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Verbrenner-Verbot
Vom Verbrenner-Verbot profitiert niemand - auch nicht das Klima

Verbrennermotoren
© picture alliance / photothek | Florian Gaertner

Im Jahr 2035 soll das Verbrenner-Verbot auf EU-Ebene Realität werden. Ab diesem Zeitpunkt sollen keine reinen Benzin- oder Diesel-Fahrzeuge mehr verkauft werden dürfen. Doch was genau bedeutet dieser Beschluss? Zum Verständnis: Das von Ursula von der Leyen angestrebte Verbrenner-Verbot sieht nicht vor, dass ab dem Jahr 2035 das Fahren herkömmlicher Verbrennern vollständig verboten wird. Auch nach 2035 dürfen noch Autos auf Europas Straßen unterwegs sein, die mit Verbrennungsmotor betrieben werden. Doch ein Verbot von Neuzulassungen schneidet sowohl in die unternehmerischen Freiheiten der Automobilindustrie als auch in die Konsumentscheidungen der Bürger ein – insgesamt also der falsche Weg in einem marktwirtschaftlichen System.

Fakt: Nach aktuellem Stand dürfen innerhalb der EU nach 2035 dürfen keine reinen Benzin- oder Diesel-Fahrzeuge mehr verkauft werden.

Die Erfolgsgeschichte des konventionellen Verbrennungsmotors

Die Erfolgsgeschichte des Automobils ist nicht zuletzt eine Erfolgsgeschichte des Verbrennungsmotors. Damit war das Automobil über weite Strecken seiner Geschichte auch mit dem Verbrauch fossiler Energieträger verbunden. Denn Benzin oder Diesel - also Erdölprodukte - treiben die Motoren an und ermöglichen so die heute selbstverständliche Mobilität. Der Haken: Bei der Verbrennung des Treibstoffs wird auch das Treibhausgas Kohlendioxid freigesetzt. Dieses reichert sich in der Atmosphäre an und verändert das globale Klima. Deshalb ist klar: Die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre sollte bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten, um kritische Klimaveränderungen zu verhindern. Dazu sollten die Emissionen von fossilem Kohlenstoff deutlich reduziert werden. Es ist daher absolut notwendig, darüber nachzudenken, wie die Kohlenstoffemissionen im Verkehrssektor reduziert werden können. Ob ein EU-weites Verbot von Verbrennungsmotoren dafür die richtigen Akzente setzt, ist eine ganz andere Frage.

Fakt: Ca. 18 Prozent der menschlichen Treibhausgasemissionen fossilen Ursprungs stammen aus dem Straßenverkehr.

Elektromotoren

Der Beschluss der EU-Kommission legt fest, dass die Zukunft des Automobils in Europa weitgehend dem Elektromotor gehört - von Technologieoffenheit keine Spur. Doch wie funktioniert der Elektromotor? Und welche Herausforderungen stellt er an unsere Infrastruktur? Elektromotoren wandeln mit Hilfe von Magneten elektrischen Strom in Bewegungsenergie um. Dabei sind sie vergleichsweise effizient und stoßen lokal keine Treibhausgase oder Luftschadstoffe aus. Angetrieben werden sie von elektrischem Strom. Dieser kann zum Beispiel aus einer Batterie oder aus einer mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzelle stammen. Um wirklich klimaneutral zu fahren, muss dieser Strom allerdings aus klimaneutralen Quellen stammen. Damit sich aus Klimasicht echte Vorteile ergeben, muss sich also der Energiemix im deutschen Stromnetz grundlegend ändern. Angesichts des nach wie vor schleppenden Ausbaus der erneuerbaren Energien und des Ausstiegs aus der Kernenergie ist es fraglich, ob die erforderliche Menge an klimaneutralem Strom zur Verfügung stehen wird.

Unabhängig von der klimapolitischen Herausforderung sind mit dem Ausbau der Elektromobilität weitere Aufgaben verbunden. Um den Mobilitätsanforderungen unserer modernen Gesellschaft gerecht zu werden, bedarf es einer etablierten und zuverlässigen Ladeinfrastruktur. Das bedeutet, dass entlang der Verkehrsachsen ein flächendeckendes Schnellladenetz analog zu konventionellen Tankstellen aufgebaut werden muss, das ein schnelles und unkompliziertes Aufladen der Batterien ermöglicht. Die Ladezyklen benötigen dann selbst bei Verwendung neuester Standards und unter optimalen Bedingungen mindestens 30 Minuten, um genügend Strom für eine Reichweite von 250 bis 300 Kilometern nachzuladen. Insbesondere bei Vielfahrern kann dies zu einer deutlichen Verlängerung der erforderlichen Fahrzeit führen.

