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EU-Abkommen mit China
EU-China: Für die Konservativen kommen die Menschenrechte erst an zweiter Stelle

Xi Jinping Treffen mit EU-Spitzen
Xi Jinping während eines finalen Treffens mit Kanzlerin Angela Merkel, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Präsident Emmanuel Macron und dem Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel. © picture alliance / Xinhua News Agency | Li Xueren

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet – der Brexit war zum Jahreswechsel das alles beherrschende Thema – hat die EU-Kommission kurz vor Silvester Verhandlungen über ein Investitionsabkommen mit der Volksrepublik China abgeschlossen. Treibende Kraft hinter dem Handelsabkommen, das Fragen zu chinesischen Menschenrechtsverletzungen weitgehend ausklammert, war die Bundesregierung. Noch zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Sommer 2020 hatte Angela Merkel verlauten lassen, dass die EU ein großes strategisches Interesse daran habe, „die Zusammenarbeit mit China, einem der wesentlichen Akteure dieses Jahrhunderts, aktiv zu gestalten.“

Das „EU-China Comprehensive Agreement on Investment“ (CAI) hat drei Schwerpunkte: Erstens sollen europäische Unternehmen einen besseren Marktzugang in China bekommen. Darüber hinaus sollen bei Investitionen gleiche Wettbewerbsbedingungen etabliert werden; chinesische Staatsunternehmen sollen keine Bevorzugung mehr genießen. Zudem wurden der Volksrepublik erstmals, wenn auch recht unverbindliche Standards zu Umwelt-, Klima- und Arbeitsschutz abgerungen. Hier regt sich neben der Ausklammerung von Menschenrechtsverletzungen die meiste Kritik: selbst der Europäische Arbeitgeberverband konstatiert, Chinas ausbeuterisches System werde sich durch das Abkommen strukturell nicht ändern. Die Volkrepublik kann sich dabei auf die butterweiche Formel zurückziehen, dass man „den Beitritt zur internationalen Konvention gegen die Zwangsarbeit anstrebe“, ohne dabei jedoch konkreter zu werden.

Liberale sehen das Abkommen kritisch

Liberale in ganz Europa sehen das ausgehandelte Abkommen deshalb kritisch. „Vor kurzem wurde bekannt, dass über eine halbe Million Uiguren Zwangsarbeit in der Baumwollernte verrichten müssen“, sagte die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn MEP gegenüber den ARD-Tagesthemen. „Deswegen kann ein Investitionsabkommen nicht abgeschlossen werden, sollte es keine klaren Bekenntnisse zu insbesondere dem Verbot von Zwangsarbeit enthalten.“ Das Europäische Parlament, in dem jedoch die konservative Parteienfamilie EVP die größte Kraft ist, muss dem Abkommen noch zustimmen. Aus diesem Grund appellierte auch Gyde Jensen, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag, an die Europaparlamentarier: „Bitte lasst klare europäische Werte sprechen und ein Verbot von Zwangsarbeit fixieren, bevor ihr dem Abkommen zustimmt.“

Auch der flämische EU-Parlamentarier und ehemalige Premierminister Belgiens Guy Verhofstadt wurde deutlich: „Die Geschichten, die wir aus Xinjiang zu hören bekommen, sind der blanke Horror. Die Geschichte in Brüssel ist, dass wir bereit sind, mit China ein Investitionsabkommen abzuschließen“, sagte Verhofstadt. „Unter diesen Umständen ist jede chinesische Unterschrift zu Menschenrechten das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben steht.“

Hans van Baalen, Präsident der europäischen liberalen Partei ALDE, wies in dem Zusammenhang auf die Auswirkungen auf das Transatlantische Verhältnis hin: „Die vorläufige Einigung ist übereilt“, so van Baalen. Die EU und die neue US-Administration unter Präsident Joe Biden sollten sich unmittelbar nach der Vereidigung am 20. Januar dazu abstimmen. „Darüber hinaus sollte die Ratifizierung des EU-China-Investitionsabkommens von einem bilateralen Investitionsabkommen der EU mit Taiwan begleitet werden“, so van Baalen. Es ist ein offenes Geheimnis in Brüssel, dass ein US-Präsident Biden gemeinsam mit den Europäern mehr Druck auf China ausüben möchte; nicht zuletzt, um die ramponierten transatlantischen Beziehungen mit neuem Leben zu füllen.

Setzt Macron die Menschenrechtssituation noch auf die Agenda?

Hoffnung macht allein ein kolportierter Deal zwischen Berlin und Paris. Bei der Pressekonferenz zur Verkündung des Abkommens war neben dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Charles Michel und Angela Merkel als Vertreterin der 27 EU-Mitgliedstaaten ebenfalls Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zugeschaltet – das ist protokollarisch ungewöhnlich. Macron, dessen Partei „En Marche“ im Europäischen Parlament ebenfalls der liberalen Fraktion angehört, sieht die Menschenrechtsverletzungen Chinas kritischer. So erklärte der liberale französische Außenhandelsminister Franck Riester Tage zuvor, Frankreich und Europa seien fest entschlossen, „in der Globalisierung für mehr Gerechtigkeit und für mehr Fairness zu sorgen und unsere Werte zu verteidigen.“

Beobachter in Brüssel gehen aufgrund dieser Anzeichen von folgendem Szenario aus: Frankreich gestand der Bundeskanzlerin zu, die politische Einigung mit China noch am Ende ihrer Ratspräsidentschaft zu verkünden, während der Vertragstext im Anschluss von Parlament und Rat bearbeitet und erst in rund einem Jahr, also Anfang 2022, verbindlich unterzeichnet wird. Die EU-Ratspräsidentschaft liegt dann bei… Frankreich!

Markus Kaiser ist Leiter des Referats Europa der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Von 2012 bis 2019 arbeitete er im Stiftungsbüro in Brüssel.