EN

Start der NAFTA-Neuverhandlungen

Sowohl die USA als auch Mexiko wünschen sich eine Modernisierung des NAFTA-Abkommens
Die Neuverhandlungen des NAFTA-Abkommens zwischen Kanada, den USA und Mexiko stehen kurz bevor.

Die Neuverhandlungen des NAFTA-Abkommens zwischen Kanada, den USA und Mexiko stehen kurz bevor.

© iStock/ Darwel

Nachdem US-Präsident Donald Trump bereits in seinem Wahlkampf medienwirksam eine neue, „gerechte“ Anpassung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA mit Mexiko und Kanada gefordert hatte, ist es nun soweit: Die erste Verhandlungsrunde zur Aktualisierung des 1994 abgeschlossenen NAFTA-Abkommens wird vom 16.-20. August in Washington durchgeführt. Die zweite Runde der Gespräche ist für den 10.-14. September in Mexico City geplant.

Als das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA 1993 unterzeichnet wurde, gab es in Mexiko viele Kritiker dieses Abkommens. Schließlich war es das erste Abkommen dieser Art zwischen entwickelten Industrieländern, wie den USA und Kanada, und einem Entwicklungsland. Durch die großen Unterschiede im Entwicklungsstand zwischen den Vertragspartnern befürchteten viele Mexikaner damals Nachteile für ihr Land. Das Gegenteil war der Fall: Mexiko ist dank des Freihandels mit den USA und Kanada von einem armen, Erdöl exportierenden Entwicklungsland zu einem OECD- und G20-Mitglied aufgestiegen, das nun ein weltweit wichtiger Industriestandort für mittlere Technologien wie der Automobil- und Flugzeugindustrie geworden ist. Über 80 Prozent der mexikanischen Exporte gehen heute in die USA. Es scheint fast Ironie des Schicksals zu sein, dass jetzt - 23 Jahre später - ein US-Präsident eine Neuverhandlung des Abkommens fordert, weil er der Ansicht ist, dass die USA den schlechteren Deal mit Mexiko und Kanada gemacht hätten. Dass das NAFTA-Abkommen ein Update braucht, ist dabei unbestritten. 1993 war die Weltwirtschaft noch eine andere, viele neue Entwicklungen, wie etwa den Internet-Handel, gab es noch gar nicht. Auch war das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA eben auch nur das: ein Freihandelsabkommen, das den Austausch von jeweils im anderen Land gefertigten Produkten vorsah. Das entspricht heute nicht mehr der unternehmerischen Realität. In Nordamerika ist eine integrierte Wirtschaftsplattform entstanden, die dazu geführt hat, dass z.B. in der Automobilindustrie ein Fahrzeug in seinen verschiedenen Produktionsstufen durchschnittlich acht Mal die Grenzen überschreitet, bevor das fertige Auto vom Band rollt.

USA vs. Mexiko

Auch die Mexikaner sind deshalb schon länger an einer Modernisierung des NAFTA-Abkommens interessiert. Auf ihrer Wunschliste standen allerdings Investitionsfragen und eine Liberalisierung der Migration – letzteres das diametrale Gegenteil der Regierungspolitik von Donald Trump. Die rüde Rhetorik des frisch gewählten US-Präsidenten gegenüber dem südlichen Nachbarn beunruhigte deshalb zunächst sehr in Mexiko. Die starke wirtschaftliche Abhängigkeit vom US-Markt ist kurzfristig nicht auszugleichen. Nach dem ersten Schock über die aggressiven Worte aus dem Norden besann sich die mexikanische Regierung darauf, dass man trotz der starken Abhängigkeit von den USA auch Verhandlungsmasse hat. Neben des wichtigen wirtschaftlichen Beitrags, den mexikanische Produkte zur Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Produkte auf dem Weltmarkt leisten, ist dies vor allem auch der Beitrag, den Mexiko in Fragen der regionalen Sicherheitspolitik für die USA im Rahmen der sogenannten Mérida-Initiative leistet.

So haben die Verhandlungspartner im Frühjahr zunächst in 90-tägigen Konsultationsprozessen ihre Verhandlungspositionen im Dialog mit betroffenen einheimischen Interessensgruppen festgelegt. Dieser Prozess machte deutlich, dass Mexiko in den Verhandlungen keine schlechten Karten haben wird. Denn die Verantwortlichen im Wirtschafts- und Außenministerium können auf den Sachverstand der besten Ökonomen des Landes zurückgreifen, darunter auch Fachleute wie Luis de la Calle, der als Staatssekretär im Finanzministerium 1993 an der Aushandlung von NAFTA maßgeblich mitbeteiligt war. Der jetzige mexikanische Verhandlungsführer Kenneth Smith Ramos ist derzeit Leiter des Handels- und NAFTA-Büros des mexikanischen Wirtschaftsministeriums in Washington und begann seine berufliche Laufbahn als Mitarbeiter im mexikanischen NAFTA-Verhandlungsteam 1993.

