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Südafrika
Alice im Wunderland?

Präsident Cyril Ramaphosas Rede zur Lage der Nation
Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa hält seine Rede zur Lage der Nation 2024 in Kapstadt, Südafrika.

Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa hält seine Rede zur Lage der Nation 2024 in Kapstadt, Südafrika.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Esa Alexander

Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa hielt seine vorerst letzte Rede zur Lage der Nation, während das Land nur wenige Monate vor den Parlamentswahlen steht. Während er den Fortschritte betont, sehen Kritiker eine Realität, die weit von den verkündeten Erfolgen entfernt ist. Korruption, Arbeitslosigkeit und eine anhaltende Energiekrise werfen Zweifel auf und könnten das Vertrauen in die Regierungspartei erschüttern.

Am Abend des 8. Februars, nur wenige Monate vor den Parlamentswahlen, hielt der amtierende südafrikanische Präsident seine vorerst letzte Rede zur Lage der Nation und blickte dabei auf die Herausforderungen und Erfolge von 30 Jahren Demokratie und gleichzeitig auch auf den seit 30 Jahren regierenden African National Congress, ANC, zurück.

Die SONA findet stets zu Jahresbeginn statt und gilt in Südafrika als wichtiges politisches Ereignis. Der Präsident verkündet dabei die politischen Ausblicke und Schwerpunkte des anstehenden Jahres. Obwohl die diesjährige SONA eindeutig dem Wahlkampf des ANC gewidmet war, bleibt der für Ende Mai vermutete Termin für die Parlamentswahlen nach wie vor unbestätigt.

Präsident Ramaphosa betonte stattdessen die Fortschritte, die Südafrika seit der Einführung der Demokratie im Jahr 1994 unter ANC-Regierung gemacht habe, wies jedoch auch auf die Herausforderungen hin, vor denen das Land noch stehe. Die systematische Korruption, für die sogar ein Begriff eingeführt wurde, die sogenannte State-Capture, sei ein Vermächtnis des angeklagten Vorgänger-Präsidenten Jacob Zuma und müsse endgültig überwunden werden. Im Rahmen dessen erläuterte er seine Pläne für lokales Wirtschaftswachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Beseitigung von Ungleichheit.

Während sich der ANC und seine Anhänger selbst auf die Schulter klopften, die letzten 30 Jahre feierten und betonten, wie viel sie in Zeiten multipler Krisen erreicht hätten, hagelte es Kritik in den Medien, aus der Opposition sowie aus Teilen der Bevölkerung. Der Fraktionsvorsitzende und Parteivorsitzende der stärksten Oppositionspartei Democratic Alliance (DA), John Steenhuisen zog Parallelen zu „Alice im Wunderland“, so weit entfernt sei die Realität von dem von Ramaphosa berichteten. Der ANC blende komplett aus, dass Korruption und Jugendarbeitslosigkeit einen neuen Höchststand erreicht haben, die Kriminalität wachse und es keine Perspektive für die jungen Südafrikaner und Südafrikanerinnen gäbe. Kritiker befürchten, dass Südafrika ein ähnliches Schicksal wie Simbabwe drohe, sollte die Regierung weiterhin keine konkreten Pläne vorlegen und diese auch nicht umsetzen.

„Das Schlimmste ist überstanden“ – Findet Südafrika seinen Weg aus der verheerenden Energiekrise?

Südafrika befindet sich seit Jahren in einer massiven Elektrizitätskrise, die regelmäßig zu partiellen Stromabschaltungen für mehrere Stunden führt und enorme Auswirkungen auf die wirtschaftliche Produktivität des Landes hat. Erst letztes Jahr erreichte das Land einen neuen Höchstwert an Stromabschaltungen – an 332 Tagen kam es in 2023 zum sogenannten „Loadshedding“. Während am Abend der Präsident betonte, dass „das Schlimmste überstanden und das Ende der Stromabschaltungen schon zum Greifen nahe sei“, saß in der Nacht nach der Ansprache schon wieder ein Teil der Bevölkerung im Dunkeln. Der Präsident versprach jedoch, Bereiche im erneuerbaren Energiesektor auszubauen und damit auch Arbeitsstellen schaffen zu wollen.