Außerdem muss auch die generelle Parkinfrastruktur die neuen Ansprüche erfüllen. Denn nur so können die Parkphasen des Fahrzeugs, beispielsweise über Nacht, zur Beladung der Akkus genutzt werden. Neben dem breiten Ausbau der tatsächlichen Ladeinfrastruktur müssen in der Praxis vor allem auch die Stromnetze an die neuen Bedingungen angepasst werden. Denn die aktuelle Netzinfrastruktur ist nicht in der Lage, die enormen zusätzlichen Bedarfe stabil zu übertragen, die sich aus zukünftigen Mobilitätsbedürfnissen ergeben werden. Neben einer kontinuierlichen Umstellung der Flotte braucht es für den Ausbau der E-Mobilität also vor allem infrastrukturelle Anpassungen an die neuen Gegebenheiten.

Fakt: Die Kosten für den Netzausbau belaufen sich bei der E-Mobilität auf etwa 16 Milliarden Euro bis 2030.

Zudem benötigen sowohl die Magnete im Antriebsstrang als auch die verbauten Batterien eine große Menge an knappen und vor allem kritischen Ressourcen. Ein Beispiel: Bei der Herstellung der Batterieeinheiten standen in der Vergangenheit die Praktiken des Lithiumabbaus im Fokus der Medien. Besonders kritisch wurde der immense Wasserverbrauch bewertet. Es ist schon ein gewisser Zynismus, wenn man bedenkt, dass die bislang größten Lithiumabbaugebiete in der chilenischen Atacama-Wüste liegen - dem trockensten Ort der Welt. Doch Lithium ist nur einer der geförderten Rohstoffe. Auch Kobalt und Nickel spielen im Batteriebau eine wichtige Rolle. Mehr als 90 Prozent der bekannten Kobaltreserven liegen im Kongo. Dort werden die Vorkommen unter anderem mit Sklaven- und Kinderarbeit abgebaut - das gilt auch für andere Rohstoffe, die für die Batterieproduktion benötigt werden. Hinzu kommt die geopolitische Perspektive. Denn bei der Versorgung mit anderen Rohstoffen oder deren Veredelung sind Deutschland und die EU bislang stark von China abhängig. In einem sich verschärfenden Systemwettbewerb könnte diese kritische Abhängigkeit gegen europäische Interessen eingesetzt werden.

Die Vorteile der batterieelektrischen Technologie hinsichtlich der lokalen Emissionsfreiheit sind daher aus Nachhaltigkeitsperspektive gegen die ethischen, ökologischen, ökonomischen und politischen Nachteile abzuwägen.

Fakt: Über 80 Prozent der in Europa gebrauchten seltenen Erden stammen aus China – eine kritische Abhängigkeit!

Alternative Kraftstoffe

Auf Druck der FDP hat die Bundesregierung mit der EU-Kommission einen Kompromiss ausgehandelt, der vorsieht, dass auch nach 2035 Verbrennerfahrzeuge neu zugelassen werden können, wenn sie mit klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) oder anderen erneuerbaren und klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden. Bislang besteht für diese Ausnahmeregelung jedoch noch keine Rechtssicherheit. Statt auf eine Veränderung des Antriebsstrangs setzt dieser Ansatz auf eine Veränderung des Kraftstoffs. Dieser könnte dem Verkehr an herkömmlichen Tankstellen zur Verfügung gestellt werden und es wären nur geringe direkte Anpassungen der Infrastruktur notwendig.

Synthetische Kraftstoffe, auch E-Fuels genannt, bestehen aus Wasserstoff und Kohlenstoffverbindungen. Wasserstoff wird durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen. Die Kohlenstoffatome können durch sogenannte Carbon Capture Verfahren aus der Luft oder aus Verbrennungsprozessen gewonnen werden. Mit diesen Bausteinen lassen sich in komplizierten chemischen Prozessen herkömmliche fossile Kraftstoffe nachbilden. Der Vorteil: Die „Kohlenstoffbilanz“ ändert sich dabei nicht. Denn solange weder bei der Wasserstoffherstellung noch bei der Kohlenstoffabscheidung fossile Energie eingesetzt wird, ändert sich nichts an der atmosphärischen Kohlenstoffkonzentration. Daher ermöglichen diese Kraftstoffe einen klimaneutralen Betrieb von Verbrennungsmotoren.

