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Landwirtschaft
Der schwere Weg der Landwirtschaft

Zahlreiche Traktoren stehen bei einem Bauernprotest auf der Straße des 17. Juni vor dem Brandenburger Tor.

Zahlreiche Traktoren stehen bei einem Bauernprotest auf der Straße des 17. Juni vor dem Brandenburger Tor.

© picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

Fast 100 Jahre alt - kaum eine Großveranstaltung im Berliner Frühjahr kann auf eine so lange Geschichte zurückblicken wie die Internationale Grüne Woche. Bereits 1926 kamen Land- und Forstwirte für eine Woche zusammen, um sich zu vernetzen und ihre Produkte der Berliner Bevölkerung zu präsentieren. Inzwischen hat sich der Umfang um ein Vielfaches vergrößert. Längst hat sich die Grüne Woche als eines der Top-Events der internationalen Agrar- und Ernährungswirtschaft etabliert und Produzenten und Branchenvertreter aus aller Welt strömen nach Berlin, um Teil des Spektakels zu sein - sehr zur Freude der Berliner Hotellerie, versteht sich. Tausende interessierte Verbraucherinnen und Verbraucher strömen Jahr für Jahr auf die Messe und probieren sich durch das Angebot an den verschiedenen Essens- und Getränkeständen. Kurzum: Während der Grünen Woche herrscht in Berlin meist Festtagsstimmung.

Der Bauernprotest

Nicht so in diesem Jahr. Der Start der Grünen Woche war überschattet von Protesten der Agrar- und Logistikbranche. Noch nie hatte man in Berlin so viele Traktoren gesehen - geschweige denn ein solches Hupkonzert gehört. Auslöser der Proteste war die Streichung der Steuervergünstigung für Agrardiesel und die Abschaffung des so genannten grünen Kennzeichens - einer Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge und Anhänger - im Rahmen der Sparmaßnahmen zur Sanierung der öffentlichen Haushalte. Die Kürzungen wurden nach Protesten teilweise zurückgenommen, es bleibt aber bei einer schrittweisen Absenkung der Agrardieselbeihilfe. Ein wichtiger Schritt, aber viele Landwirte befürchten nach wie vor, dass diese Maßnahmen zusammen mit anderen Belastungen ihre wirtschaftliche Existenz bedrohen.

Das eigentliche Problem

Inwieweit diese Sorge berechtigt ist, ist von außen schwer zu beurteilen. Fakt ist aber, dass die Proteste auf ein viel gravierenderes Problem hinweisen: Die Landwirtschaft in Deutschland ist extrem anfällig für Betriebskostensteigerungen - insbesondere bei den Treibstoffkosten. Hier drohen in Zukunft noch größere Probleme. Denn auch die Landwirtschaft ist von der Transformation hin zu klimafreundlicheren Produktionsweisen nicht ausgenommen. Immerhin gehen weltweit mindestens 15 Prozent der Kohlendioxid-Emissionen auf landwirtschaftliche Prozesse zurück - gleichzeitig können mit land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftungstechniken die einfachsten und effektivsten Potenziale zur Kohlenstoffspeicherung erschlossen werden. Damit ist klar: Ohne die Landwirtschaft können Klimaschutzmaßnahmen nicht erfolgreich sein. Zu diesen wichtigen Maßnahmen gehört allerdings auch die Bepreisung klimaschädlicher Emissionen. Das heißt: Wer das Klima schädigt, muss einen entsprechenden Preis zahlen. Das bedeutet aber auch, dass mit steigenden CO2-Preisen auch die Kraftstoffkosten steigen. Bei einem durchschnittlichen Dieselverbrauch von 100 bis 110 Litern pro Hektar Anbaufläche machen sich solche Mehrkosten schnell bemerkbar. Und hier liegt die Crux: Die Probleme, die die Landwirte heute auf die Straße treiben, werden sich in Zukunft zwangsläufig verschärfen. Denn: Bislang gibt es in der Land- und Forstwirtschaft keinen adäquaten Ersatz für Verbrennungsmotoren.

