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Unterschiede zwischen Stadt und Land
Städtische und ländliche Räume unterscheiden sich auf vielen Ebenen – und das ist auch gut so. Jeder Mensch ist anders, jeder Mensch hat unterschiedliche Präferenzen hinsichtlich seines Lebensumfeldes. Während einige Menschen das hektische Treiben in den Städten mit all den Angeboten und Möglichkeiten wertschätzen, gibt es genauso Menschen, die die Ruhe des Landlebens bevorzugen und im Gegenzug bereit sind, Einschränkungen beim infrastrukturellen Angebot hinzunehmen.
Stadt und Land sollen daher keinesfalls „gleichgemacht“ werden. Dennoch muss man einen Überblick darüber erhalten, wo die Unterschiede zwischen Stadt und Land liegen und in welchen Bereichen die Versorgungslücken besonders groß sind. Denn wenn ländliche Räume immer stärker an Attraktivität einbüßen, kann es passieren, dass ein Abwanderungsprozess in die Wege geleitet wird, der nur schwer wieder aufzuhalten ist. In diesem Fall droht tatsächlich eine Spaltung zwischen Stadt und Land.
Die INKAR-Datenband des BBSR bietet für Vergleiche dieser Art die optimale Basis.9 Rund 600 Indikatoren ermöglichen umfassende Stadt-Land-Vergleiche sowie einen Überblick über die Entwicklung während der letzten Jahrzehnte. Die Datenbank enthält regionalstatistische Informationen zu nahezu allen gesellschaftlich und wirtschaftlich relevanten Themen. In der folgenden Auflistung werden 30 Indikatoren herangezogen, die die Eigenschaften und teilweise auch die Entwicklung städtischer und ländlicher Regionen vergleichen. Die Indikatoren beziehen sich auf die Wirtschaftsleistung, die Beschäftigungsstruktur, die Altersstruktur der Bevölkerung, den Arbeitsmarkt, den Wohnungsmarkt, die medizinische Versorgung, die soziale Versorgung, Verkehr, die finanzielle Situation, die schulische Bildung sowie auf die Lebens- und Erholungsqualität.
Es ist wichtig, hervorzuheben, dass es sich hierbei lediglich um einen Vergleich von Durchschnittswerten handelt. In Deutschland existieren Städte mit immensen Problemen sowie florierende ländliche Räume gleichermaßen. Wenn man diese Tatsache im Hinterkopf behält, können Durchschnittswerte einen guten Anhaltspunkt liefern, um Auffälligkeiten zu identifizieren. Die aktuellsten Werte der INKAR-Datenbank beziehen sich auf das Jahr 2020. Dies ist daher auch das Jahr, auf das sich nahezu alle aufgeführten Indikatoren beziehen.
Wohnen
Die Unterschiede zwischen dem Leben auf dem Land und in der Stadt sind groß. Besonders deutlich werden diese Unterschiede beim Thema Wohnen. Während es insbesondere in den Großstädten an bezahlbarem Wohnraum mangelt, haben viele ländliche Regionen mit Abwanderung und Leerstand zu kämpfen. In diesem Zusammenhang könnten gerade die hohen Mietpreise in den Städten eine große Chance für den ländlichen Raum sein – denn in vielen ländlichen Regionen gibt es noch Wohnraum, der relativ günstig zu erwerben ist.
Baulandpreise
Die Baulandpreise gehören zu den zentralen Indikatoren der Wohn- und Immobilienmarktbeobachtung. Die Grundstückspreise nehmen vielerorts einen signifikanten Anteil des Kaufpreises ein. Wie jeder Preis sendet auch der Baulandpreis ein Signal der Knappheit. Insbesondere in den begehrten Metropolen sind Flächen hart umkämpft und deswegen auch die Baulandpreise tendenziell höher. In den städtischen Kreisen beträgt der durchschnittliche Kaufpreis für einen Quadratmeter Bauland rund 379 Euro. In den ländlichen Kreisen liegt dieser Wert bei gerade einmal 95 Euro. Die Schere zwischen den Baulandpreisen in Stadt und Land ist in den vergangenen Jahren deutlich auseinandergegangen. Zuletzt waren die Baulandpreise in den städtischen Kreisen mehr als viermal höher als auf dem Land. Im Jahr 2000 war der Grundstückskauf in den urbanen Gegenden nur rund doppelt so teuer. Hierin spiegelt sich wider, dass in den vergangenen Jahren ein immer größerer Wettbewerb um die urbanen Baulandflächen entstanden ist, der in den kreisfreien Städten besonders heftig ausfiel. Dort betrugen die durchschnittlichen Baulandpreise zuletzt sogar über 850 Euro pro Quadratmeter, während sie in den dünn besiedelten ländlichen Kreisen bei nur 83 Euro lagen. Mit abnehmender Bevölkerungsdichte sind baureife Flächen also immer weniger umkämpft und dafür auch deutlich günstiger zu haben (siehe Abbildung 16).
