USA vor der Wahl
Was bedeutet die Nominierung von Tim Walz ?
Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin in den USA erreichen meistens ihren medialen Höhepunkt in den Tagen nach der Bekanntgabe. Die Persönlichkeit des Kandidaten, Mann oder Frau, Hautfarbe, die regionale Herkunft, die politischen Ansichten sollen Botschaften an die Wähler aussenden, manchmal auch die Parteiflügel befrieden. Die Entscheidung von Donald Trump für J. D. Vance, politischer Neuling im Senat und Trump-Jünger, hat eine andere Botschaft ausgesendet: Seht her, ich Donald Trump, kann nominieren, wen ich will und dabei auch das gesamte Parteiestablishment ignorieren.
So bedeutet die Nominierung von J.D. Vance inhaltlich „more of the same“. Vance hat den Wählerteich für die Republikaner kaum vergrößert, eher vertieft. Inzwischen erregt J.D. Vance mehr Aufsehen als den Republikanern lieb ist, etwa durch seine Äußerung zu den „Katzen liebenden, kinderlosen Frauen“. Diese Diskriminierung war ursprünglich an die Führungsriege der Demokraten gerichtet, hat sich aber inzwischen medial als allgemeine Diskriminierung von Frauen verselbständigt.
Tim Walz als geringstes Risiko
Um solches Irrlichtern und andere Risiken zu vermeiden, hat das Team von Kamala Harris ein aufwändiges „Vetting“, also eine Überprüfung der Kandidaten auf der Short List durch eine Anwaltskanzlei durchgeführt. Ziel der Überprüfung ist die Bewertung der politischen Risiken, aber auch der persönlichen Skandalisierungspotentiale. Da wurde von Steuererklärungen über alte Presseerklärung alles durchleuchtet, damit nicht nach der Nominierung die böse Überraschung kommt.
Das Ergebnis des Prozesses ist nun der Gouverneur von Minnesota, Tim Walz. Er ist zwar nur ein Jahr älter als Kamala Harris, hat aber eine väterliche Ausstrahlung. Er gilt als Vermittler in der Gruppe der demokratischen Gouverneure, auch im Streit um den Rückzug von Joe Biden. Es sind wohl die Eigenschaften Loyalität und Zurückhaltung, die für den Mann aus dem Mittleren Westen gesprochen haben. Tim Walz ist nicht so bekannt wie die anderen Politiker, die im Rennen für die Kandidatur waren, wie etwa der Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro. Die Entscheidung für Walz, den früheren Highschool-Lehrer, ist vielleicht das geringste Risiko. Aber auch Walz hat Angriffsflächen. Er hat bei den Ausschreitungen nach der Tötung des Schwarzen George Floyd durch die Polizei die Nationalgarde eingesetzt. Das ist allerdings schwierig für Republikaner politisch auszuschlachten. Eher werden sie Walz als einen „Linken“ brandmarken.
Tim Walz kommt auch nicht aus einem Swing State. Doch die Hoffnung ist, dass er wichtige Wählergruppen im benachbarten Wisconsin, in Michigan und in Pennsylvania anspricht. Für die Mehrheiten in diesen Swing States müssen auch weiße Industriearbeiter gewonnen werden, die oft die Verlierer des Strukturwandels sind. Diese Gruppe soll auch der aus Ohio stammende J.D. Vance ansprechen. Der Wettbewerb so unterschiedlicher Typen wie Tim Walz und J.D. Vance kann auch das Duell der Vizepräsidentenkandidaten spannend machen.
Trump und Vance liegen in Umfragen vorn
Auf jeden Fall bildet das Gespann Kamala Harris und Tim Walz ein viel breiteres Spektrum der US-Wählerschaft ab als die beiden weißen Männer Donald Trump und J.D. Vance. Letztere liegen allerdings in den Umfragen noch vorn.
Der nächste große Auftritt kommt dann ab dem 19. August auf dem Parteitag in Chicago, wenn die Demokratische Partei sich, ihre Präsidentschaftskandidatin und den Vizepräsidentschaftskandidaten feiert. Zwar wird in den USA hauptsächlich auf die Nummer eins geblickt und die Nummer zwei steht neben der Bühne. Aber der Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten steht am 5. November auf dem Stimmzettel in gleich großer Schrift