Frauen-Empowerment in Indien
Zusammen mit ihrer Partnerorganisation Action Research in Community Health and Development (ARCH) unterstützt die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit weibliche, marginalisierte Landwirte in Indien, ihre Lebensumstände durch eine IT-basierte Sicherung ihrer Eigentums- und Landrechte zu verbessern.
Die in ländlichen und bewaldeten Gebieten lebenden Bevölkerungsteile Indiens haben historisch Erfahrungen mit Diskriminierung erlitten, in deren Rahmen ihnen insbesondere ihr traditionelles Recht auf Eigentum und eine adäquate Lebensgrundlage verweigert wurde. Koloniale und postkoloniale Regierungspolitik sorgten dafür, dass sie auf ihrem eigenen Land, das bereits ihren Vorvätern gehört hatte, als Eindringlinge wahrgenommen wurden. Diese Menschen sind aus diesem Grund seit langer Zeit von extremer Armut betroffen, leben in infrastrukturell stark unterentwickelten Gegenden und haben kaum Zugang zur Gesundheitsversorgung.
Im Jahr 2006 wurde durch den ‚Recognition of Forest Rights Act‘ (FRA) zum ersten Mal eine Grundlage für die individuelle und kollektive Geltendmachung von lokalen Rechten an Land-, Wasser- und Forstwirtschaftsprodukten geschaffen. Die in diesen Gegenden lebende Bevölkerung war bis dato stets davon bedroht, dass ihre Dörfer und Höfe von Forstbehörden abgerissen wurden. Das Gesetz sollte diese Ungerechtigkeit beenden. In der Praxis konnte das Gesetz allerdings kaum umgesetzt werden. In den meisten Gebieten gab es keine richtigen Landkarten oder Landaufzeichnungen. Die kaum alphabetisierten Dorfbewohner sollten lange Formulare ausfüllen und komplexe Rechtsansprüche geltend machen. Die Forstbehörden wiesen die wenigen Anträge, die überhaupt gestellt wurden, regelmäßig ab.
Schulungen für erfolgreiche Anerkennungsverfahren
Um diesem Problem entgegenzuwirken, unterstützt die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit seit 2015 eine Initiative von Ambrish & Trupti Mehta von der Organisation ‚Action Research in Community Health and Development‘ (ARCH), die die Ansprüche dieser Menschen dokumentiert und ihnen dabei hilft, sie individuell und kollektiv bei den zuständigen Behörden geltend zu machen. Dabei werden sie zunächst darin geschult, Karten und Satellitenbilder zu nutzen und die Umgrenzungen ihres beanspruchten Landes per GPS Daten genau auszuweisen. Die so erhobenen Daten helfen den Menschen und ihren Gemeinden ihre Landrechte und Titel juristisch geltend zu machen.
Das Land wird dabei zuerst mit Hilfe eines GPS-Geräts abgebildet. Das kartographierte Land wird dann mit Satellitenaufnahmen von 2005 aus Google Earth verglichen, woraus zu erkennen ist, ob das Land zu diesem Zeitpunkt bereits kultiviert wurde. Wenn dies für das kartographierte Gebiet zu erkennen ist, untermauert dies den erhobenen Anspruch gegenüber den Behörden. Die Landrechtstitel werden dabei nicht nur auf den Namen des Ehemannes, sondern immer auch auf den Namen der Ehefrau ausgestellt. Dieses Verfahren trägt dazu bei, die Stellung der Frau innerhalt der Familie und der Gesellschaft zu stärken.
Ungefähr 183.000 marginalisierte Landwirte haben auf der Grundlage des FRA seit 2006 Ansprüche geltend gemacht. 15.300 Anspruchsverfahren wurden offiziell registriert und durchgeführt. Das durch die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit geförderte Programm unterstützt gegenwärtig ca. 200 Landwirte in Gujarat.
Wie die Anerkennung Somibens Alltag veränderte
Bei einem Besuch im Dorf Sankli in Gujarat konnte die Stiftung einen Einblick gewinnen, wie vor allem Frauen von der Anerkennung der Land- und Forstrechte profitiert haben.
