Wahlen in Südafrika

Südafrikanische Wahlen: Auf der Suche nach dem politischen Match

Südafrika schreitet am 29. Mai 2024 im Rahmen der anstehenden Parlaments- und Provinzwahlen zu den Wahlurnen. Nach 30-jähriger Regierung durch die Partei Nelson Mandelas, den Afrikanischen Nationalkongress (ANC), und zugleich 30 Jahre nach den ersten demokratischen Wahlen, erscheint die Parteienlandschaft vielfältiger und dynamischer und der Ausgang der Wahlen ungewisser als je zuvor.

Das politische Terrain im Wandel

Nachdem Südafrika mit den historischen Wahlen von 1994, die das Ende der Minderheitenherrschaft und den Beginn einer neuen Ära markierten, aus dem Schatten der Apartheid hervortrat, schlug es mit Nelson Mandela an der Regierungsspitze ganz nach seiner Vision einer „Regenbogennation“ einen Weg Richtung Inklusion und Gleichberechtigung ein. Als Befreier von der Apartheid hat der ANC seit jeher eine bedeutende Stellung bei den Wahlen eingenommen und die politische Landschaft von Südafrika über drei Jahrzehnte lang geprägt.

Doch das politische Terrain verschiebt sich, denn am Horizont zeichnen sich wichtige Themen ab, die das Gefüge der südafrikanischen Gesellschaft in Frage stellen: Wirtschaftliche Ungleichheit, das Erbe des Landbesitzes, eine desaströse staatliche Gesundheitsversorgung, wachsende Kriminalität, eine anhaltende Energiekrise und hohe (Jugend-)Arbeitslosigkeit sind nach wie vor zentrale Themen im nationalen Diskurs und prägen die Prioritäten von Wählern und Politikern gleichermaßen.

Während der regierende ANC versucht, an die gemeinsame Überwindung der Apartheid zu erinnern und an die einstige Loyalität der Wählerschaft zu appellieren, um so das Vertrauen zurückzuerlangen, setzt sich die Oppositionsführerin, die Democratic Alliance (DA), die auch mit absoluter Mehrheit im Westkap regiert, für eine Agenda zur „Rettung Südafrikas“ ein. Diese Agenda zielt auf eine rasche Umstrukturierung innerhalb von 100 Tagen nach einem Wahlsieg ab.

Auch kleinere Parteien buhlen um die Aufmerksamkeit der Wählerschaft. Build One South Africa (BOSA), Rise Mzansi und Action SA, die von ehemaligen DA- oder ANC-Politikern angeführt werden, richten sich an eine aufkeimende schwarze Mittelschicht, während die linksradikalen Economic Freedom Fighters (EFF) Verstaatlichung und Landenteignung propagieren. Die Inkatha Freedom Party (IFP), die insbesondere bei der Zulu-Gemeinschaft großen Anklang findet, ringt mit dem ANC um die Vorherrschaft in der Provinz Kwazulu Natal.

Die wichtigsten Akteure im Überblick

Der ANC: Drei Jahrzehnte lang war der ANC das Gesicht der südafrikanischen Regierung und steuerte das Land durch die Folgen der Apartheid. Trotz seiner historischen Bedeutung wird der ANC wegen seines Umgangs mit Themen wie Arbeitslosigkeit, Korruption und Infrastrukturverfall nun von den Wählern auf den Prüfstand gestellt. In seinem Wahlkampf besinnt sich der ANC auf seine Wurzeln als Freiheitsbewegung und wird trotz direkten Korruptionsvorwürfen im Jahr 2022 weiterhin von Präsident Ramaphosa geführt.

Die DA: Als größte Oppositionspartei stützt die DA ihren Anspruch auf die Regierungsführung auf ihre bereits erfolgreichen Provinzregierung und Stadtführung im Westkap und in Kapstadt und setzt sich für eine Agenda des Wirtschaftsliberalismus und der Regierungseffizienz ein. Allerdings hat die Partei mit inneren Brüchen zu kämpfen und wird oft so wahrgenommen, als würde sie sich in erster Linie an die weiße Bevölkerung richten, angeführt von John Steenhuisen mit der einflussreichen Helen Zille im Hintergrund.

