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Tunesien nach dem Referendum: Klares Votum für eine unklare Zukunft

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Tunesische Beamte verkünden die Ergebnisse des Referendums über eine neue Verfassung in Tunis am 26. Juli 2022

© picture alliance / Kyodo | -

Am 25. Juli 2022 stimmte Tunesien über den vom Präsidenten Kais Saied vor vier Wochen quasi im Alleingang vorgelegten Entwurf einer neuen Verfassung ab. Mit einer Wahlbeteiligung von nur knapp über 30 % stimmte laut vorläufigem Wahlergebnissen eine deutliche Mehrheit von 94,6 % für den Entwurf, 5,4 % der Wähler lehnten ihn ab.

Geringe Wahlbeteiligung trotz drohendem Roll-Back der Demokratie

Die neue Verfassung, die unmittelbar mit Verkündung des amtlichen Wahlergebnisses in Kraft tritt, sieht im Vergleich zur demokratischen Verfassung von 2014 eine umfassende Ausdehnung der präsidialen Befugnisse und erhebliche Beschränkung der Rechte des Parlaments vor. Den weniger als 30% der Wahlberechtigten, die für den Entwurf stimmten, steht eine Mehrheit von desillusionierten oder desinteressierten Bürgern gegenüber, die das Referendum entweder aus Protest boykottierten oder nicht teilnahmen, weil sie sich davon keine Veränderung versprachen. Besonders unter politisch und gesellschaftlich engagierten Akteuren wächst die Angst vor einer erneuten Autokratie, die die seit der tunesischen Revolution ab dem Jahr 2010 errungenen demokratischen Erfolge rückgängig macht. Erste Akteure erheben zudem Zweifel an den von der Wahlbehörde ISIE veröffentlichten Zahlen.

Neue Verfassung steht auf tönernen Füssen

Die Teilnahme von nicht einmal einem Drittel der Bevölkerung ist ein schwaches Fundament für das neue politische System. Die grundlegenden Konflikte und Herausforderungen des Landes bleiben ungelöst, allen voran die desolate Lage von Wirtschaft und Staatsfinanzen. Der plebiszitäre Charakter des Referendums, bei dem viele vornehmlich ihre Haltung zum Präsidenten als Person bzw. ihre Ablehnung vorheriger Regierungen zum Ausdruck brachten, lässt sich kein Mandat für die zukünftige Gestaltung des Landes ableiten.

Nicht ohne Grund kann dem neuen Verfassungstext im Hinblick auf die großen, polarisierenden Strukturkonflikte des Landes in Wirtschaft und Gesellschaft keine Richtung entnommen werden. Mit dem nunmehr auf ihn persönlich zugeschnittenen Staatssystem und der Entmachtung von Parlament und Justiz kann sich der Präsident als letzte Instanz in diesen wichtigen Entscheidungen positionieren. Das Vorzimmer der Macht wird sich rasch füllen mit den Supplikanten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, die das Ohr des Präsidenten suchen, um ihren Interessen Geltung zu verschaffen.

Wirtschaftliche Lage entscheidend für Zukunft Tunesiens

Währenddessen rauscht das Land auf einen Staatsbankrott zu. Der Präsident wird voraussichtlich harte und schmerzhafte Einschnitte auch und gerade von den Menschen verlangen müssen, die ihn gewählt und in seinem Referendum unterstützt haben. Verliert er dabei seine Anhängerschaft kann das neue System ebenso schnell wie es etabliert wurde von der Bevölkerung wieder infrage gestellt werden. Ob der Präsident dann seine Macht notfalls mit Gewalt und auch gegen die, die ihn gewählt haben, durchsetzen wird oder das neue System die Spannungen nicht übersteht und eine noch ungewissere Zukunft anbricht, wird sich voraussichtlich schon bald zeigen.