Durch den Einsatz von E-Fuels könnte die bestehende Tankstelleninfrastruktur weiter genutzt werden, d.h. unter der Voraussetzung, dass die Kraftstoffe in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, müssten die Verbraucher ihr Nutzungsverhalten nicht ändern und könnten sich dennoch klimaneutral fortbewegen. Gleichzeitig ermöglichen E-Fuels aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Energiedichte pro Volumeneinheit einen deutlich unkomplizierteren klimaneutralen Energietransport - letztlich könnte die bestehende Infrastruktur und Transportflotte weiter genutzt werden. Regionen, die sich besonders für die Erzeugung klimaneutraler und erneuerbarer Energien eignen, können so vergleichsweise kostengünstig Kraftstoffe produzieren und international vermarkten. Vor allem in Afrika, Südamerika und Asien könnten diese Möglichkeiten einen bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung und damit auch ein enormes gesellschaftliches Entwicklungspotenzial bedeuten. Dazu müssen aber schon jetzt strategische Energiepartnerschaften gestärkt und vorangetrieben werden.

Darüber hinaus sind Investitionen in E-Fuels ohnehin notwendig, um auch den Schiffs- und Flugverkehr sowie den straßengebundenen Schwerlastverkehr oder Spezialbereiche wie Landmaschinen klimaneutral und nachhaltig zu gestalten. Hinzu kommt der weltweite Pkw-Bestand, der bisher mit Verbrennungsmotoren betrieben wird. Um auch sie in Zukunft klimaneutral nutzen zu können, sind Investitionen in synthetische Kraftstoffe unabdingbar.

Braucht es nach dem Verbrenner-Aus nun keine neuen Straßen mehr?

Grundsätzlich stehen mit Elektromobilität und E-Fuels zwei Alternativen zur Verfügung, um Autos in Zukunft klimafreundlich anzutreiben. Die Entscheidung, welcher dieser Alternativen der Vorzug gegeben wird, sollte nicht von der Politik, sondern von den Menschen selbst getroffen werden. Klar ist aber: Schon jetzt nutzen einige Kritikerinnen und Kritiker von der Leyens Verbenner-Verbot, um die Existenzberechtigung des Autos grundsätzlich in Frage zu stellen und den Ausbau neuer Straßen abzulehnen. Doch unabhängig davon, wie Autos in Zukunft angetrieben werden, muss der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur vorangetrieben werden. Die Menschen in Deutschland sind zentral auf den Zustand der Straßen in unserem Land angewiesen. Schon heute werden die Geschäftsabläufe deutscher Unternehmen durch eine marode Straßeninfrastruktur massiv beeinträchtigt. Schon heute stehen die Menschen jedes Jahr stundenlang im Stau.

Es ist nicht davon auszugehen, dass unsere Straßeninfrastruktur in Zukunft an Bedeutung verlieren wird. Im Gegenteil: Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Menschen nach 2035 auf das Auto verzichten werden - egal wie es betrieben wird. Deutschland braucht dringend moderne Straßen. Wo sonst sollen die klimafreundlichen Autos der Zukunft fahren?

Wie ist das Verbrenner-Aus auf EU-Ebene zu bewerten?

Das beschlossene Verbrenner-Aus auf EU-Ebene ist aus zweierlei Gründen problematisch. Zum einen wird es für zahlreiche EU-Länder kaum möglich sein, bis zum Jahr 2035 die nötige Ladeinfrastruktur aufzubauen. Dies wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, welche Probleme dieses Unterfangen in einem wohlhabenden Land wie Deutschland macht. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint es schier aussichtslos, dass bereits in etwas mehr als zehn Jahren in allen Ländern der EU eine Infrastruktur errichtet sein wird, die es erlaubt, dass ausschließlich Elektroautos neu zugelassen werden können.

Zum anderen ist der Beschluss eine Abkehr vom Erfolgsmodell der Technologieoffenheit. Es steht außer Frage, dass es sich bei der Elektromobilität um eine wegweisende Zukunftstechnologie handelt. Doch warum sollte man deswegen andere Antriebstechnologien, die genauso klimafreundlich sind, schlichtweg verbieten? Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit sagen, welche Fortschritte es bei der Entwicklung von Antriebstechnologien geben wird. Warum sollte man sich dieser Chance freiwillig berauben?

Es ist an der Zeit, dass die EU-Kommission endlich einen klaren Rechtsrahmen definiert, damit Verbrenner-Motoren, die mit alternativen, klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden, auch nach 2035 eine Zukunft haben. Alles andere würde die deutsche Autoindustrie, den Wirtschaftsstandort Deutschland, und auch die Wirtschaftskraft der EU nachhaltig schädigen.