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Finanzpolitik
Blick in die USA: Vorsicht mit der Staatsverschuldung

Billionen Dollar

Die Biden-Regierung investierte Billionen Dollar.

© picture alliance / newscom | Ken Cedeno

2023 war ein hartes Jahr für Verfechter der Schuldenbremse. In der Politik kam aus vielen Richtungen deutliche Kritik an den Schuldenregeln. Auch Akteure aus der Zivilgesellschaft wie beispielsweise das Dezernat Zukunft äußerten, dass die Schuldenbremse unbedingt entschärft gehöre. Und ebenfalls aus der Wissenschaft vernahm man prominente Stimmen, die sich aktiv gegen eine starke Bindung des Staates an Schuldenregeln wendeten, so Michael Hüther, der Präsident des IW Köln, und Isabella Weber, Professorin an der University of Massachusetts Amherst. Auch für 2024 ist zu erwarten, dass die Attacken auf die Schuldenbremse weitergehen. Aber ein Blick in die USA zeigt, dass sich die Grundlage der Debatte ändert. Während in den Jahren der Niedrigzinsen die Gefahren zu hoher öffentlicher Schuldenstände aus dem Blick geraten sind, verändert sich der Blick auf Staatsschulden in den USA angesichts hoher Zinsen und ersten Warnsignalen aus dem Markt. Die Kritiker der Schuldenbremsen sollte das berücksichtigen. Statt ewiger Debatten um die Scheinlösung neuer Kredite braucht es eine breite Diskussion, wie die tieferliegenden Ursachen der deutschen Wachstumsschwäche behoben werden können.

Das Schicksal der schwäbischen Hausfrau

Die schwäbische Hausfrau ereilte im vergangenen Jahr ein hartes Schicksal. Es blieb ihr nicht erspart, durch die Talkshows des Landes geschleift zu werden. Sie war das schuldenpolitische Bild des Jahres 2023. Für Fans der Schuldenbremse war sie ein Vorbild der Sparsamkeit, die ihr Geld zusammenhält und einen gesunden Haushalt führt. Die Gegner der Schuldenbremse schätzten zwar auch die private Sparsamkeit der Schwäbin. Sie bezweifelten jedoch, dass die öffentliche Hand genauso haushalten solle. Oder aber sie argumentierten, dass selbst die schwäbische Hausfrau renditeträchtige Investitionen nicht mit knappem Eigenkapital, sondern auf Kredit finanzieren würde. So wie die Schwäbin für ihr Maultaschen-Restaurant einen Kredit aufnehmen würde, sollte auch der Staat mehr Kredite für Investitionen aufnehmen. Vor Kurzem wurde die schwäbische Hausfrau auch noch Opfer des Sexismus: Die deutsche Ökonomin und Gegnerin der Schuldenbremse Isabella Weber hält das Bild der schwäbischen Hausfrau für frauenfeindlich, weil es aus einer Zeit stamme, in der Männer den Hausfrauen noch Budgets vorschrieben.

Die schwäbische Hausfrau war allerdings nicht das einzige schuldenpolitische Bild des letzten Jahres. Besonders Gegner der Schuldenbremse nahmen gerne die USA als Vorbild für das Potenzial schuldenfinanzierten Wachstums. Und niemand kann bezweifeln, dass die US-Wirtschaft momentan in bestechender Form ist. 2023 wuchs die US-Wirtschaft um fast 2,5% und auch der Arbeitsmarkt zeigt sich stabil bei knapp 4% Arbeitslosigkeit. Einer der möglichen Gründe: die zahlreichen Investitionsprogramme der US-Regierung. 2021 investierte die Biden-Regierung 1,9 Billionen Dollar in den American Rescue Plan, kurz danach legte sie mit dem Infrastructure Investment and Jobs Act nochmal 1,2 Billionen Dollar nach und verabschiedete 2022 den 900 Milliarden Dollar schweren Inflation Reduction Act. Wie stark der Effekt des staatlichen Investitionsprogramms auf die robuste US-Ökonomie nun war, ist allerdings unsicher.

Die USA als Vorbild?

