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Startups
Die deutsch-indische Startup-Connection

Bevor Santhosh Jayaprakash vor fünf Jahren aus Indien nach Deutschland kam, hatte er die Heimat seiner Frau nur bei kurzen privaten Besuchen kennengelernt. Der Start als Jungunternehmer fiel dann ernüchternd aus, obwohl der heute 36-Jährige schon erfolgreich in Indien ein Startup gegründet und verkauft hatte. „Die Bürokratie in Deutschland ist gewaltig und macht das Gründen extrem kompliziert“, sagt der CEO der Ankercloud GmbH. Der Cloud-Computing-Spezialist hilft Kunden beim Aufbau von Plattformen für maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz. Starthilfe bekam Jayaprakash vom German Indian Startup Exchange Program, das ihn vor allem mit Anwälten, Verbänden, Wirtschaftsförderung und potentiellen Kunden vernetzte. Heute beschäftigt der Unternehmer gut 90 Mitarbeiter in Berlin sowie an vier indischen Standorten.

Wie in Deutschland hat sich in Indien eine äußerst lebendige Startup-Szene entwickelt. Der Subkontinent mit seinen gut 1,4 Milliarden Einwohnern zählt mittlerweile rund 77.000 Startups, darunter gut 100 Unicorns, die mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet werden und gut 250 Inkubatoren und Acceleratoren, so der German Accelerator. Aus seiner Sicht ist Indien das zweitgrößte Startup-Ökosystem nach dem amerikanischen Silicon Valley. Zu bekannten Startups zählen etwa die Hotelbuchungsplattform OYO, das Uber-Pendant Ola Cabs oder der Lebensmittellieferdienst Zomato. Zu den Startup-Hochburgen gehören neben Bengaluru, dem Silicon Valley Indiens, auch Delhi, Mumbai, Hyderabad (Spitzname Cyberabad) und Pune. Doch das Umfeld wird schwieriger. Die Finanzierung indischer Startups ist im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum laut Nachrichtenportal Mint um 72 Prozent auf eine Gesamtsumme von 5,5 Milliarden US-Dollar zurückgegangen. Auch die Zahl der Finanzierungsrunden sank. Im ersten Halbjahr 2023 gab es 536 Runden, während es im zweiten Halbjahr des Vorjahrs 946 und im ersten Halbjahr 2022 über 1.500 waren. Die Kapitelknappheit bei indischen Startups hat bereits zu Entlassungen und verzögerten Börsengängen geführt. 

Wie die indischen Jungunternehmen erhielt auch die erfolgsverwöhnte deutsche Startup-Szene einen gehörigen Dämpfer. In den ersten sechs Monaten 2023 ging das Finanzierungsvolumen gegenüber dem ersten Halbjahr 2022 um 49 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro zurück. Die Zahl der Finanzierungsrunden sank im selben Zeitraum um 19 Prozent von 549 auf 447. Diese Zahlen veröffentlichte die Prüfungs-und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) in ihrem jüngsten Startup-Barometer. Berlin sei nach wie vor der Hotspot des deutschen Startup-Ökosystems, aber der „Vorsprung schmilzt“. Die Konkurrenz in Bayern, Hamburg und NRW holt auf. Zu Stars der Szene gehören laut Branchendienst Gründerszene die Smartphonebank N26, der Onlinebroker Trade Republic, der Photovoltaik-Anlagen-Vermieter Enpal, Flixmobility (Flixbus) oder auch Personio (Personal-Software). Starthilfe können die jungen noch nicht so bewerteten Tech-Unternehmer gut gebrauchen.

