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Ungarn
Eine Schlappe für Orbáns Fidesz-Partei

Die Opposition lebt – Das zeigen die Kommunalwahlen in Ungarn
Viktor Orbán muss seine erste Niederlage verkraften.
Die ungarischen Kommunalwahlen sind die erste Niederlage für Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei. © picture alliance / NurPhoto

Bei den jüngsten Kommunalwahlen in Ungarn musste Ministerpräsident Viktor Orbán einige herbe Rückschläge hinnehmen. Nicht nur der gemeinsame Kandidat der Opposition, Gergely Karácsony, konnte sich bei den Bürgermeisterwahlen in Budapest gegen den von der Fidesz-Partei unterstützten Amtsinhaber István Tarlós durchsetzen; den Oppositionsparteien gelang es auch, Fidesz weitere wichtige Städte zu entreißenIn ländlichen Regionen gewann allerdings die rechtskonservative Partei und vergrößerte somit – wie auch in Polen – das Stadt-Land-Gefälle.

Im Interview mit freiheit.org bewertet Anikó Paróczai, neu gewähltes Mitglied im Budapester Stadtrat und diesjährige Teilnehmerin der von der Friedrich-Naumann-Stiftung unterstützten "European Women’s Academy", den Erfolg der Oppositionsparteien und erklärt, was die Kommunalwahlen für das Land bedeuten.

 

View here the English version of this interview.

 

Wie erklären Sie sich den Erfolg der Opposition bei den Kommunalwahlen?

Bei den Wahlen wurde deutlich, dass es mehr Menschen in Ungarn gibt, die Veränderungen wollen, als diejenigen, die das derzeitige System erhalten möchten. Die Kommunalwahlen waren ein weiterer Beweis dafür, dass die Wähler, wenn sie eine Chance auf Veränderung sehen, ihre Stimmen für diejenigen Parteien abgeben, die diese Veränderung am besten repräsentieren.

Abgesehen davon scheint auch die Strategie aufgegangen zu sein, dass die Oppositionsparteien durch die Bündelung ihrer Kräfte ihre Chancen auf Wahlerfolge erhöhen können. Das Erfolgsrezept bestand dieses Mal darin, dass sich alle wichtigen Oppositionsparteien zusammengeschlossen haben und gemeinsame Kandidaten auf Bürgermeister- und Stadtratsebene aufgestellt haben.

Ist der Sieg der Opposition ein Signal für das ganze Land? Was bedeutet dieser Erfolg für die Parlamentswahlen im Jahr 2022?

Es bleibt noch viel zu tun, und wir als Opposition müssen in viel mehr Orten im Land präsent sein. Das wird natürlich eine Herausforderung sein, aber ich glaube, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Darüber hinaus war dieser Sieg der Oppositionsparteien für all jene Wähler wichtig, die an die Werte und Grundlagen der Demokratie glauben. Die Ergebnisse geben uns die Hoffnung zurück, dass Wandel möglich ist und kommen wird, und dass das Regime von Viktor Orbán tatsächlich besiegt werden kann.

[Anmerkung der Redaktion: Die Kommunalwahl vom vergangenen Wochenende war die erste große Niederlage für die regierende Fidesz-Partei seit 2006.]

Inwieweit schafft Fidesz auch autoritäre Strukturen auf lokaler Ebene und wie wird die Opposition diesen entgegenwirken? Was sind die dringlichsten Themen für Budapest in den nächsten Jahren?

Viktor Orbáns Fidesz Partei sieht sich jetzt in die Ecke gedrängt. Sie wissen, dass, wenn sie die finanziellen und legislativen Befugnisse der Kommunen weiterhin untergraben, dies möglicherweise zu mehr Wählerstimmen für die Opposition führen wird.

Gleichzeitig wissen wir als Opposition, dass es nicht leicht sein wird, in der gegenwärtigen politischen Situation zu arbeiten. Nichtsdestotrotz haben wir den Willen und die Leidenschaft, zu echten „Changemaker“ in unserem Land zu werden. 

Über Anikó Paróczai

Anikó Paróczai ist International Officer von der liberalen Partei Momentum und neu gewähltes Mitglied des Gemeinderats im 19. Bezirk Budapest. Bevor sie in die Politik ging, war Anikó Bürgerrechtlerin und kämpfte für gleichberechtigten Zugang zu Bildung sowie für die Rechte der Jugend. An der Bundestagswahl 2017 nahm sie als internationale Wahlbeobachterin teil und leitete 2017 die Europäische Bürgerinitiative "More Education!" in Ungarn.

Anikó Paróczai ist neugewähltes Mitglied der Opposition im Budapester Stadtrat.
Anikó Paróczai ist neugewähltes Mitglied der Opposition im Budapester Stadtrat.