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Sanktionen mit Verbesserungspotential
Die Sanktionen in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg waren historisch. Das Sanktionsregime der G7 Staaten gegen Russland gilt als eines der Größten der Geschichte. Die Liste an Staaten, die sich anschließen und auch der Umfang der Maßnahmen hat sich stetig erweitert. Der russische Finanzsektor ist weitestgehend von westlichen Märkten ausgeschlossen, der Handel mit westlichen Unternehmen kam zum Erliegen und selbst chinesische Unternehmen haben zwischenzeitlich die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland angepasst. Im Februar hat die Europäische Union bereits das zehnte Sanktionspaket beschlossen, das unter anderem Ausfuhrverbote für kritische Technologie- und Industriegüter vorsieht. Vor allem Brüssel und Washington arbeiten zudem weiter daran, Personen und Organisationen, die daran mitwirken, dass der Krieg fortdauert, mit Zwangsmaßnahmen empfindlich zu treffen. Selten zuvor ist ein Land von der Größe und Bedeutung Russland mit dermaßen umfassenden Sanktionen belegt worden. Doch genau wie andere autokratische Regime hat Moskau sich auf Sanktionen eingestellt und den Versuch unternommen, eine sanktionsfeste Wirtschaft aufzubauen.
Nachlassende Effektivität
Der Einsatz von Sanktionen hat in den vergangenen dreißig Jahren stark zugenommen. Auch ihr Einsatzfeld hat sich verändert. Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges sind sie häufig noch ein Vorbote eines nahenden Krieges gewesen. Historische Beispiele sind der Beginn des Peloponnesischen Krieges in der Antike oder das Ölembargo der Amerikaner gegen Japan, das schlussendlich zum japanischen Kriegseintritt im zweiten Weltkrieg führte. Spätestens mit dem Ende des Kalten Krieges sind Sanktionen eine Art Kriegsersatz geworden, sie werden häufig verhängt, wenn Staaten nicht in der Lage oder willens sind, selber militärisch einzugreifen. Das ist zunächst ein gutes Zeichen, Wirtschaftskriege sind im Zweifel weniger tödlich als echte Kriege. Aber wenn ein Instrument derartig vielseitig und häufig eingesetzt wird wie Sanktionen, dann verliert es an Effektivität. Zunehmend stellen sich autokratische Regime auf mögliche wirtschaftliche Strafmaßnahmen ein, schotten sich ab oder suchen nach alternativen Handelsmöglichkeiten. Zudem fehlt es bei einigen Sanktionen an einer klaren Zielbestimmung, was soll eigentlich erreicht werden und wann werden die Handelsbeschränkungen aufgehoben.
Klare Kommunikation
In einem diesen Monat veröffentlichten Policy Paper der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit untersucht Adam DuBard die Effektivität von Sanktionen und kommt zum Ergebnis, dass es maßgeblich an dieser fehlenden Zielbestimmung und ihrer Kommunikation liegt. Angesichts der vielfältigen Anwendungsfälle für Sanktionen ist für den betroffenen Akteur nicht immer ganz klar, was von ihm oder ihr erwartet wird, damit die Maßnahmen beendet werden. Ähnliches gilt für Unternehmen, Privatpersonen und teilweise auch staatliche Akteure, die im Austausch mit dem sanktionierten Akteur oder Staat stehen. Hier herrscht nicht selten Unklarheit, was alles von den Maßnahmen erfasst ist und unter welchen Voraussetzungen ein Austausch etwa mit zivilgesellschaftlichen Akteuren eines sanktionierten Staates noch möglich ist. So werden Sanktionen übererfüllt oder gar ignoriert, weil nicht transparent genug gemacht wird, welche wirtschaftliche Interaktion unter das Sanktionsregime fällt und welche nicht. Einige Unternehmen ziehen sich aus Märkten vollends zurück oder schließen Handelspartner von Märkten aus, weil die bürokratischen Kosten und das Risiko eines Verstoßes zu hoch sind. Umgekehrt werden Sanktionen aus ähnlichen Gründen nicht befolgt, weil die Regeln zu komplex, Schlupflöcher oder Kosten einer Befolgung zu groß sind. Insgesamt würde die Effektivität von einer besseren Kommunikation und Transparenz hinsichtlich der strategischen Zielsetzung der Sanktionen profitieren. Dabei wäre es wichtig sowohl Unternehmen als auch zivilgesellschaftliche Organisationen und NGOs offen und transparent über die Details des Sanktionsregimes zu informieren. Dadurch wird eine bessere Beachtung der Bestimmungen gewährleistet. Zudem werden Grauzonen verringert, die zu einer kostspieligen Übererfüllung oder einer Nichteinhaltung der Sanktionen führen.