Die bekommen sie zum Beispiel vom German Indian Startup Exchange Program (GINSEP), von 2017 bis Sommer 2022 Förderprojekt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), das heute als Ausgründung aus dem Startupverband unter dem Dach der Beyond Borders Innovation BBI GmbH weiterhin vor allem indische Startups beim Markteintritt in Deutschland, aber auch deutsche Startups in Indien unterstützt. „Wir sind eine große Plattform, die unabhängig von der Herkunftsregion Startups an einen Tisch bringt, auch mit allen Akteuren des Ökosystems, angefangen von Regierungen, Investoren, Inkubatoren bis hin zu den Gründerzentren der Universitäten“, sagt BBI-Geschäftsführer und GINSEP-Projektleiter Julian Zix. Für GINSEP engagieren sich mehr als 130 Ambassadors, ein Netzwerk mit ehrenamtlichen Experten in Deutschland und Indien, die ihr Know-how der Szene zur Verfügung stellen. „Über ein Tool auf der Website können die Startups passende Ambassadors finden“, unterstreicht Zix. Über dieses Netzwerk entstünden auch Kooperationen.

Während die Experten, etwa von der Deutsch-Indischen Hnadelskammer, ein verstärktes Interesse deutscher Unternehmen am indischen Markt feststellen, ist es bei den Startups laut Zix genau umgekehrt. „In Deutschland registrieren wir ein reges Interesse indischer Startups an einem Markteintritt, darunter vor allem Firmen, deren Geschäftsmodelle sich zum Beispiel mit Industrie 4.0 beschäftigen.“ Umgekehrt würden sich kleine deutsche Jungunternehmen mit bis zu rund 50 Mitarbeitern mit dem Subkontinent schwertun. Beim Gang ins Ausland stünden bei ihnen vielmehr Europa und dann vor allem die USA ganz oben auf der Agenda. „Und wenn Asien, dann China.“ Als großen Unterschied sieht Zix auch, dass indische Jungunternehmer eher ein amerikanisches Mindset hätten, einfach mal etwas ausprobieren würden und weniger Angst vor dem Scheitern hätten. „Der Deutsche rechnet erst einmal zehnmal durch.“ Wie in Deutschland seien Frauen in der Szene deutlich schwächer vertreten, wobei sie in den MINT-Berufen viel präsenter als in Deutschland seien.

Zu den Veranstaltungen gehört das GINSEP Softlanding Programme, das von NRW Global Business, einer Handelsagentur für ausländische Unternehmen, der Stadt Düsseldorf und der Regierung von Karnataka in Indien unterstützt wird. Im Rahmen eines Pitch Days können im August dieses Jahres 16 indische Startups nach einem zweimonatigen intensiven Online-Training zur Vermittlung von Fachwissen ihr Geschäftsmodell beim GINSEP Pitch Day präsentieren. Im Anschluss folgt Networking in NRW und zum Abschluss die Teilnahme am Digital Demo Day in Düsseldorf, Deutschlands größter B2B Startup Expo & Konferenz. Den Markteintritt für indische Startups bezeichnet Zix als schwierig. Visum, Wohnungssuche, Sprache und auch der in Deutschland sehr fragmentierte Markt machen es für Einsteiger kompliziert. Umso wichtiger ist die Hilfe von außen.

Seit 2020 unterstützt der vom BMWK finanzierte German Accelerator deutsche Startups beim Einstieg in den indischen Markt. Im Rahmen seines sechswöchigen Programms „India Market Discovery“ können junge Unternehmen herausfinden, ob der Markt überhaupt in Frage kommt, das Produkt passt oder modifiziert werden muss. Deutsche Startups bekommen Zugang zu einem Netzwerk und erhalten alle wichtigen Informationen rund um Geschäftsausweitung, rechtliche Rahmenbedingungen etc. Rund 64 Startups hätten bislang von dem Programm profitiert, so Programm-Direktorin Shivi Jain. Noch im laufenden Jahr werde der Accelerator ein neues Programm, das „Market Access Programm“ starten, das jeweils vier bis fünf Monate dauert und Startups bei der Expansion, Mitarbeitergewinnung und zum Beispiel Kundenakquise sowie Partnersuche unterstützt. Seit Ende der Pandemie nimmt das Interesse deutscher Unternehmen am indischen Markt laut Shivi Jain zu.

https://www.germanaccelerator.com/

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