Allensbach-Umfrage
Neue Liebe zu einem alten Konzept: Die soziale Marktwirtschaft
Hand aufs Herz: Wer hätte das gedacht! In diesem Jahr ist die soziale Marktwirtschaft, die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland, im Westen unseres Landes 73 und im Osten 31 Jahre alt geworden. Und siehe da: Sie wird immer beliebter, jedenfalls im Trend seit Mitte der 2000er Jahre. Dies zeigt eine Umfrage des Allensbach-Instituts: Hatten 2006 nur 34 Prozent, also ein gutes Drittel der Bevölkerung eine „gute Meinung“ von unserer Wirtschaftsordnung, so sind es aktuell 56 Prozent, also mehr als die Hälfte. Umgekehrt ist der Trend bei jenen, die explizit keine gute Meinung äußern. Deren Anteil ging im gleichen Zeitraum von 38 auf 14 Prozent zurück.
Das positive Bild (siehe Schaubild 1) erstaunt insbesondere am aktuellen Rand, denn gerade die letzten drei Jahre, in der die „gute Meinung“ von 43 auf 56 Prozent der Befragten hochschnellte, waren eine Zeit von viel öffentlicher Krisenrhetorik – mit dem Schwerpunkt zunächst auf dem Klimawandel und dann auf Corona sowie daneben permanenter Kritik am globalen Kapitalismus und mangelnder sozialer Gerechtigkeit bis hin zum Fehlen bezahlbarer Wohnungen in Ballungsgebieten. Überall schien die Marktwirtschaft in der Defensive, aber offenbar täuschte der Eindruck: Das Vertrauen in sie wurde eher gestärkt.
Blickt man etwas weiter zurück, relativiert sich das Bild ein klein wenig, wie in dem entscheidenden Schaubild von Allensbach ersichtlich: Mitte der 2000er Jahre war die Zeit der Hartz-Reformen, als Ergebnis der Krise des Sozialstaats, die sich in den Jahren zuvor immer mehr zuspitzte – keine gute Zeit für die soziale Marktwirtschaft. Deshalb sank auch die Zustimmung zu unserem Wirtschaftssystem auf einen Tiefpunkt. Das Bild in den vorangegangenen neunziger Jahren sah dagegen ganz anders aus: Anstieg der Zustimmung von 32 Prozent 1996 auf 51 Prozent im Jahr 2000, ganz nahe an dem heute wieder erreichten Niveau. Daraus folgt: Es geht – bisher jedenfalls - eher um eine Rückkehr zu einem früher schon einmal erreichten Vertrauensniveau nach vorübergehender Krise als um einen neuen Gipfel.
Gleichwohl stellt sich die Frage: Wo kommt die positive Dynamik her? Dieser Frage geht die Allensbach-Studie sorgfältig nach. Einen zentralen Baustein der Antwort liefert – durchaus überraschend – die Verbindung von sozialer Marktwirtschaft und sozialer Gerechtigkeit (siehe Schaubild 2). Auf die Frage: Führt die soziale Marktwirtschaft zu mehr oder weniger sozialer Gerechtigkeit, entschieden sich Mitte 2021 immerhin 44 Prozent der Befragten für „mehr“ und nur 18 Prozent für „weniger“. Im Jahr 2005 entschieden sich lediglich 13 Prozent für „mehr“, aber 53 Prozent für „weniger“.
Ein überaus bemerkenswertes Ergebnis: Während die Spalten vieler Feuilletons gefüllt sind von einer eher zunehmenden Skepsis gegenüber der Fähigkeit der Marktwirtschaft, eine Gesellschaft zu befrieden, zeigt die Allensbach-Umfrage eher den gegenteiligen Befund – jedenfalls in jüngerer Zeit. Dies sollte all jenen zu denken geben, die von Systemwechseln träumen oder diese gar fordern. Offenbar steckt auch im Urteil der Bevölkerung viel positive Resilienz in jener Wirtschaftsordnung, die Ludwig Erhard 1948 einführte. Von verspieltem Vertrauen in der Bevölkerung kann jedenfalls nicht die Rede sein.