Teilnehmer der Demonstration der Landwirtinnen und Landwirte halten während der Kundgebung Schilder und Transparente hoch.

Teilnehmer der Demonstration der Landwirtinnen und Landwirte halten während der Kundgebung Schilder und Transparente hoch.

© picture alliance/dpa | Monika Skolimowska

Die technischen Rahmenbedingungen

Dies liegt unter anderem an der Energiedichte der bisher überwiegend eingesetzten fossilen Kraftstoffe. Für die schweren Arbeiten, die land- und forstwirtschaftliche Maschinen verrichten müssen, ist viel Energie erforderlich. Flüssige Kraftstoffe wie Benzin und Diesel sind dafür ideal - sie sind im Vergleich zu der in ihnen gespeicherten Energiemenge relativ leicht. Batterien hingegen sind zu schwer, um die benötigte Energiemenge sinnvoll mitzuführen - ganz abgesehen davon, dass die Bodenverdichtung durch die Landmaschinen durch das zusätzliche Gewicht dramatisch zunehmen würde. Kurzum: Batteriegebundene Lösungen erscheinen aus technischen Gründen bislang wenig praktikabel - ganz abgesehen von den zusätzlichen Anschaffungskosten, die ein solches Gerät mit sich bringen würde. Auch kabelgebundene Ansätze sind wenig erfolgversprechend, da die notwendige Leitungsinfrastruktur solche Einsätze auf landwirtschaftlichen Flächen bislang nicht vorsieht. Bleiben also Verbrennungsmotoren, die entweder wie bisher mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden - oder mit erneuerbaren Kraftstoffen, die entweder synthetisch aus Wasserstoff hergestellt oder aus Bioreaktoren gewonnen werden. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Studie "Nachhaltige Energieimporte 2045" der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. In einem speziellen Exkurs zur Zukunft der Land- und Forstwirtschaft kommen die Gutachter zu dem Schluss, dass biogene Kraftstoffe zwar ein Teil der Lösung sein können, dass aber ohne den breiten Einsatz von synthetischen Kraftstoffen und E-Fuels langfristig eine Defossilisierung des kleinen, aber enorm wichtigen Sektors Landwirtschaft kaum zu erreichen sein wird.

Die Auswirkungen

Vor diesem Hintergrund ist es umso dringlicher, ein breites Spektrum an langfristigen Wasserstoffpartnerschaften aufzubauen, um eine geopolitisch sichere, wirtschaftlich tragfähige und sozial wie ökologisch nachhaltige Versorgung mit Wasserstoffderivaten zu gewährleisten. Denn eines darf vor diesem Hintergrund nicht vergessen werden - die Inflationstendenz des vergangenen Jahres wurde vor allem durch zwei Parameter begünstigt:

  1. Die Verknappung von Energierohstoffen und die unsichere Marktsituation für Energieträger aller Art.
  2. die Unsicherheit über das Angebot ukrainischer Agrarprodukte auf dem Weltmarkt aufgrund der drohenden Seeblockade durch die russische Marine sowie weitere Kostentreiber im Agrarsektor.

In der Folge kam es zu den größten Kostensprüngen bei Nahrungsmitteln und Energieträgern. Sollten die Kosten für Agrarprodukte in Zukunft durch eine Verknappung klimaneutraler alternativer Energieträger oder durch steigende CO2-Preise steigen, könnte dies die Inflation noch stärker treiben als im vergangenen Jahr. Die sozialen Folgen einer solchen Entwicklung sind schwer abzuschätzen. Die Bauernproteste dieses Frühjahrs könnten dann nur ein Vorgeschmack auf eine weitere Verschärfung des Diskurses sein. Es bleibt zu hoffen, dass technologische Innovation und Erfindergeist uns der Lösung dieser Probleme näher bringen. Denn weder das Skandieren von Parolen noch das Halten von Sonntagsreden werden die Fragen, die in absehbarer Zeit auf uns zukommen werden, beantworten können. Wenn es eine Lösung gibt, können wir sicher sein, dass sie uns auf der Grünen Woche in Berlin präsentiert wird - ich freue mich darauf!