschaftsregionen anhaltende, massive Debatten über die Einführung eines CO2-Preises. Also, wir sind damit nicht allein.

In der Vergangenheit war zu beobachten, dass hohe Effizienzgewinne durch technische Innovation nicht zwangsläufig zu einem niedrigeren CO2-Ausstoß führen. Sollte der Staat mit zusätzlichen Anreizen versuchen, verloren gegangenes Terrain in Sachen Klimaschutz schneller aufzuholen?

Das könnte er tun. Aber ich will noch einmal darauf hinweisen: Die Idee eines CO2-Preises ist, Innovationen anzureizen. Synthetische Kraftstoffe zum Beispiel sind bei den heutigen Preisverhältnissen einfach nicht rentabel. Dazu kommt: Wir haben – gemessen an der Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre – ein Überangebot an fossilen Energieträgern. Die Preise für Gas, Kohle und Öl werden – von Schwankungen abgesehen – langfristig nicht steigen. Das heißt, die Märkte werden keine Innovationen in Richtung einer CO2-Reduktion befördern. Das ist bei vielen Politikern nicht angekommen, gerade auch mit Blick auf die Elektromobilität.

Elektromobilität reagiert hochgradig empfindlich auf die Ölpreisentwicklung. Wenn der Ölpreis niedrig ist, kaufen die Menschen keine Elektroautos. Darum muss es einen CO2-Preis geben, damit klimafreundliche Innovationen rentabel werden. Marktwirtschaften waren bislang immer in der Lage, mit neuen Knappheiten fertig zu werden. Das ist dann eine neue industrielle Revolution, eine neue Gründerzeit – eine, die Generationengerechtigkeit wahrt, weil sie nachhaltig ist. Und schlicht vernünftig.  

 

Ottmar Edenhofer ist Professor für Klimaökonomie an der Technischen Universität Berlin und – zusammen mit Johan Rockström – Direktor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Er ist Mitglied unter anderem in der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften und der Akademie der Wissenschaften in Hamburg. Er wird von Clarivate Analytics zu den meistzitierten Forschern der Welt gezählt.

Dieser Text erschien zuerst in der liberal „Aufbruch Ost“.