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Nachruf
Amnon Rubinstein: Ein Leben im Dienste des Rechts, der Freiheit und der Menschlichkeit

Amnon Rubinstein

Amnon Rubinstein (links) und Shimon Peres

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Anat Givon

Der Jurist Rubinstein war ein enthusiastischer Hochschullehrer, den seine Studenten verehrten. Er war Autor zweier in Israels Rechtsordnung zentraler Normen, den ‚Grundrechten‘ (‚Basic Laws‘) „Human Dignity and Freedom“ zur Garantie von Menschenrechten und der Gleichheit vor dem Gesetz unabhängig von religiöser und ethnischer Zugehörigkeit, sowie des „Basic Law: Freedom of Occupation“, welches die freie Berufswahl schützt. Amnon Rubinstein gilt mit seinem Versuch, mit Basic Laws schrittweise eine Verfassung zu schaffen, als ‚Vater des israelischen Verfassungsrechts‘.

Vor seinem Tod durfte er noch miterleben, wie der Versuch der jetzigen Regierung scheiterte, der Knesset die Möglichkeit einzuräumen, Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu überstimmen und aufzuheben. Die Obersten Richter können nun weiter vom Parlament verabschiedete Gesetze mit der Begründung für ungültig erklären, dass sie ‚Grundgesetze‘ verletzen und darin nicht von der Knesset überstimmt werden. In Nachrufen wird bedauert, dass Rubinstein in seinen letzten Monaten diese Angriffe auf Israels liberale Demokratie und auf sein Vermächtnis und Lebenswerk ertragen musste; sie sind aber mit Blick auf das Rechtssystem gescheitert und das wird ihm gefallen haben.

Liberaler Visionär: Revolutionärer Politiker und Architekt sozialer Veränderungen in Israel

Der über politische Lager hinweg angesehene Politiker Rubinstein hatte 1974 die liberal-säkulare Zentrumspartei ‚Shinui‘ gegründet, war 25 Jahre lang Mitglied der Knesset und erwies sich als tatkräftiger, geschickter Minister stiller Revolutionen. Im Ressort Kommunikation (1984-1987) kooperierte er eng mit dem Telekommunkationssektor, beschleunigte die Vergabe von Telefonen und sorgte dafür, dass die arabischen Ortschaften hieran teilhatten. Als Erziehungsminister (1992-1996) verdoppelte er das Budget der Schulen im arabischen Sektor. Das elitäre Universitätssystem brach er auf und demokratisierte es, indem er ein System von Colleges in Städten der Peripherie schuf, das die Bildungschancen der jungen Generationen massiv erweiterte und den bis dahin marginalisierten Bevölkerungen der Entwicklungsstädte neues Selbstbewusstsein als Orte höherer Bildung gab.

Elemente seiner Politik waren darüber hinaus die Trennung von Staat und Religion, die Schaffung einer Verfassung Israels und eine Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt mit den Palästinensern. Im zweiten Kabinett (1992-1995) von Premierminister Yitzhak Rabin war Rubinstein einer der Minister, dem der im Friedensprozess politisch bedrängte Rabin am meisten vertrauen konnte.

Als zentrales Element seines Liberalismus nannte Prof. Rubinstein, der ein Verfechter wirtschaftlicher Freiheit und Gegner jeder Überregulierung war, die ‚Europäische Sozialcharta‘ des Europarats. Er wollte in der Politik die Voraussetzungen für die Ausübung der Rechte und Grundsätze der Sozialcharta geschaffen sehen und verstand den Staat in einer sozialpolitisch aktiven Rolle.

Vertrauen und Dialog: Die Tiefgründige Freundschaft zwischen Amnon Rubinstein und Otto Graf Lambsdorff

Amnon Rubinstein verband eine tiefe Freundschaft mit dem Vorsitzenden der Friedrich-Naumann-Stiftung der Jahre 1995-2006, Dr. Otto Graf Lambsdorff, der Israel regelmäßig besuchte und ab 1999 als Beauftragter der Bundesregierung die Verhandlungen über die Entschädigung für ehemalige NS-Zwangsarbeiter führte. Die beiden Politiker, 1926 und 1931 geboren, verkörperten in ihrer engen Beziehung, was an Vertrauen und Respekt zwischen Deutschen und israelischen Juden wieder hatte wachsen können.

Herausragende politische Besucher der liberalen europäischen Familie und von Liberal International fanden sich regelmäßig am Wohnzimmertisch oder im Garten der Rubinsteins in Gesellschaft und im Dialog mit Spitzen des Staates bis hinauf zu Ministerpräsident Yitzhak Rabin wieder. So füllte A.Rubinstein sein Amt als Patron der LI mit Sinn und schuf unvergessliche Begegnungen.   

Amnon Rubinstein erhielt 2006 den ‚Israel Preis‘, der gerne als israelischer Nobelpreis bezeichnet wird. Gewürdigt wurde damit seine Arbeit an Israels Verfassungsrecht und sein Eintreten „für die Werte von Demokratie, Gleichheit und für die Menschenrechte“.

Amnon Rubinstein: Ein Leben voller Humor, Anerkennung und kultureller Vielfalt

1999 erlaubte sich jemand den Scherz, dem Büro des Präsidenten der Knesset, Avraham Burg, den Tod Rubinsteins mitzuteilen. Schmunzelnd hörte Rubinstein, der im Krankenhaus lag, im Fernsehen den Nachruf des Sprechers der Knesset, in dem Avraham Burg ihn als einen der „Gründerväter des Staates Israel“ adelte. Und bedankte sich mit der Notiz „Die Nachricht über meinen Tod war zutreffend, aber verfrüht.“

Uriel Lynn vom Likud, als früherer Vorsitzender des Rechts- und Verfassungsausschusses der Knesset parlamentarischer Weggefährte und politischer Rivale, würdigte Rubinstein nun als den vielleicht größten Parlamentarier, den Israel hatte.

Wir trauern um einen noblen, kultivierten Menschen, dem Israel sogar die Wiederbelebung seiner Oper verdankt. Es hat uns ein Humanist und homme de lettres verlassen, der Klassiker zu Israels Gründungsgeschichte verfasste und der sich die Zeit nahm, Belletristik zu schreiben, darunter den Schlüsselroman ‚Forbidden Loves‘.

Ruhe in Frieden, lieber Amnon.