Umgehung von Sanktionen
Doch auch die beste Zielfestlegung und Kommunikation wird nur bedingt verhindern können, dass Sanktionen umgangen werden. Im Kontext der Sanktionen gegen Russland ist der Warenverkehr mit Staaten wie Armenien, Kasachstan, Türkei oder den Vereinigten Arabischen Emiraten zuletzt deutlich angestiegen, und es gibt Hinweise, dass diese zusätzlichen Lieferungen eigentlich für Russland bestimmt sind. Um solcher Umgehung von Sanktionen zu entgehen, gibt es vor allem zwei Möglichkeiten. Zum einen sollten Sanktionen mit möglichst vielen Staaten koordiniert werden, sodass eine relevante Marktgröße Umgehungsmöglichkeiten reduziert und die Einhaltung der Sanktionen verstärkt. Gerade bei Ausfuhrrestriktionen für kritische Technologien zeigt die Erfahrung aus den 1990er-Jahren mit den amerikanischen Exportkontrollen für Satellitentechnologie nach China, wie schnell die Effektivität an mangelnder Koordinierung scheitern kann. In diesem Fall hatten europäische Unternehmen den amerikanischen Marktanteil übernommen und China mit Raketenteilen beliefert. Bei Sanktionen gegenüber dem Iran war das Sanktionsregime nicht nur Lückenhaft, sondern hat dem Iran auch die Möglichkeit gegeben, als Testlabor für eine sanktionsfeste Wirtschaft zu fungieren. Im Fall von Russland ist das durch die gute Abstimmung unter den G7 und weiteren Staaten schon besser gelungen, aber dennoch hat Russland mit einigen Teilen der Welt den Handel sogar noch intensiviert.
Deswegen braucht es als zweite Möglichkeit auch Beschränkungen für Drittstaaten, bei den zumindest der Verdacht besteht, dass Güter am Ende in Russland landen könnten. Diese Maßnahmen beschränken nicht nur den direkten Export, sondern verpflichten auch den Handelspartner zu Einhaltung der Sanktionen. Die Vereinigten Staaten sind bei solchen extraterritorialen Sanktionen Vorreiter, indem sie die Nutzer von US-Dollar oder dem amerikanischen Finanzsystem an die Einhaltung der Sanktion binden. Extraterritoriale Sanktionen nutzen dabei unter anderem wichtige Knotenpunkte globaler Finanznetzwerke und Handelsströme, um eine möglichst große, über die eigene Wirtschaft hinausgehende Wirkung zu erzielen. Ein prominentes Beispiel ist das Finanzkommunikationsnetzwerk SWIFT, dessen Infrastruktur von 11.000 Banken in über 200 Ländern genutzt wird. Ein Ausschluss von SWIFT gilt quasi als Ausschluss aus dem globalen Finanzsystem. Aktuell plant die Europäische Union ein elftes Sanktionspaket, bei dem die EU die Umgehung von Sanktionen im Zweifel mit Ausfuhrbeschränkungen an Drittstaaten zu verhindern. Dadurch droht Staaten und Unternehmen, die bei der Umgehung von Sanktionen behilflich sind, ein Ausschluss vom Handel mit dem europäischen Binnenmarkt. Eine Aussicht, die durchaus in der Lage ist, einige Staaten zum Einlenken zu bewegen.
Gezielt und koordiniert
Der beste Weg, um die Effektivität von Sanktionen zu stärken, ist eine klare und strategische Zielkommunikation. Schlanke und verständliche Regeln sowie eine möglichst engmaschige Koordinierung unter Verbündeten erleichtern die Einhaltung und erschweren die Umgehung von Sanktionen. Als besonders wirksam und zugleich schonend für die Zivilgesellschaft haben sich gezielte Maßnahmen wie personenbezogene Sanktionen erwiesen, bei denen beteiligte Personen direkt von Geld und Handel ausgeschlossen werden. Der Magnitsky Act war hier ein Meilenstein in der Weiterentwicklung von Sanktionen. Extraterritoriale Sanktionen dagegen sind ein zweischneidiges Schwert; einerseits vergrößern sie die Reichweite der Maßnahmen und reduzieren Schlupflöcher. Anderseits bergen sie die Gefahr einer Fragmentierung globaler Finanz- und Wirtschaftsinstitutionen, weil sich Akteure von entscheidenden Knotenpunkten zurückziehen, also beispielsweise Alternativen zu SWIFT aufbauen. Insofern sind sie weniger zielgerichtet und mit Vorsicht zu genießen, aber in einigen Fällen notwendig, damit ein Sanktionsregime nicht zu einem zahnlosen Papiertiger verkommt. Der bessere Weg ist aber möglichst viele Partner für ein Sanktionsregime zu gewinnen. In der künftigen Weiterentwicklung von Sanktionsmaßnahmen können auch digitale Technologien bei der Zielgenauigkeit helfen und so die Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz der Maßnahmen vergrößern sowie die Kosten der Einhaltung für die eigenen Unternehmen verringern. Schlussendlich müssen Sanktionen dem durch sie betroffenen Regime mehr schaden als der eigenen Wirtschaft.