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Der Anfang vom Ende?

Zum dritten Mal innerhalb von zwei Wochen hat Präsident Donald Trump die „Aussiedlung“ der Palästinenser aus Gaza nach Ägypten und Jordanien thematisiert. Beim ersten Mal brachte er im Rahmen eines Interviews mit Journalisten in der Air Force One dieses Konzept als Idee und Vorschlag vor. Gaza sei kein lebenswerter Raum in diesem Moment und müsste „richtig gesäubert“ werden. Offen blieb dabei, ob es sich lediglich um die Beseitigung und Aufräumarbeiten der durch die israelischen Angriffe entstandenen Zerstörung handelte oder sich auch auf Menschen bezog.
Nur wenige Tage später konkretisierte er in einem Pressegespräch im Weißen Haus seine „Idee“ dahingehend, dass er mittlerweile schon mit den Regierungen in Kairo und Amman darüber gesprochen habe. Trotz der ablehnenden Haltung in beiden arabischen Staaten gehe er aber davon aus, dass sie letztendlich doch nachgeben würden.
Den Höhepunkt bildete jedoch die offizielle Pressekonferenz am 05. Februar, die anlässlich des US-Besuches des israelischen Premierministers Benjamin Netanyahu gegeben wurde. Jetzt kündigte er sogar an, dass die USA den Gaza-Streifen „reinigen“ würden und ihn dann wiederaufbauen würden. Seine Worte gipfelten in einem konkreten Besitzanspruch Gazas „We’ll own it“. Zwar würden die Nachbarstaaten Ägypten und Jordanien weiterhin offiziell eine Aufnahme der Palästinenser aus Gaza verweigern, aber sie würden nach weiteren Gesprächen sicherlich eine große Bereitschaft zur Aufnahme zeigen.
Selbst Benjamin Netanyahu konnte man das Erstaunen und die Überraschung ob dieses klaren Bekenntnisses deutlich ansehen. Er schien sein Glück kaum fassen zu können und beeilte sich, Trumps Anmaßungen als „neue Idee“ und lohnenswerten Vorschlag zu bezeichnen.
Bereits die ersten beiden Ankündigungen sorgten in der arabischen Welt für Erstaunen und Ablehnung. Besonders die Forderung, die Palästinenser aus ihrer Heimat zu vertreiben und sie in Ägypten und Jordanien aufzunehmen, stieß auf Widerstand. Dies veranlasste insbesondere den jordanischen Außenminister Safadi zu einer deutlichen Stellungnahme mit den Worten: „Palestine is for the Palestinians and Jordan is for the Jordanians.“
Die jüngsten Äußerungen Trumps kamen einem politischen Erdbeben gleich und lösten Bestürzung und noch heftigere Reaktionen aus.
Der türkische Außenminister verdammte regelrecht Trumps Äußerungen. Sie seien „inakzeptabel und kein Teil türkischer Politik noch der Länder in der Region“, es gäbe noch nicht einmal eine Veranlassung, dies zu diskutieren. Das saudische Außenministerium beeilte sich, seine unverbrüchliche Position für einen Palästinenserstaat zu bekräftigen. Dies ließe unter keinen Umständen Raum für „Fehlinterpretationen“. Ägyptens Außenminister unterstrich und wiederholte Kairos klare Position, dass die Palästinensische Autonomiebehörde den Gazastreifen regieren müsse. Die Arabische Liga sah in Trumps Äußerungen sogar die Aufforderung einer internationalem Recht widersprechenden Vertreibungsstrategie. Am heftigsten fiel erwartungsgemäß die Reaktion der „Palestinian National Initiative“ aus. Generalsekretär Barghouti stellte Trumps Vorschlag sogar in eine Linie mit den gegenüber Israel oftmals geäußerten Vorwürfen eines Völkermordes. „What Netanyahu failed to achieve through genocide war will not be accomplished by the American administration through political pressure”. In Jordanien löste Trumps