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#FEMALEFORWARDINTERNATIONAL
Aus Baku mit Hoffnung

Treffen Sie Narmin Shаmilova aus Aserbaidschan
Narmin Shаmilova
© Friedrich Naumann Foundation for Freedom

Die Aktivistin und Politikerin Narmin Shamilowa über die Notwendigkeit sich nicht nur für mehr Sichtbarkeit von Frauen, sondern auch für ihre Präsenz als Wählerinnen und gewählte Vertreterinnen, einzusetzen

“Meine Großmutter pflegte zu sagen: “Geh einfach dorthin, wo du das Licht siehst, und nimm es mit”, erinnert sich Narmin Shamilova, und es scheint, dass dies schon seit geraumer Zeit ihr Modus Operandi ist.

Shamilowa ist eine der aktivsten Politikerinnen im Südkaukasus, die sich mit den Themen Feminismus, Gleichberechtigung und der Notwendigkeit einer widerstandsfähigen und gesunden Medienlandschaft befasst. Zu Beginn unseres Zoom-Interviews hatten wir einige Probleme mit dem Ton. Halb im Scherz, halb im Ernst sagte Narmin, wir werden vielleicht abgehört. “Nicht, dass ich eine wichtige Persönlichkeit wäre”, fügt sie mit einem schüchternen Lächeln hinzu, obwohl sie es tatsächlich ist.

Narmin Shamilova quote
©  Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Narmin Shamilowa wurde 1987 in Sumgait, einer Stadt am Kaspischen Meer, geboren und schloss 2011 ihr Studium der Russistik und Literatur an der Slawischen Universität Baku ab. Seitdem hat sie sich schrittweise profiliert, zunächst als Journalistin und Fernsehmoderatorin, dann als Aktivistin, Führungskräfte-Trainerin und Politikerin. “Die Universität hat meine Fähigkeiten definitiv gestärkt”, sagt Shamilova, die aus einem Kulturkreis stammt, in den Frauen hauptsächlich als Mütter wahrgenommen werden. Durch ihre Ausbildung und ihre unermüdliche Aktivität hat sie die Beschränkungen ihres häuslichen Umfelds immer wieder in Frage gestellt, und jetzt - so sagt sie - ist ihre Familie glücklich über ihre bahnbrechenden Erfolge. “Es ist mir gelungen, sie davon zu überzeugen, dass ein aktives Leben nicht nur etwas für Wohlhabende ist.”

Aserbaidschan und Baku sind wichtige Meilensteine in der Geschichte des Feminismus. Das allgemeine Wahlrecht wurde 1919 von der Demokratischen Republik Aserbaidschan (1918-1920) eingeführt. Somit wurde Aserbaidschan zum ersten überwiegend muslimischen Land, das Frauen das Wahlrecht einräumte. Aserbaidschan schloss sich damit der weltweiten Bewegung zur Anerkennung der Frauen als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft an. Und obwohl sich Aserbaidschan verfassungsrechtlich zur vollen Gleichstellung der Geschlechter und zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt und Diskriminierung verpflichtet hat, stellen letztere ein anhaltendes Problem im Land dar.

Aufbauend auf diesem Erbe ist Narmin seit 2011 in der lokalen politischen Szene aktiv. Sie war Mitglied der 2005 von Asim Mollazade gegründeten proeuropäischen Partei "Demokratische Reformen".

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©  Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Über die Partei half sie bei der Organisation der 2014 veranstalteten Konferenz "Aserbaidschanische Frauen im 21. Jahrhundert" und leitete im selben Jahr eine parteiinterne Frauenabteilung und initiierte einen Club für intellektuelle Frauen in der Hauptstadt. 2018 leitete sie ein Programm zur Förderung der Beteiligung von Frauen in ihrer Heimatstadt. 2019 war sie dann Expertin für das Projekt "Frauen gegen Radikalisierung" und leitete außerdem eine Kampagne zu reproduktiver Gesundheit und Rechten in Baku. Ihre Tätigkeit beschränkt sich nicht nur auf Aserbaidschan - sie organisierte mehrere Veranstaltungen in Tiflis (Georgien), darunter Workshops zum Faktencheck, zur Bekämpfung von Propaganda und zur Beteiligung von Frauen an Entscheidungsprozessen. Während der ersten Welle der Pandemie arbeitete sie mit der Westukrainischen Nationalen Universität an der Diskussionsplattform "Internationale Zusammenarbeit nach der Pandemie" zusammen.

Jetzt ist sie Mitglied der von Gubad İbadoglu geleiteten Bewegung für Demokratie und Wohlstand in Aserbaidschan, die später 2021 zur Partei heranwachsen soll.

