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Wirtschaft
Unsere Währung, Euer Problem? Die Stärke des U.S. Dollars

Börse
© picture alliance / All Canada Photos | Victor Korchenko

Regelmäßig stellen Experten in Wirtschaftskrisen die Dominanz und die Stärke des Dollars infrage. Zuletzt haben die globale Finanzkrise 2007 oder aktuell das Sanktionsregime gegen Russland Zweifel an der Vormachtstellung des Dollars aufkommen lassen, weil mehr Länder auf alternative Währungen und Finanzsysteme ausweichen könnten. Der bekannte Ökonom Kenneth Rogoff hat im Oktober in einer Kolumne im Handelsblatt prominent gefragt, ob dem Dollar ein Absturz bevorstehe. Tatsächlich scheint das Gegenteil realistischer. In den meisten Krisen der vergangenen Jahrzehnte haben der Dollar und die US-Notenbank Federal Reserve die eigene Bedeutung in der Weltwirtschaft sogar noch gestärkt. Das zeigen etwa die aktuellen Wechselkurse. Von wenigen Ausnahmen abgesehen hat der Dollar gegenüber allen Währungen aufgewertet und ist auf dem höchsten Stand seit 2000. Gegenüber dem japanischen hat er 20 Prozent aufgewertet und erreichte Mitte des Jahres sogar Parität mit dem Euro und fast auch mit dem britischen Pfund. Der Grund dafür sind zum einen die hohe Nachfrage nach Dollar Liquidität in Krisenzeiten, zum anderen sind die USA Rohstoffexporteur und gefragt als sicherer Hafen in Zeiten geopolitischer Konflikte. Der Dollar ist weiterhin die wichtigste Reservewährung.

Paradoxerweise sorgt außerdem die inländische Schwäche des Dollars, also die hohe Inflation in den USA, für eine zusätzliche Stärkung des Greenbacks. Die hohe Teuerungsrate zwingt die Federal Reserve zu drastischen Zinserhöhungen. Allein seit März sind die Leitzinsen um 3,75 Prozentpunkte gestiegen. Hohe Zinsen machen die Währung selbst und Investitionen in den Dollar wesentlich attraktiver. So wird die Kapitalflucht gleich doppelt angetrieben. Einerseits suchen Investoren in Kriegs- und Krisenzeiten nach einem sicheren Hafen, den bietet die größte Volkswirtschaft der Welt mit ihrer globalen Reservewährung. Andererseits versprechen hohe Zinsen eine bessere Rendite. Die hohe Inflation in den USA spielt für ausländische Investoren nur eine nachgeordnete Rolle, weil der Dollar gegenüber der eigenen Währung im Wert gestiegen ist.

Eine Verschärfung der Schuldenproblematik

Die Weltwirtschaft hat derzeit mehr mit der Stärke des Dollars zu kämpfen als mit seinem möglichen Bedeutungsverlust. Doch ein starker Dollar stellt viele Teile der Welt vor enorme Herausforderungen. Knapp die Hälfte des weltweiten Handels wird in Dollar abgewickelt. Ein teurer Dollar hat daher negative Auswirkungen für Handelsströme. Eine Aufwertung des Dollars erhöht zudem automatisch die Schulden für Staaten, Privatunternehmen und Banken, die sich in Dollar verschuldet haben, aber Einnahmen in einer anderen Währung generieren. Da die Schulden infolge eines weniger vorteilhaften Wechselkurses dabei relativ zu den Einnahmen steigen, wird es schwieriger, Kredite zurückzuzahlen. Außerdem sind viele Rohstoffe in Dollar denominiert und sind so teuer für Unternehmen, die keine Einnahmen in Dollar generieren. Für viele Entwicklungs- und Schwellenländer steht dabei der Schaden durch relativ höhere Schulden und Rohstoffpreise einem Vorteil für die heimische Exportindustrie gegenüber, dieser reicht allerdings selten aus, um die Nachteile auszugleichen. Lediglich rohstoffreiche Länder sind meistens nicht vom starken Dollar betroffen, weil der Wechselkurs ihrer Währungen stabil bleibt. Trotz des Aufwertungsdrucks und hoher US-Zinsen sind vor allem größere Schwellenmärkte bisher in der Lage standzuhalten. Viele Zentralbanken setzen auf den Verkauf von Devisenreserven, um die eigene Währung gegenüber dem Dollar zu stabilisieren. Die sind aber endlich. Die Experten des IWF warnen vor einem zu schnellen Einsatz von Devisenreserven, wenn überhaupt, sollten sie nur begrenzt – und wenn die Finanzstabilität akut bedroht ist –, eingesetzt werden. Noch schlechter ergeht es aber kleineren, hoch verschuldeten Volkswirtschaften, in denen Schulden infolge der Wechselkursentwicklung weiter steigen. Allerdings spielt hier längst nicht mehr nur der US-Dollar eine Rolle. China ist mittlerweile der größte öffentliche Kreditgeber im globalen Süden und hat mit Intransparenz und mangelndem Entgegenkommen die Schuldenkrise verschärft oder, wie in Sri Lanka geschehen, ausgenutzt.