Anteil der Ein- bzw. Zweifamilienhäuser
Die meisten Menschen träumen vom Leben in den „eigenen vier Wänden“ und ganz besonders vom Leben im eigenen Haus. Der Anteil von Ein- und Zweifamilienhäusern am gesamten Bestand an Wohngebäuden ist ein Indikator dafür, wie leicht sich der Traum vom eigenen Haus in einer bestimmten Region verwirklichen lässt. Während Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zu einem Großteil vermietet werden, befinden sich Ein- und Zweifamilienhäuser überwiegend im Privatbesitz. Durch den Indikator kann also näherungsweise auch die Wohneigentumsquote geschätzt werden. Wenig überraschend hat der ländliche Raum einen deutlich höheren Anteil an Ein- und Zweifamilienhäusern. Im ländlichen Raum beträgt der Anteil 88,9 Prozent, in städtischen Gegenden liegt der Anteil bei lediglich 79,3 Prozent (siehe Abbildung 17). Wer also tatsächlich vom eigenen Haus träumt, der hat in ländlichen Gegenden deutlich bessere Chancen als in der Stadt.
Wohnfläche pro Person
In den letzten Jahren hat die durchschnittliche Wohnfläche pro Person in Deutschland stetig zugenommen. Der Hauptgrund für diese Entwicklung ist, dass die Zahl der Ein-Personen-Haushalte deutlich angestiegen ist. Insbesondere während der Hochphase der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen entstand bei vielen Menschen der unmittelbare Wunsch nach einer Vergrößerung der Wohnfläche. Dieser Wunsch bringt auch Nachteile mit sich, denn das Wohnen auf größerer Fläche führt auch zu einem höheren Energie- und Ressourcenverbrauch. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Person liegt im ländlichen Raum bei 50,9 Quadratmetern und im städtischen Raum bei 45,7 Quadratmetern (siehe Abbildung 18). Hierfür gibt es unterschiedliche Ursachen. Zum einen existieren im ländlichen Raum deutlich mehr Ein- und Zweifamilienhäuser als in der Stadt (siehe Abbildung 17), die auch mit einer höheren Wohnfläche einhergehen. Zum anderen sind die Preise bzw. Mieten im ländlichen Raum deutlich geringer als in der Stadt, wodurch sich die Menschen tendenziell mehr Wohnraum leisten können.
Verkehr
Erreichbarkeit von Autobahnen (Durchschnittliche Fahrzeit zu Autobahnanschlüssen)
Die Länge des gesamten Autobahnnetzes in Deutschland beträgt 13.155 Kilometer. Damit verfügt Deutschland über das viertlängste Autobahn-Straßennetz der Welt. Da Autobahnen die Möglichkeit bieten, Strecken besonders schnell und unkompliziert zurückzulegen und gleichzeitig den Gütertransport erheblich vereinfachen können, ist die Anbindung an Autobahnen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die Nähe zu Autobahnen kann auch bei der Wohnortwahl ein wichtiger Faktor sein, da ein guter Autobahnanschluss das Arbeiten in umliegenden Städten ermöglichen kann. Die Erreichbarkeit von Autobahnen kann durch die durchschnittliche Fahrzeit zum nächsten Autobahnanschluss gemessen werden. Im ländlichen Raum beträgt die durchschnittliche Fahrzeit zum nächsten Autobahnanschluss 18,03 Minuten. Im städtischen Raum liegt die durchschnittliche Fahrzeit bei nur 11,55 Minuten (siehe Abbildung 26). Damit ist die Autobahnanbindung in der Stadt deutlich besser als auf dem Land.
Erreichbarkeit von EC/IC/ICE-Bahnhöfen (Durchschnittliche Fahrzeit zu Bahnhöfen)
Deutschland verfügt über insgesamt mehr als 300 EC-, IC- und ICE-Bahnhöfe. Ähnlich wie Autobahnanschlüsse sorgt eine gute Zuganbindung dafür, dass verschiedene Orte innerhalb Deutschlands schnell und unkompliziert erreicht werden können. Dies kann sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen ein entscheidender Faktor für die Standortwahl sein. Die durchschnittliche Fahrzeit zum nächstgelegenen EC-, IC- oder ICE-Bahnhof ist dabei ein guter Indikator für die Erreichbarkeit. Auch hier ist der städtische Raum ganz klar im Vorteil. In städtischen Kreisen beträgt die durchschnittliche Fahrzeit zum nächstgelegenen Bahnhof 21,43 Minuten, im ländlichen Raum liegt die Fahrzeit bei knapp über 30 Minuten (siehe Abbildung 27).
