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Kurz wird Kanzler

NEOS zum zweiten Mal im Nationalrat

Kurz wird Kanzler, FPÖ und SPÖ beinahe gleichauf, den liberalen NEOS gelingt zum zweiten Mal der Einzug in den Nationalrat, die Grünen sind wohl raus - so die Kurzfassung dessen, was sich am Wahlsonntag im Nachbarland Österreich abspielte. Ob die ungeliebte Große Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten eine Neuauflage bekommt oder ob Österreichs neuer Kanzler die rechtspopulistische FPÖ mit ins Regierungs-Boot holt, bleibt abzuwarten.

So oder so, für die ÖVP gab es am Wahlabend kein Halten mehr: zum ersten Mal seit mehr als 14 Jahren ist sie wieder stärkste Kraft in Österreich und wird mit Sebastian Kurz aller Voraussicht nach den Kanzler stellen. Mit auf ihn zugeschnittenen neuen Befugnissen und neuem Namen hatte Kurz die Partei erst im Sommer übernommen und diese für den alles entscheidenden Wahlkampf aufgemöbelt. Josef Lentsch, Direktor der liberalen Denkfabrik NEOS Lab nannte Kurz‘ Vorgehen damals das „Aufbrechen von verkrusteten Strukturen mit der Brechstange“. Und tatsächlich scheint der Erfolg Kurz recht zu geben, denn die Partei gewann über 7 Prozentpunkte und holte 31,6 Prozent der Stimmen. Dass sich Kurz gerade in Sachen Migration und Sicherheit am Repertoire der Rechtspopulisten bediente, hat der Partei nicht geschadet. Im Gegenteil konnte sie sogar beachtliche Stimmen von der FPÖ und dem diesmal nicht mehr angetretenen Team Stronach erbeuten. Die Wählerschaft der ÖVP ist also nach rechts gerückt.

Rechtspopulisten feiern, Sozialdemokraten müssen Kanzleramt räumen  

Der FPÖ hat das jedoch nicht geschadet, konnte sie doch dafür Stimmen von der SPÖ, Team Stronach und dem ebenfalls nicht mehr angetretenen rechten BZÖ abjagen. Das gute Abschneiden der Freiheitlichen Partei kam kaum überraschend und doch lief einem um kurz nach 17:00 Uhr, als die ersten Hochrechnungen über den Bildschirm flackerten, ein Schauer über den Rücken. Die FPÖ hingegen feierte, denn zeitweise sah es sogar so aus als würde die Partei sogar zweitstärkste Kraft in Österreich. In den letzten Hochrechnungen des Abends konnten die Sozialdemokraten die Freiheitlichen allerdings doch noch knapp überholen und pendelten sich bei 26,9 Prozent ein – die FPÖ bei 26 Prozent.

Somit ist den Sozialdemokraten ein besseres Ergebnis gelungen, als nach dem Kampagnenschlamassel um "Dirty Campaigning" und der SPÖ-Müdigkeit im Land zu erwarten war. Im Vergleich zum Jahr 2013 verliert die SPÖ kaum an Stimmen. Am Ende konnte die Furcht vor einer blau-schwarzen Koalition vielleicht doch noch hier und da Wähler mobilisieren.

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NEOS zum zweiten Mal im Nationalrat

Die NEOS ziehen mit gut 5 Prozent zum zweiten Mal seit ihrer Gründung 2012 in den Nationalrat ein und sind damit auf gutem Wege, eine feste Kraft in der österreichischen Politik zu werden. Auch wenn manch einer sich vielleicht ein, zwei Prozentpunkte mehr erhofft hatte, so ist das Ergebnis in Zeiten drei polarisierender Kandidaten und Parteien mehr als beachtlich. Parteichef Matthias Strolz schrieb über den Nachrichtendienst Twitter, man werde mit Leidenschaft und Entschlossenheit die führende Rolle in der proeuropäischen Opposition übernehmen und unterstrich seine Aussage mit dem Hashtag #InBeziehungMitEuropa.

Grüne fliegen nach Spaltung aus dem Parlament

Die großen Verlierer dieser Wahl sind die Grünen. Die Umwelt-Partei liegt derzeit mit 3,9 Prozent knapp unter der in Österreich geltenden 4%-Hürde und stürzt damit vom Rekordergebnis 2013 von über 12 Prozent wahrscheinlich in die außerparlamentarische Opposition ab. Die Wahlliste Pilz, die sich von den Grünen abgespalten und Parteigrande Peter Pilz zum Mittelpunkt gemacht hatte, konnte den Grünen vor allem in der Hauptstadt Wien die Stimmen abjagen und zieht an ihrer statt in den Nationalrat ein. Noch sind in Österreich nicht alle Stimmen ausgezählt und Verschiebungen möglich. Die Grünen zittern also weiter.

Gespräche der Parteien beginnen

Am Donnerstag soll das amtliche Endergebnis feststehen. Die aktuelle Regierung wird binnen Wochenfrist zurücktreten und die Geschäfte kommissarisch weiterführen. Derweil sollen die Gespräche zwischen den Parteien anlaufen. Eine blau-schwarze Regierung mit FPÖ und ÖVP kommt dabei genauso in Frage wie eine Neuauflage der Großen Koalition (ÖVP und SPÖ). Sogar ein Bündnis aus Sozialdemokraten und Freiheitlich wäre rechnerisch möglich. Doch Sebastian Kurz und seine ÖVP sind angetreten, einen „neuen Weg für Österreich“ zu finden. Dass die Partei am Ende doch wieder in der ungeliebten klassischen Großen Koalition regiert, ist weniger wahrscheinlich. Österreichs Präsident Alexander van der Bellen mahnte jedenfalls bereits, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass er einzelne Ministerkandidaten ablehnen könnte. Österreich stellt sich also auf den Politikwechsel ein.

Caroline Haury ist European Affairs Managerin im Regionalbüro Brüssel der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.