jüngste Äußerung eine intensive Telefonpolitik des Königs aus. In Gesprächen mit UN Generalsekretär Guterres, dem palästinensischen Präsidenten Abbas, dem saudischen Kronprinzen und dem Herrscher von Katar wurde jeweils auf der Zwei-Staaten-Lösung bestanden, deren palästinensischen Territorien aus Gaza, der Westbank und Ostjerusalem bestehend definiert wurden. Einige Parlamentarier reichten sogar einen Gesetzvorschlag zur „Verhinderung der Vertreibung der Palästinenser auf Gebiete des Haschemitischen Königsreiches“ ein. Sehr aufschlussreich Jordanien betreffend ist, dass die klaren Reaktionen von offiziellen Regierungsstellen kommen. Seitens politischer und im Parlament vertretener Parteien gibt es bisher kaum Stellungsnahmen, und wenn doch, dann kopieren sie in der Regel nahezu die Inhalte der Regierung. Dies trifft auch überraschenderweise auf die Islamic Action Front als politischen Arm der Muslim Brotherhood zu. Die meisten Kommentare und Stellungnahmen der Medien und Journalisten in Jordanien konzentrieren sich darauf, dass das Haschemitische Königreich keine weitere Flüchtlingswelle und schon gar keine palästinensische verkraften könne.
Es bleibt abzuwarten, mit welcher Strategie und Anreizen die US-Regierung diese eindeutige und nahezu einheitliche Ablehnung seines Vorschlages bei den staatlichen Akteuren in der Region zugunsten des Trumpschen Konzeptes umdrehen will. Ein Ansatzpunkt könnte die große finanzielle Unterstützung der USA für Ägypten und Jordanien sein, beide Länder sind sehr stark abhängig von den US Finanzspritzen. Eine Entkopplung dieser Abhängigkeit könnte nur durch das Einspringen der finanziell starken Ländern Qatar, Saudi-Arabien und der Vereinigten Arabischen Emirate erfolgen. Die EU und Deutschland, die ohnehin schon zweitgrößter Geldgeber in Ägypten und Jordanien sind, können eine noch stärkere finanzielle Unterstützung nicht stemmen und es würde auch politisch intern nicht konsensfähig sein.
Im Gegensatz zu den meisten Reaktionen in Europa und der europäischen Medien, die Trump oftmals Taktik unterstellen, um andere Ziele - oder einen Kompromiss in seinem Sinne - zu erreichen, nehmen die arabischen Staaten Trumps Äußerungen sehr ernst. Sie sehen gerade auch in der Einladung Netanyahus als ersten Regierungschef ins Weiße Haus nach der erneuten Übernahme der Präsidentschaft ein unzweideutiges Signal der neuen Administration in Washington. Hinzu kommt, dass Trump die Israelpolitik seiner ersten Administration, Verlegung der Botschaft nach Jerusalem und der damit verbundenen Konsequenzen rigoros fortzusetzen scheint. Unterstützt wird diese Einschätzung auch dadurch, dass Trump seine Stellungnahme nicht wie üblich frei, sondern sehr konzentriert vom Papier abgelesen hat, was auf eine langfristige Vorbereitung der Position hindeuten lässt.
Die aus Trumps Sicht vermeintlich klare Vision von einem US-amerikanischen Gaza-Streifen und einem neu zu entstehenden Palästinenser-Staat in Jordanien haben nicht nur für Verwirrung, sondern auch für tiefe Empörung gesorgt. Falls es einer US-Administration gelingen sollte, eine solch anmaßende Vorstellung in die Realität umzusetzen, wäre langfristig weder ein Frieden im Nahen Osten zu sehen noch eine Sicherheitsgarantie für die westliche Welt ausgestellt. Insbesondere der dem Westen äußerst wohl gesinnte arabische Staat Jordanien ist ein so wichtiger Schlüsselstaat der Region, dessen Geduld und Wohlwollen nicht weiter strapaziert werden sollten.