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Ostasien
“Ein Versuch, die Spannungen abzubauen”

Interview mit Frederic Spohr, dem Leiter des Korea-Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Seoul
Yoon Suk Yeol

For the first time since 2019, a summit meeting between China, Japan and South Korea is scheduled for end of May.

© picture alliance / YONHAPNEWS AGENCY | Yonhap

Erstmals seit 2019 soll es Ende Mai wieder zu einem Spitzentreffen zwischen China, Japan und Südkorea kommen. Chinas aggressives Vorgehen und Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine haben die Spannungen in Ostasien erhöht. Doch wirtschaftlich sind die Staaten eng miteinander verflochten. Der Gipfel in Südkoreas Hauptstadt soll zunehmender Blockbildung entgegenwirken.

Freiheit.org sprach mit Frederic Spohr, dem Leiter des Korea-Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Seoul, über die Hintergründe des bevorstehenden Treffens.

Ende Mai soll ein Gipfeltreffen zwischen Japan, China und Südkorea stattfinden. Es ist geplant, dass sich Japans Regierungschef Fumio Kishida, Chinas Regierungschef Li Qiang und Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol in Seoul treffen. Warum ist der Gipfel wichtig?

Alle drei Staaten haben enorme globale wirtschaftliche Bedeutung. Sie machen deutlich mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung Asiens aus. Zudem handelt sich um die drei wirtschaftlich stärksten Staaten der "Regional Comprehensive Economic Partnership" - der größten Freihandelszone der Welt. Allerdings haben sich die politischen Spannungen in den vergangenen Jahren verschärft. Gleichzeitig wissen alle Parteien, dass Kooperation essentiell ist. Sie beteuern, prinzipiell an guten Beziehungen interessiert zu sein. Der Gipfel ist ein Versuch, die Spannungen abzubauen.

Welche Spannungen gibt es?

Südkorea und Japan beobachten das zunehmend aggressive Verhalten Chinas im ostchinesischen sowie im südchinesischen Meer mit Sorge. Wöchentlich dringen Schiffe der chinesischen Küstenwache in die Gewässer rund um die von Japan kontrollierten Senkaku-Inseln ein. Auch die Drohgebärden gegenüber den Philippinen und Taiwan werden in Südkorea und Japan zunehmend als Bedrohung wahrgenommen. Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol hat China für seine aggressive Politik gegenüber Taiwan kritisiert. Das wäre vor Jahren noch undenkbar gewesen. Im April war Japans Ministerpräsident Fumio Kishida gemeinsam mit dem philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos Jr. in den Vereinigten Staaten. Sie berieten sich mit US-Präsident Joe Biden. Hauptthema war eine militärische Kooperation, um China Paroli bieten zu können. Das sieht Peking nicht gerne.

Die wirtschaftlichen Beziehungen sind eng, geographisch liegen die Staaten eng beieinander. Warum sind seit dem letzten Gipfel fünf Jahre vergangen?

In der Regel sollten die Gipfel zwischen den drei Staaten jedes Jahr stattfinden. Hierfür schufen die Staaten sogar eine Institution: das "Trilateral Cooperation Secretariat". Der jüngste Gipfel fand im Dezember 2019 statt - also kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Dass seitdem keine Gipfel mehr stattfanden, lag zum einen an der Pandemie zum anderen an den aufkommenden Differenzen. Selbst der nun anstehende Gipfel ist wenige Tage vor dem geplanten Termin am 26. und 27. Mai noch nicht offiziell bestätigt und könnte theoretisch noch einmal verschoben oder abgesagt werden. Das zeigt, wie schwierig die Koordination zwischen den Staaten ist.

Welche Rolle spielt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine?