Sicher ist jedoch der radikale Effekt auf die Staatsverschuldung in den USA. Die Defizitquote, die schon unter Präsident Trump aus dem Ruder lief, erreichte eine Höhe, wie es sie seit den 1940ern nur in zwei Ausnahmefällen gab. Die Staatsschuldenquote in Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt mittlerweile bei ca. 100%. Gleichzeitig stieg die Verzinsung 10-jähriger Staatsanleihen 2023 kurzzeitig auf über 5% auch so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Die steigenden Kosten der zusätzlichen Verschuldung führen zu einem zunehmenden Vertrauensverlust am Markt. Die Ratingagentur Fitch stufte die USA von der besten Bewertung AAA auf AA+ herunter. Und auch die Konkurrenz Moody’s warnte vor der stark ansteigenden Verschuldung, auch wenn sie das Rating von AAA zuerst beibehielt. Eigentlich gibt es in den USA seit 1917 sogar eine Schuldenobergrenze. Also eine viel härtere Restriktion als die deutsche Schuldenbremse. Einen Fetisch, wie sie der Economist den Deutschen unterstellte, kann man den USA für die Schuldenbegrenzung aber wirklich nicht unterstellen. Über 100-mal wurde die Schuldenobergrenze seit ihrer Einführung schon angehoben. Mittlerweile liegt sie bei ca. 31 Billionen Dollar. Aber selbst das reicht immer noch nicht. Erst im letzten Mai führte die mangelnde Haushaltsdisziplin fast zu einer Zahlungsunfähigkeit der USA. Kurz vor knapp einigte sich eine Mehrheit in US-Repräsentantenhaus und Senat darauf, die Schuldenobergrenze ein weiteres Mal auszusetzen.

Rutschen die USA also langsam in eine Staatsschuldenkrise? Diese Warnung wäre verfrüht. Aber die Alarmsignale zu hoher Schuldenstände mehren sich. Damit bestätigt sich erneut, dass hohe Schulden so lange kein Problem sind, bis die Einschätzung der Investoren kippt. Ähnlich war es schon in der europäischen Staatsschuldenkrise – Vertrauen in Staaten wird langsam aufgebaut und kann mit einem Schlag verloren gehen.

Wettbewerbsfähigkeit statt Schuldenpolitik

Wer das Vorbild USA ernst nimmt, muss auch die Konsequenzen laxer Schuldenregeln ernst nehmen. Für die nächsten Jahre ist in Deutschland eine ähnliche Dynamik wie in den USA wahrscheinlich. Denn schon im letzten Jahr stieg der Preis deutscher 10-jähriger Staatsanleihen aus der Negativzinsperiode auf mehr als 2,5%. Die Zinsausgaben des Bundes stiegen damit von gerade einmal vier Milliarden auf voraussichtlich 40 Milliarden Euro 2023. Der demographische Wandel verstärkt diese Effekte noch weiter. So steht auch schnell die deutsche Kreditwürdigkeit auf dem Spiel. Die scharfe deutsche Schuldenbremse hindert die Politik, diese Belastungen noch schlimmer zu machen.

Wir sind uns sicher: Die internationalen Entwicklungen werden 2024 denjenigen, die gerne am Ast eines stabilen Haushalts sägen, die Schuldensäge aus der Hand nehmen – eine Erleichterung. Stattdessen wird es dann hoffentlich wieder mehr um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland gehen. Hier kann man sich die USA nämlich wirklich als Vorbild nehmen. Der Arbeitsmarkt ist flexibler, erlaubt daher schnelle Anpassungen an eine sich rasant wandelnde Welt. Die Produktivität in den USA steigt, angetrieben durch technologischen Fortschritt und Innovation auf einem weniger eng regulierten Markt. Auch die Unternehmensbesteuerung ist in den USA deutlich geringer als in Deutschland, was die Vereinigten Staaten zu einem attraktiven Ort für Investments macht. Die ewige Debatte um das Für und Wider der Schuldenbremse sollten wir 2024 endlich hinter uns lassen. Die Wirtschaftspolitik hat Wichtigeres zu besprechen.

Dieser Artikel erschien erstmals am 28.01.2024 auf Welt.de.