Social Media
TikTok im Kreuzfeuer: Bevorstehendes Verbot in den USA
Mit einem breiten Maß an Zustimmung in beiden politischen Lagern und beiden Kammern des US-Kongresses wurde kürzlich der Gesetzesentwurf "Protecting Americans from Foreign Adversary Controlled Applications Act" verabschiedet. Das Gesetz sieht vor, dass der chinesische Eigentümer ByteDance die Plattform TikTok verkaufen muss, um ein drohendes Verbot in den USA zu vermeiden. Unterstützung erhielt der Gesetzesentwurf auch von Präsident Joe Biden, der das Gesetz unterzeichnete.
Unklar ist jedoch, ob das Gesetz auch einer kommenden rechtlichen Prüfung standhalten könnte, denn frühere Vorhaben in den USA, TikTok zu verbieten, sind gescheitert. Dafür bedarf es eines Blicks auf den Gesetzentwurf und die aktuelle rechtliche Debatte in den USA.
Erzwungener Eigentümerwechsel zur Sicherstellung nationaler Souveränität
Der Gesetzesentwurf sieht vor, die Social-Media-Plattform TikTok zu verbieten, sollte der chinesische Eigentümer ByteDance die Plattform nicht innerhalb von maximal einem Jahr verkaufen. Ansonsten kann TikTok in den USA aus den App-Stores verbannt werden. Der überparteiliche Konsens ist, dass TikTok die nationale Sicherheit bedroht, denn ByteDance könnte der chinesischen Regierung Zugriff auf die Daten amerikanischer Nutzer erteilen. Zusätzlich zu einem Verkauf muss auch garantiert werden, dass ByteDance keinen Zugriff auf den Algorithmus von TikTok haben wird. Denn die Sorge vieler Politiker und Politikerinnen ist, dass Peking durch Bytedance politische Einflussnahme und Debatten in den USA steuern könnte. Ohne Zugriff auf den Algorithmus könnte dies verhindert werden.
Das Gesetz ist auch auf andere Plattformen übertragbar. So steht im Raum, ob auch der Verkauf von WeChat oder Grindr gefordert werden würde. Die Entscheidungshoheit darüber wird der amerikanische Präsident behalten.
Meinungsfreiheit auf dem Prüfstand
Während des rasanten politischen Prozesses erhoben auch Stimmen aus Bürgerrechts- und Digitalrechtsgruppen Kritik. Diese Kritiker argumentieren, dass der Gesetzesentwurf die Meinungsfreiheit verletzt. Sie behaupten, dass das Gesetz hauptsächlich aufgrund von Bedenken bezüglich politischer Einflussnahme und der Verbreitung ausländischer Propaganda vorangetrieben wird und dass es letztendlich darauf abzielt, dies zu unterbinden. In den USA ist jedoch ausländische Propaganda gemäß dem ersten Amendment, das in der amerikanischen Verfassung die Rede- und Pressefreiheit garantiert, ebenso geschützt. Aus diesen Argumenten ziehen die Kritiker den Schluss, dass das Gesetz verfassungswidrig sei.
Eine ähnliche Argumentation führte zur Blockierung eines TikTok-Verbots im Bundesstaat Montana. Ein Bundesrichter entschied in diesem Fall, dass das Gesetz gegen die Meinungsfreiheit verstößt.
Die Befürworter des Gesetzentwurfs argumentieren hingegen, dass diese Maßnahme das erste Amendment nicht verletzt, da sie lediglich von der Muttergesellschaft von TikTok, ByteDance, verlangt, ihre Anteile zu veräußern.
Was würde ein TikTok-Verbot für die Nutzer bedeuten?
Sollte ByteDance dem Verkaufsangebot nicht nachkommen, droht TikTok ein Verbot. Die Auswirkungen eines solchen Verbots lassen sich am Beispiel Indiens erahnen, wo TikTok bereits 2020 aus Gründen der nationalen Sicherheit verboten wurde. In den letzten vier Jahren sind die Nutzer der Plattform so auf Alternativen wie YouTube Shorts und Instagram umgestiegen.
Im Gegensatz zu Indien wird in den USA erwartet, dass TikTok rechtliche Schritte einleiten wird, da der Markt dort bedeutend größer ist. Zudem ist die rechtliche Angriffsfläche durch das starke erste Amendment breiter. Es bleibt abzuwarten, wie dieser Fall weitergeht und welche Auswirkungen er auf die Zukunft von TikTok und vergleichbaren Plattformen haben wird.
Ermittlungsverfahren gegen TikTok in Europa
Auch in Europa gerät TikTok zunehmend unter Druck. Aufgrund von Sicherheitsbedenken wurde die Nutzung von TikTok auf Diensthandys von EU-Behörden bereits verboten. Die Europäische Union hat in diesem Jahr Untersuchungen gegen TikTok eingeleitet, da das Unternehmen verdächtigt wird, möglicherweise gegen den Digital Services Act (DSA) verstoßen zu haben. Dabei stehen insbesondere Fragen zum Jugendschutz und Datenschutz im Fokus. Zudem wurde kürzlich eine Untersuchung gegen die abgespeckte Version "TikTok Lite", die ein umstrittenes Bonusprogramm enthält, von der EU eingeleitet.
Ein Verbot von TikTok wurde jedoch in der EU noch nicht in die Wege geleitet. Würde es zu einer solchen Initiative kommen, könnte es zu langwierigen rechtlichen Verfahren führen. Darüber hinaus verfügt die EU, anders als die USA, bereits über effektivere Mittel, um Plattformen wie TikTok zu steuern. Dazu gehört der DSA, ein umfassendes Regelwerk zur Steuerung und Minimierung von potentiellen Risiken von Social-Media-Plattformen. Mit dem DSA können beispielsweise Maßnahmen ergriffen werden, um Desinformation zu bekämpfen und Datenschutzstandards zu gewährleisten.
Welche Folgen die Debatte in den USA haben wird und welche Lehren die EU daraus ziehen wird, bleibt abzuwarten. Doch eins ist sicher: Die Debatte um TikTok und ähnliche Plattformen wird uns noch eine Weile begleiten und könnte weitreichende Auswirkungen auf die digitale Landschaft haben.