Chipindustrie
Abhängig von Chips - Zwischen Geopolitik und Globalisierung
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Bedeutung von Halbleitern als Grundpfeiler unserer Gesellschaften unaufhaltsam manifestiert. Ein Leben ohne sie ist kaum mehr vorstellbar. In einer Welt, die von rasantem technologischem Fortschritt und digitaler Vernetzung geprägt ist, spielen Halbleiter eine so entscheidende Rolle, dass der Autor Chris Miller diese in seinem Buch „Chip War“ als Öl des 21. Jahrhunderts tituliert. Die globale Abhängigkeit von Halbleitern erstreckt sich über Industriezweige und Wirtschaftssysteme bis hin zur nationalen Sicherheit. In der Diskussion um sie stehen zumeist die USA und China im zentralen Blickfeld. Seit den 2000ern hat China mehr Geld für den Import von Halbleitern ausgegeben als für Ölimporte und subventioniert die eigene Chipindustrie großzügig. Die USA haben 2022 mit dem Chips Act eigene Investitionen in die Halbleiterbranche verstärkt und gleichzeitig ein Embargo für Chips-Exporte nach China festgelegt. Doch neben den USA und China sind weitere Länder in der Herstellungskette von Halbleitern unverzichtbar.
Dr. Chun-Yi Lee hat sich die Situation dieser Länder in ihrem Policy Paper „When Globalisation Meets Geopolitics in the Semiconductor Supply Chain“ für die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit näher angeschaut. Dabei blickt sie insbesondere auf Taiwan, Japan und Südkorea, und deren Rollen im Technologiekampf zwischen den Supermächten. Viele Staaten, die sich zwischen den USA und China in der Produktionskette befinden, neigen dazu, sich nicht auf die Seite des einen oder anderen zu schlagen, argumentiert Lee. Das Paper arbeitet ihre Schlüsselpositionen in der Produktionskette im technologischen Wettbewerb heraus. Mit empirischen Daten aus Interviews in Taiwan, Japan und Südkorea untersucht Lee staatliche Interventionen in der Halbleiterindustrie und was diese für globale Lieferketten bedeuten.
Auch für die Europäische Union ist der Wettbewerb um Chips und Halbleiter bedeutend. Der größte Teil der in der EU verbauten Chips sind importiert. Viele kommen aus China und Taiwan. Ein eigener europäischer „Chips Act“, welcher am 21. September 2023 in Kraft trat, strebt unter anderem mit dem Einsatz von Subventionen an, den internationalen Marktanteil der EU in der Halbleiterproduktion auf 20 % zu erhöhen und Abhängigkeiten, besonders von China, zu minimieren. Auch dieser neueren Entwicklung widmet sich das Paper. Es argumentiert, dass ein komplettes Entkoppeln aus den Lieferketten der Halbleiterindustrie nicht möglich ist. Dennoch muss Europa aktiver werden, um Risiken zu verringern. Laut Lee sollte Europa dafür:
- die Marktkapazitäten von lokalen Unternehmen verbessern und so ihre Position in der Halbleiterlieferkette stärken. Beispiele in Deutschland sind die Unternehmen Zeiss und Trumpf.
- die Kooperation zwischen weltweit tätigen Fachkräften, die auf die Entwicklung und Produktion von Halbleitern spezialisiert sind, ermöglichen. Dies kann Innovation im Hard- und Software-Bereich der Chipindustrie fördern.
- durch Joint Ventures wie die jüngste Investition von TSMC in Dresden die eigenen Kapazitäten aufbauen und Abhängigkeiten von chinesischen Chips verringern. Die Zusammenarbeit mit TSMC bringt zudem viel Expertise nach Deutschland und schafft es Lieferketten global zu diversifizieren.
- ein besseres Verständnis für Europas Position in der Lieferkette von Chips erlangen. Nur so können die eigenen Stärken effektiv genutzt werden und ein De-Risking möglich machen.
Das ganze Policy Paper (englisch) können Sie hier lesen.
In einer Online-Veranstaltung wird das Paper vom Stiftungs-Büro in Taipeh am 30.11.2023 vorgestellt. Sie können die Veranstaltung über den Live-Stream ab 11:00 Uhr deutscher Zeit verfolgen. Anmelden können Sie sich dafür hier: https://forms.gle/ojFnBKEkrrArJUH67bei