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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Klimaproteste
Last Generation: Die Zerstörung des öffentlichen Raums

Von Karl-Heinz Paqué
last generation

Orangefarbene Farbspritzer kleben an der Fassade und dem Parteilogo des Gebäudes der FDP-Zentrale in Berlin

© picture alliance / EPA | CLEMENS BILAN

Vielleicht waren die Ereignisse in dieser Woche ein Wendepunkt. Jedenfalls im Bewusstsein der breiteren Öffentlichkeit. Drei Aktionen der selbsternannten „Last Generation“ von Klima-Aktivisten erregten die Gemüter.

Am Mittwoch wurden die Bundeszentralen der drei Parteien der Ampelkoalition mit roter Farbe beworfen  - natürlich mit entsprechend schriller verbaler Begleitmusik von erregten Aktivisten. Kriminalistische Diagnose: Sachbeschädigung. Politische Diagnose: Ein militanter Versuch, die demokratisch legitimierte Regierung Deutschlands durch Anwendung von Gewalt und der Verbreitung entsprechender Bilder in den Medien einzuschüchtern. Nach dem Motto: „Unser Wille geschehe. Und folgt Ihr, die Ampel-Koalitionäre, diesem Willen nicht, dann beschmieren und beschmutzen wir Euren Besitz. Und wenn das beim ersten Mal nichts hilft, dann machen wir das eben noch ein paar Mal. Es gibt ja allerorten genug Ziele mit den nötigen politischen Symbolwirkungen." Kurzum: Versuche der Nötigung. 

Zuvor war es im Laufe der Woche zu weiteren Festklebe-Protesten auf Berliner Hauptverkehrsachsen gekommen - zum wiederholten Male. Es gehört gewissermaßen schon zum gewohnten Störungsbild des Berufsverkehrs und wurde bisher mit einem ungeheuren Langmut der Berliner Politik und Polizei ertragen. Diesmal passierte allerdings etwas wirklich Dramatisches: Es hatte einen Unfall gegeben, und das eilig benötigte Rettungsfahrzeug blieb im Stau stecken - und zwar in jenem Stau, der durch die Aktion verursacht wurde. Die Bergung einer verletzten Radfahrerin, die unter einem Lastwagen lag, wurde dadurch massiv verzögert. War ein solches Ereignis voraussehbar? Natürlich! Wer regelmäßig in Berlin mit dem Wagen oder Fahrrad fährt, der weiß, dass es sehr häufig zu Noteinsätzen von Blaulichtfahrzeugen kommt. Regelmäßig müssen die sich dann durch Staus schleusen, und da ist es eine reine Frage der Wahrscheinlichkeit, dass dies auch mal für einen aktionsbedingten Stau gilt. Es geht da um die fahrlässige Verhinderung von Hilfeleistungen, im Extremfall mit Todesfolge. Das ist keine Petitesse.

Wenige Tage vorher war es zu Angriffen von Klima-Aktivisten der „Last Generation“ auf ausgestellte Kunstwerke gekommen, darunter ein Bild von Claude Monet im Museum Barbarini Potsdam, das daraufhin eine Woche lang schließen musste. Da ähnliche Vorfälle sich jüngst häuften, gibt es unter Museumsverantwortlichen eine neue Welle der Diskussion - und zwar nicht über das Klima, sondern über die nötigen Sicherheitsvorkehrungen vor Ort: komplettes Verbot der Mitnahme von Taschen, massenhafte Einrichtung von Schließfächern, sorgfältige Körperscannung am Eingang im Stil unserer Flughäfen etc. etc. Alles Maßnahmen, die den Staat oder die gemeinnützigen Betreiber viel Geld kosten und den gelassenen Gang durch ein Museum stören. Sie verwandeln die Tempel der Kunst in Trakte der Hochsicherheit. Ein trauriges, aber unvermeidliches Ergebnis des sogenannten Aktivismus. Wollen wir das wirklich?

Fazit: Wer keinen Wert legt auf den Schutz des Eigentums, der Hilfeleistungen bei Unfällen und die zivilisierte Zugänglichkeit von Kunst und Kultur, der kann dem Treiben von „Last Generation“ ungerührt zuschauen. Wer aber unsere Errungenschaften des frei zugänglich öffentlichen Raums schätzt, der muss spätestens nach dieser Woche laut Alarm rufen. So darf das wirklich nicht weitergehen. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel, denn diese Mittel sorgen zwangsläufig für die Zerstörung des öffentlichen Raums.

Es ist eine der großen Errungenschaften der europäischen Zivilisation, dass hierzulande auf Plätzen, Straßen und in offen zugänglichen Gebäuden noch immer ein hohes Maß an Freiheit und ein relativ geringes Maß an Überwachung herrscht. Man muss nur andere Kontinente aufsuchen, um zu sehen, wie sich Gesellschaften durch Gewalt zerlegen - in „Gated Communities“ und hermetisch abgeschlossene, kontrollierte Räume. Diese Entwicklung zu stoppen, das ist eine zentrale Aufgabe des Rechts- und Kulturstaats. Davon dürfen wir uns von Aktivisten der „Last Generation“ nicht abbringen lassen.