Die EFF: Unter der Führung von Julius Malema setzt sich die EFF für eine radikale linke Politik ein, darunter entschädigungslose Landenteignung, Verstaatlichung von Schlüsselindustrien und Verdoppelung der Sozialhilfen. Die EFF positioniert sich als Alternative zum politischen Mainstream-Establishment und zieht dadurch vor allem junge desillusionierte Südafrikaner und ehemalige ANC-Anhänger an. Ebenso hat die EFF ihren Einfluss auf junge Studenten ausgeweitet, die die gegenwärtige Politik als ausbeuterisch und ungerecht empfingen.

MK: Wurde vom ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma gegründet und versucht, Zuma-Loyalisten und linke Fraktionen innerhalb des ANC zu mobilisieren. Mit seinen Versprechen eines radikalen Wandels und seiner populistischen Rhetorik stellt MK eine potenzielle Bedrohung für die Wahlhochburgen des ANC in den Provinzen KwaZulu-Natal und Mpumalanga dar.

ActionSA: Ein Spin-off der DA unter der Leitung von Ex-Bürgermeister Herman Mashaba, konzentriert sich auf liberale Wirtschaftspolitik und das Narrativ selbstgemachten Erfolgs und spricht ein breites Spektrum von Wählern an, die von den traditionellen Parteien desillusioniert sind. Mit ihren Äußerungen hinsichtlich Kriminalität und Zuwanderung sind sie leicht rechts angesiedelt.

BOSA: Ein weiterer Ableger der DA, angeführt von Mmusi Maimane, richtet sich an junge Berufstätige und Wähler der Mittelschicht, die sowohl vom ANC als auch von der DA desillusioniert sind.

IFP: Mit einer starken Basis in KwaZulu-Natal präsentiert sich die IFP als prinzipielle Alternative zum ANC, die sich für eine integritätsbasierte Regierungsführung einsetzt und sich an westlichen außenpolitischen Positionen orientiert.

Rise Mzansi: Ein Neuling in der politischen Szene, unter der Führung von Songezo Zibi, vertritt klassische sozialdemokratische Werte und konzentriert sich auf Führung, Sicherheit, Wirtschaft, Wohlbefinden und Klimaschutz. Darüber hinaus sieht ihre Agenda frauenfördernde Programme vor.

Der passende Match

Viele Südafrikaner stehen vor der zentralen Frage, welche Partei ihre Werte und Überzeugungen am besten vertritt, wenn sie ihre Stimme bei diesen richtungsweisenden Wahlen abgeben.

Durch die Analyse der in den Manifesten dargelegten, auf Wahlkampfveranstaltungen verkündeten und in zahlreichen von der Zivilgesellschaft im Vorfeld der Wahlen organisierten Dialogveranstaltungen gemachten Aussagen zu den Kernthemen Wirtschaft, Gesundheitswesen, Bildung und soziale Werte können Sie herausfinden, welche Partei Ihrem politischen Ideal nahekommt. Es ist jedoch wichtig zu bedenken, dass wahrscheinlich keine Partei zu 100 Prozent mit Ihren persönlichen Werten und Normen übereinstimmen wird:

Wirtschaft

Welcher wirtschaftliche Ansatz spricht Sie am meisten an?

a) Vorrang für Wachstum des Privatsektors und Deregulierung (DA, BOSA)
b) Befürwortung von Verstaatlichung und Vermögensumverteilung (ANC, EFF)
c) Förderung der Entwicklung kleiner Unternehmen und des Unternehmertums (ActionSA, Rise Mzansi)

Gesundheitswesen

Auf was sollte das Gesundheitssystem einen Fokus legen?

a) Fokus auf öffentliche Gesundheitsversorgung und Zugang für alle (ANC, EFF, RISE)
b) Unterstützung der Beteiligung des privaten Sektors und des Wettbewerbs (DA, BOSA)
c) Befürwortung eines Hybridsystems mit öffentlichen und privaten Optionen (ActionSA, IFP)

Bildung

Welche Bildungspolitik spiegelt Ihre Ideale am besten wider?

a) Investitionen in die öffentliche Bildung und gleicher Zugang für alle (ANC, EFF)
b) Freie Schulwahl und Wettbewerb unterstützen (DA, BOSA)
c) Qualifikationsentwicklung und Berufsausbildung in den Vordergrund stellen (ActionSA, Rise Mzansi)

Soziale Werte

Welcher Ansatz für soziale Gerechtigkeit und Werte spricht Sie an?

a) Fokus auf Wiedergutmachung für historische Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten (ANC, EFF)
b) Betonung von Leistungsgesellschaft und Chancengleichheit (DA, BOSA)
c) Befürwortung der Stärkung der Gemeinschaft und der sozialen Wohlfahrt (IFP, RISE)