Ampelanlage an einer belebten Kreuzung während eines geplanten Lastabwurfs (Loadshedding) in Landsdowne, einem Vorort von Kapstadt. Beim sogenannten "Loadshedding" wird für mehrere Stunden der Strom abgestellt, um das Stromnetz zu entlasten.

Ampelanlage an einer belebten Kreuzung während eines geplanten "Loadshedding" in Landsdowne, einem Vorort von Kapstadt. Beim sogenannten "Loadshedding" wird für mehrere Stunden der Strom abgestellt, um das Stromnetz zu entlasten.

© picture alliance/dpa | Rodger Bosch

„We have come a long way“

In seiner Rede zur Lage der Nation übte sich der Präsident einleitend noch in Optimismus. In den Vordergrund stellte der zu den reichsten Südafrikanern zählende Präsident und Unternehmer, dass Südafrika seit 1994 große Fortschritte gemacht habe. Allerdings stehe das Land immer noch vor großen Herausforderungen wie einer hohen Arbeitslosigkeit, tief verwurzelter Armut, von der Millionen Menschen betroffen sind, und zunehmender Ungleichheit zwischen den Bevölkerungsschichten. „Die Wirtschaft ist heute dreimal so groß wie vor 30 Jahren. Die Zahl der erwerbstätigen Südafrikaner ist von acht Millionen auf heute über 16,7 Millionen gestiegen“, so Ramaphosa. Der Präsident gab zwar zu, dass die Arbeitslosenrate sich auf einem Allzeithoch befinde und kündigte an, die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen zu wollen. Er ließ jedoch das volle Ausmaß außer Acht: Jeder dritte Schulabgänger oder Uniabsolvent im Alter von 15-24 Jahren hat keine Perspektive auf eine formelle Beschäftigung. Es kommt noch schlimmer: Erwerbsfähige zwischen 15 und 34 Jahren sind zu 43% weder in Beschäftigung noch in schulischer oder beruflicher Ausbildung.

Korruption ist im Staatsapparat „tief verwurzelt“

Der ehemals praktizierende Jurist Ramaphosa räumte ein, dass die Korruption in Südafrika „tief verwurzelt sei“ und bezeichnete diese als „eine der größten Herausforderungen, mit denen sich diese Regierung seit ihrem Amtsantritt auseinandersetzen musste“.  Ihm sei bewusst, dass das öffentliche Vertrauen darunter leide und dass die Regierung die Korruption endlich ausrotten müsse. Er erläuterte die Anstrengungen der Regierung zur Bekämpfung von Korruption und rief die Bevölkerung zur Wachsamkeit auf. Während der Präsident durchweg offen Korruption in seinen eigenen Parteireihen ansprach, was von der Bevölkerung anerkannt wurde, gab es gegen ihn selbst im Jahr 2022 bereits Korruptionsvorwürfe und Kritik, nachdem rund 580.000 USD in bar in einem Sofa auf seiner Farm versteckt gewesen waren.

Die anstehenden Wahlen – eine große Vertrauensfrage

Der ANC beendete die grauenhafte Apartheid und wurde deshalb über Jahre hinweg gefeiert und in Ehren gehalten. Man fühlte sich verbunden und betrachtete es als eine Art der Loyalität, den Afrikanischen Nationalkongress und damit das Vermächtnis des Freiheitskämpfers Nelson Mandela zu unterstützen und letztlich auch zu wählen. Erstmals seit Ende der Apartheid und nach 30 Jahren ANC Regierung könnte Umfragen zufolge die Regierungspartei die Mehrheit im Parlament jedoch verlieren.

Das junge Südafrika scheint zunehmend das Vertrauen in die ehemalige Freiheitspartei zu verlieren. Es sind diejenigen, die von Armut, Ungleichheit sowie Arbeits- und Perspektivlosigkeit am stärksten betroffen sind und leere Versprechungen satthaben.

Genesis Cleveland, LL.M. Berkeley, arbeit als Senior Consultant an Projekten im südlichen Afrika.