Im Interview mit freiheit.org berichtet Somiben Gambhirbhai Vasava (38 Jahre) von ihrem Fall. Somiben hat drei Kinder und ist verwitwet. Ihre älteste Tochter hat die 10. Klasse absolviert und die beiden jüngeren Söhne gehen auf höhere Sekundarschulen. Sie erhielt vor kurzem einen Landtitel über 0,49 Hektar. Somiben ist sehr stolz und glücklich, dass sie nach langem Kampf zuletzt den Landtitel bekommen hat, der vor allem auch auf ihren Namen eingetragen ist.
Somiben, wie konnten Sie Ihr Land registrieren?
Um das Land zu registrieren, müssen wir einen entsprechenden Antrag beim Forest Rights Committee (FRC) einreichen. Das FRC führt dann die Überprüfung der Ländereien in Anwesenheit der Forstbehörde durch, führt Befragungen von Dorfältesten und benachbarten Landwirten durch und legt einen Überprüfungsbericht vor. Diese Ergebnisse stellt das FRC dann bezüglich jedes Anspruchs in der Gramsabha (Dorfversammlung) vor. Die Gramsabha fällt dann jeweils Beschlüsse zur Annahme oder Ablehnung der Anträge und leitet diese an das Sub-Divisional Level Committee (SDLC) weiter, das aus Vertretern der Forst-, Ertrags- und Stammesentwicklungsabteilungen besteht. Anschließend registriert die Gramsabha die einzelnen Rechte und Titel und leitet dies zur endgültigen Genehmigung an den zuständigen District Level Committee (DLC) weiter, dem der District Magistrate vorsteht. Mit der Genehmigung des Gemeindeausschusses werden die Rechte und Titel offiziell im Ertragsverzeichnis des Dorfes eingetragen.
Welche Herausforderungen gab es bei der Registrierung Ihres Grundstücks?
In unserem Fall hat die Gramsabha bereits im Jahr 2009 die Anerkennung unserer Anträge empfohlen. Das SDLC, basierend auf Empfehlungen der Forstabteilung, genehmigte daraufhin aber nur wenige Anträge (20%) aus unserem Dorf und wies die restlichen 80%, einschließlich meines Antrages, ab. Wir alle legten Einspruch beim DLC gegen die Ablehnung unserer Anträge ein, aber diese wurden zurückgewiesen. Das ARCH legte hiergegen schließlich im Jahr eine Sammelklage aus öffentlichem Interesse am Gujarat High Court ein. 2013 entschied das Gericht dann zu unseren Gunsten und wies die Behörden an, unsere Anträge neu zu bescheiden. Gleichzeitig hatte das ARCH begonnen, Mitglieder der Forstbehörde in der Erstellung und Nutzung von GPS-Daten und Sattelitenbildern zu schulen. Im Rahmen der erneuten Landvermessung durch die Behörden konnten wir dann diese Daten und Satellitenbilder nutzen, um unsere Ansprüche zu präzisieren und so zu untermauern. Auf diese Weise konnten ich und andere Antragssteller aus unserem Dorf letztlich die offizielle Registrierung unserer Landrechtstitel erwirken. Anfangs hatte ich dabei das Gefühl, mir wäre zu wenig Land zugesprochen worden. Aber als ich dann die erhobenen Daten und Satellitenbilder von 2005 untersuchte, stellte ich fest, dass hier doch eine Übereinstimmung mit dem von uns bereits zu dieser Zeit bewirteten Land vorlag.
Was hat sich für Sie verändert?
Mit dem Erwerb des Titels habe ich mir Würde und Selbstvertrauen verdient. Ich habe Bodenverbesserungsmaßnahmen durchgeführt und eine Bewässerungsanlage mit meinen Nachbarn in der Nähe installiert. Meine Nachbarn und ich haben gemeinsam einen Brunnen gegraben, um die Wasserversorgung zu sichern. Jetzt kann ich auch Kredite und andere Finanzierungen von der Bank aufnehmen, da ich Land in meinem Namen besitze, das als Sicherheit dient. Ich werde jetzt auch mit mehr Respekt behandelt, wenn ich offizielle Termine bei Behörden wahrnehme. Manchmal bieten sie mir sogar Wasser oder etwas anderes zu trinken an.
Nupur Hasija ist Programme Manager bei der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Neu Delhi.