Europa muss nachziehen

Doch nicht nur im globalen Süden sind die Folgen des starken Dollars zu spüren. Durch dessen hohen Außenwert werden Exporte aus den USA teurer. Das belastet den Produktionsstandort Amerika und treibt die Preise in Ländern an, die auf amerikanische Produkte angewiesen sind. Zudem erhöht es den Druck auf Zentralbanken, weltweit ihre Geldpolitik anzupassen. Zwar ist der Wechselkurs weniger eine Euro-Schwäche als eine Dollar-Stärke. Dennoch gefährdet ein allzu zögerliches Vorgehen der Europäischen Zentralbank nicht nur die Preisstabilität im Euroraum, sondern auch den Außenwert des Euros. Ähnliches gilt für das kriselnde Pfund, hier ist die Bank of England sogar noch später eingeschritten, als die EZB. In den Krisen des vergangenen Jahrzehnts – globalen Finanz-, Euro- und Corona-Krise – ist die Federal Reserve als Treiber einer globalen Antwort auf Finanzkrisen aufgetreten. Angetrieben von den USA haben die wichtigsten Zentralbanken der Welt ihre Arbeit koordiniert, gegenseitig Liquidität über sogenannte Swap-Lines zur Verfügung gestellt oder gemeinsam Zinsschritte verkündet. In der aktuellen Situation hat entsprechend ihres Mandates für die US-Notenbank aber aktuell die Bekämpfung der Inflation im Inland Priorität. Fed-Chef Jerome Powell hat angekündigt, solange weiter Zinsen zu erhöhen, „bis der Job erledigt ist". Die erste Bedingung für eine Abschwächung des Dollars ist daher die Eindämmung der Inflation in den USA. Denn nur dann wird die Federal Reserve aufhören, Zinsen zu erhöhen. Die neusten Inflationsdaten aus den USA machen hier bereits Hoffnung.

Globale Koordinierung fehlt

International hat es eine vergleichbare Lage bereits Anfang der 1980er-Jahre gegeben. Damals hat ebenfalls die Bekämpfung der hohen Inflation in den USA unter dem legendären US-Notenbankchef Paul Volcker zu einer massiven Aufwertung des Dollars geführt. Der Dollar hat innerhalb von nur fünf Jahren 50 Prozent an Wert gegenüber den Währungen von Deutschland, Japan, Frankreich und Großbritannien gewonnen. Um die negativen Folgen für die Weltwirtschaft zu begrenzen, haben sich die G5-Staaten (Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Japan, USA und Großbritannien), einem Vorgänger der G7, im Plaza Abkommen 1985 darauf verständigt, mit einer kontrollierten Intervention auf den Währungsmärkten für eine Abwertung des Dollars zu sorgen. Das Abkommen war erfolgreich. Der Dollar hat innerhalb kürzester Zeit abgewertet, die Wechselkurse haben sich stabilisiert und amerikanische Exporte waren wieder wettbewerbsfähig. Bislang scheint der Wunsch nach einem solchen Vorgehen allerdings noch gering. Bei der IWF-Jahrestagung im Oktober hat US-Finanzminister eine Intervention in die Währungsmärkte abgelehnt und auch beim Internationalen Währungsfonds rät man der Federal Reserve eher zur Bereitstellung von Dollar mit Swap Lines. Der Druck könnte aber größer werden. Je mehr und je länger der Dollar aufwertet, desto lauter dürfte der Ruf nach protektionistischen Maßnahmen in den USA werden, um den heimischen Produktionsstandort zu stärken. Wenn sich die geopolitische Lage nicht bessert, die Preise für Rohstoffe sinken und die Wechselkurse sich stabilisieren, könnte wieder ein koordiniertes Vorgehen der wichtigsten Wirtschaftsnationen notwendig sein. Dass die G7 in der Lage sind, viel zu bewegen, wenn es darauf ankommt, hat sie mit einem historischen Sanktionspaket als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg dieses Jahr bewiesen.