Pkw-Dichte (Pkws je 1.000 Einwohner)
Ländliche Räume sind weit weniger dicht besiedelt als urbane Gegenden. Dementsprechend sind auch die Distanzen, die zurückgelegt werden müssen um einzukaufen, zur Arbeit zu gehen oder um Freunde zu besuchen, in der Regel deutlich größer als in der Stadt. Hinzu kommt, dass das Angebot öffentlicher Verkehrsangebote in vielen ländlichen Räumen relativ eingeschränkt ist (siehe Abbildung 24). Es ist also keineswegs verwunderlich, wenn das Auto auf dem Land für viele Menschen unverzichtbar ist. Es gibt oftmals schlichtweg keine anderen Möglichkeiten, um von A nach B zu kommen. Die Bedeutung des Autos auf dem Land spiegelt sich auch in den Daten wider. Die Pkw-Dichte – die Anzahl der zugelassenen Autos je 1.000 Einwohner – liegt in ländlichen Räumen bei 619,3. In den städtischen Kreisen gibt es pro 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner dagegen nur 552,5 Autos (siehe Abbildung 28). In den kreisfreien Großstädten liegt die Pkw-Dichte sogar nur bei 461 Autos pro 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Allerdings ist es in großen Städten aufgrund des großen infrastrukturellen Angebots auch schlichtweg deutlich einfacher auf das eigene Auto zu verzichten und anderweitige Angebote zu nutzen.
Schulische Bildung
Nichts ist für den langfristigen Wohlstand unserer Gesellschaft wichtiger als gute Bildung. Die schulische Bildung ist dabei eine maßgebliche Kennzahl für die Zukunftsfähigkeit von Regionen. Gerade in sehr ländlichen Gegenden ist jedoch bereits die Erreichbarkeit von Schulen ein großes Problem.
Abiturquote (Anteil Schulabgänger mit allgemeiner Hochschulreife)
Schulabgängerinnen und Schulabgänger mit allgemeiner Hochschulreife haben die Berechtigung zu einem Studium an einer Hochschule. Ein hoher Anteil von Schulabgängern mit Hochschulreife zeigt ein hohes Qualifikationspotenzial innerhalb der Region an, was sich zukünftig positiv auf das wirtschaftliche Wachstum auswirken könnte. Insbesondere in ländlichen Räumen ist zu beachten, dass viele erfolgreiche Schulabgänger ihre Region für ein Studium in größeren Städten verlassen werden. Gleichzeitig besteht jedoch die Chance, dass sie nach dem Studium in ihre Heimatregion zurückkehren. Bei der Erreichung der Hochschulreife existiert noch immer ein erheblicher Unterschied zwischen Stadt und Land. Im ländlichen Raum erreichen 25,3 Prozent aller Schulabgängerinnen und Schulabgänger die allgemeine Hochschulreife, in den Städten liegt der Anteil bei 36,6 Prozent (siehe Abbildung 31).
Schulabbrecherquote (Anteil Schulabgänger ohne Abschluss)
Menschen ohne Schulabschluss haben auf dem heutigen Arbeitsmarkt kaum Chancen. Eine hohe Schulabbrecherquote wirkt sich demnach auf das zukünftige Wachstumspotenzial einer Region sehr negativ aus. Während Schulabgänger mit Hochschulreife eine hohe Mobilität aufweisen und ihre Heimatregion oftmals für die weitere Ausbildung verlassen, bleiben Schulabgänger ohne Abschluss meist in ihrer Region. Auf regionaler Ebene sollte also ein besonderes Interesse bestehen, die Schulabbrecherquote zu reduzieren. In den letzten Jahren ging die Schulabbrecherquote deutschlandweit wieder etwas nach oben und liegt aktuell bei 6,06 Prozent. Im Vergleich zum Höchstwert von 9,4 Prozent im Jahr 2001 handelt es sich jedoch immer noch um eine deutliche Verbesserung. In den Städten beträgt der Anteil der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Abschluss 5,8 Prozent, im ländlichen Raum beträgt der Anteil 6,7 Prozent (siehe Abbildung 32).