Die nationale Herausforderung

In politischen und wirtschaftlichen Kreisen in Mexiko wird die Neuverhandlung von NAFTA über alle internen Differenzen hinweg als gemeinsame nationale Herausforderung gesehen. Auf eine ähnliche geballte Kraft an institutionellem Fachwissen und allgemeiner Unterstützung kann die aktuelle US-Regierung wohl nicht zurückgreifen. Gut informierte mexikanische Diplomaten berichteten, dass die Fachleute des US-amerikanischen Verhandlungsteams immer wieder damit konfrontiert wurden, dass ihre im internen Fachdialog erarbeiteten Positionen durch unerwartete Äußerungen von Donald Trump aktualisiert werden mussten.

Donald Trump hat noch Klärungsbedarf.
Donald Trump hat noch Klärungsbedarf. © CC BY 2.0 Flickr.com/ Michael Vadon

Trotzdem liefen die ersten Konsultationen zur Festlegung der Verhandlungspositionen generell fachlich professionell und konstruktiv ab. Manuel Molano, stellv. Geschäftsführer des Stiftungspartners IMCO (Mexikanisches Wettbewerbsinstitut), war z.B. als Experte zu einem Hearing nach Washington eingeladen worden und äußerte sich sehr positiv über die offene fachliche Atmosphäre der Anhörung. Die politische Polemik scheint also einer sachlichen und konstruktiven Verhandlungsatmosphäre Platz gemacht zu haben.

Dies ist allen Beteiligten an dem Verhandlungsprozess nur zu wünschen. Schließlich geht es um ein Abkommen, das sich auf rund 492 Mio. Menschen in Nordamerika auswirken wird, einen Markt, der 25 Prozent des Welt-BIP erwirtschaftet und direkte Auswirkungen auf 14 Mio. Arbeitsplätze hat. Einer Umfrage des Pew Research Centers nach sprechen sich 74 Prozent der Kanadier und 60 Prozent der Mexikaner für NAFTA aus, aber nur 51 Prozent der US-Amerikaner. Es ist insofern nicht verwunderlich, dass die Initiative zur Neuverhandlung von US-amerikanischer Seite ausging. Dort liegt auch der größte Veränderungswunsch, aber auf der US-Regierung lastet damit auch der größte innenpolitische Druck, substantielle Veränderungen zu erzielen.

Uneinigkeit bei der Zielerreichung

Die Priorität der US-amerikanischen Verhandlungsposition liegt auf der Verringerung des Handelsdefizites der USA mit Kanada und Mexiko und einem einfacheren Zugang für US-amerikanische Produkte zu den mexikanischen und kanadischen Märkten. Die mexikanische Verhandlungsposition zielt darauf ab, Mexikos Wettbewerbsposition auf den globalen Märkten zu verbessern. Deshalb ist es das erklärte Ziel Mexikos, den zollfreien Freihandel in Nordamerika zu erhalten, die Wettbewerbsfähigkeit und Produktionsketten in der Region zu stärken und mexikanische Exporte in die anderen NAFTA-Länder zu steigern, gleichzeitig aber Schlüsselindustrien wie den Automobilsektor und die Zuckerindustrie zu schützen. Außerdem sollen moderne strategische Industrien wie der Kommunikations- und Energiesektor und der digitale Handel in das Abkommen mit aufgenommen werden. Ein weiteres wichtiges Ziel, das Mexiko und Kanada gemeinsam vertreten, ist die Beibehaltung von Kapitel 19 des NAFTA-Abkommens, d.h. die Vereinbarung über gesonderte Mechanismen zur Schlichtung von Handelsstreitigkeiten. Die USA möchten dieses Kapitel ganz streichen, um bei Streitigkeiten direkt gemäß nationaler Gesetzgebung unilateral Sanktionen verhängen zu können. Das ist für Mexiko und Kanada so nicht akzeptabel.

In Mexiko erwartet man nun harte, aber konstruktive Verhandlungen. Generell herrscht die Meinung, dass „es dann doch nicht so schlimm gekommen sei, wie man zunächst erwartet habe“. Im Gegenteil, wichtige Akteure der mexikanischen Zivilgesellschaft wie die Vorsitzende des Stiftungspartners México Evalua, Edna Jaime, begrüßen sogar bestimmte US-Vorschläge für die Verhandlungen: So beinhalten die US-amerikanischen Verhandlungsvorschläge auch Klauseln zum Thema Transparenz, Korruptionsbekämpfung und Compliance für Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben möchten. Für das korruptionsgeplagte Mexiko wäre es ein wichtiger Schritt, wenn die allgegenwärtige Korruption durch gemeinsame regionale Regelungen bekämpft werden könnte.

Allerdings bleibt dem Verhandlungsteam für ein konstruktives Ergebnis wenig Zeit. Denn 2018 finden in den USA Mid-term elections statt, in Mexiko Präsidentschaftswahlen. Es ist also ein zeitlich enges, politisch sehr kompliziertes Zeitfenster, das den Verhandlungsführern bleibt, um ein für alle tragbares Ergebnis zu erzielen.

Birgit Lamm ist Regionalbüroleitern Lateinamerika der Stiftung für die Freiheit.