Die Kombination von Chinas Machtstreben und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Sicherheitssorgen Japans und Südkoreas verstärkt. Die globale Ordnung erodiert, Angriffskriege zur Machterweiterung sind plötzlich wieder Realität. Japan und Südkorea suchen deswegen den Schutz der USA. Ein Dreiergipfel in Camp David zwischen den USA, Südkorea und Japan im August des vergangenen Jahres zeigte das eindrücklich. Die beiden asiatischen Staaten sondieren außerdem einen teilweisen Beitritt zum trilateralen Militärbündnis AUKUS, das zwischen den USA, Großbritannien und Australien besteht. Auf der anderen Seite gibt es seit dem Krieg in der Ukraine eine engere Kooperation zwischen Russland, China und Nordkorea. Nordkorea beliefert Russland mit Waffen und erhält im Gegenzug vermutlich Technologie und Kapital. Dass sich China bei einer Entscheidung im UN-Sicherheitsrat zur Fortführung der Sanktionsüberwachung Nordkoreas enthalten hat, kann als Billigung dieser Kooperation gewertet werden. Der Ukraine-Krieg verstärkt die Blockbildung.

Das Verhältnis zwischen Japan und Südkorea war jahrzehntelang angespannt. Nun hat es sich deutlich verbessert. Wie kommt das?


Aufgrund von Japans früherer Kolonialherrschaft in Südkorea ist das Verhältnis zwischen den beiden Staaten historisch stark belastet. Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol hat sich intensiv für eine Annäherung eingesetzt. Er ist damit ein Risiko eingegangen, da manche Südkoreaner immer noch Vorbehalte gegen Japan haben. Aber heute haben die beiden liberalen Demokratien viele gemeinsame Interessen. Ihr besser werdendes Verhältnis dürfte Südkorea und Japan auch helfen, sich besser gegen den mächtigen Nachbarn China positionieren zu können.

Wie reagiert China?

Die Volksrepublik fühlt sich in Asien zunehmend isoliert. In chinesischen Staatsmedien wurde das Treffen der USA, Südkoreas und Japans in Camp David als Versuch kritisiert, eine “Mini-Nato” zu bilden. China wird den Gipfel nutzen wollen, der sich bildenden Allianz zwischen den USA, Südkorea und Japan etwas entgegenzusetzen. Nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch wirtschaftlich.

Wie ist das wirtschaftliche Verhältnis zwischen China und Südkorea?

China ist Südkoreas wichtigster Handelspartner. Allerdings gibt es, ähnlich wie in Deutschland, Bestrebungen, die Abhängigkeit von China zu reduzieren. In den vergangenen Jahren investierten südkoreanische Unternehmen mehr in den Vereinigten Staaten als in China. Das geschah nicht ganz freiwillig, sondern ist auch eine Folge amerikanischer Handelsrestriktionen. Sie erschwerten es, dass südkoreanische Firmen ihre Produktionsanlagen in China mit modernen Maschinen ausstatten können. Laut Medienberichten fordern die USA Südkorea zudem auf, sich weiteren US-Exportrestriktionen bezüglich moderner Chips anzuschließen. Doch Südkorea ist zögerlich, weil Gegenmaßnahmen der Chinesen zu befürchten sind. China wird den Gipfel möglicherweise dazu nutzen, Südkorea davon zu überzeugen, sich den amerikanischen Restriktionen nicht anzuschließen. Für Südkorea ist das keine einfache Situation.

Welche Beschlüsse sind vom Gipfel zu erwarten?
 

Grundsätzliche Entscheidungen sind unwahrscheinlich. Es ist davon auszugehen, dass es eine recht allgemeine Abschlusserklärung geben wird. Dass der Gipfel überhaupt stattfindet, ist angesichts der Spannungen zwischen den Staaten das Bemerkenswerte. Noch im April war es wieder zu einem Eklat gekommen: China reagierte empört darauf, dass Südkorea die taiwanische Digitalministerin Audrey Tang auf dem “Summit for Democracy” online zuschaltete.

*Frederic Spohr ist Leiter des Korea-Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Seoul.