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©  Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Sie ist nicht nur politische Aktivistin und unabhängige Journalistin, sondern auch Gründerin der Plattform "Woman in Action", die 2020 ins Leben gerufen wurde und sich durch Kunst, Bildungsveranstaltungen und Mentorenprogramme für die Rechte der Frauen einsetzt. Mit dieser Organisation (oder Netzwerk oder Bewegung, wenn Sie so wollen) möchte sie betonen, wie eine erfolgreiche Frau als Beispiel für eine erfolgsgekrönte Gesellschaft dienen kann und wie wichtig es für Frauen in den ländlichen Regionen ist, sich mehr für Politik und positive Selbstentwicklung zu interessieren. "Wissen Sie welche Träume junge Mädchen haben? Wir wollen, dass alle Mädchen zu träumen wagen und handeln können. Wir wollen, dass junge Mädchen daran glauben, dass sie alles erreichen können."

Ziel ist es, dass aserbaidschanische Frauen nicht nur mehr Selbstbewusstsein aufbauen und offener agieren, sondern sich auch aktiv am Entscheidungsprozess beteiligen, sich für wichtige politische Prozesse und globale Themen interessieren und ihre diplomatischen, politischen, medialen und kulturellen Kompetenzen erweitern. "Jede Frau ist ein Kapital für die Zukunft", sagt sie begeistert und ist der Meinung, dass es auch Raum für mehr gegenseitige Unterstützung unter Frauen gibt. "Wir müssen zusammenarbeiten und andere Frauen unterstützen, um Solidarität zu zeigen."

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©  Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Narmin stellt fest, dass die Beteiligung von Frauen an der Politik zwar nicht gesetzlich eingeschränkt ist, aber in der Praxis ihre Stimmen mit Leichtigkeit beiseitegeschoben werden. Zudem reicht die verstärkte parlamentarische Präsenz von Frauen nicht aus. “Wir brauchen gewählte Frauen, nicht nur ernannte.”

Sie ist der Ansicht, dass die gestärkte Rolle der Frauen sowohl auf ihre eigene als auch auf die gesellschaftliche Entwicklung Einfluss nehmen kann. “Sie können verschiedene Lösungen und Ideen sowohl in der Politik als auch im öffentlichen Leben weitergeben”, sagt Narmin. “Frauen können wahre Architektinnen der Zukunft sein. Wir müssen zeigen, dass nicht nur Männer darüber entscheiden können, wer gewählt werden kann, sondern dass auch wir in der Lage sind, zu wählen und gewählt zu werden.”

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©  Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Shamilova ist froh, dass obwohl das Wort "Feminismus" in Aserbaidschan immer noch umstritten, sie dennoch viel Unterstützung von Männern erfährt. “Die Männer in Aserbaidschan haben sich verändert - sie sind bereit, die Frauen zu unterstützen, wenn wir lauter werden.”

Gibt es einen Generationswechsel in der Denkweise der aserbaidschanischen Frauen? Narmin braucht ein paar Sekunden, um dieses Thema in einem größeren Zusammenhang zu sehen. “Unsere Regierung tut immer noch nicht genug, um die Medienlandschaft zu verbessern”, sagt sie und stellt fest, dass ein Mensch mit ihren Überzeugungen Verleumdungskampagnen ausgesetzt sein kann. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass die örtliche Familienkultur immer noch von einem starken patriarchalischen Verständnis geprägt ist und diese Tradition einige kontroverse Facetten hat - einige Frauen heiraten immer noch relativ jung, vor allem in kleineren Ortschaften. Laut der Datendrehscheibe "Women Count" haben in Aserbaidschan 11 % der Frauen im Alter von 20 bis 24 Jahren vor ihrem 18. Lebensjahr geheiratet.

“Es herrscht immer noch die Vorstellung, dass Mädchen und Frauen nur dann erfolgreich sein können, wenn sie von einem Mann unterstützt werden.” Shamilova würde es begrüßen, wenn mehr Mädchen ihrer Ausbildung den Vorrang vor der Familiengründung im Teenageralter einräumen würden.

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©  Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Sie stellt fest, dass der Enthusiasmus und der Wunsch nach einer anderen Zukunft vorhanden sind, die jungen Menschen aber noch unsicher sind, wie sie ihren eigenen Weg gehen sollen. Sie hat auch an Foren und Konferenzen für die Entwicklung junger Menschen teilgenommen und betreut diejenigen, die in die Politik gehen wollen. “Junge Menschen wollen aktiv sein, aber sie wissen nicht, wie sie für ihre Rechte kämpfen sollen, sie haben nur begrenzte Möglichkeiten, ihre Stimme zu erheben - das habe ich durch diese Schulungen herausgefunden”, sagt Narmin. “Ich denke, man muss zuerst für seine eigenen Rechte kämpfen und dann sich für die Rechte anderer einsetzten, so können wir alle am öffentlichen Leben teilhaben. Nur so kann man mehr für die Gesellschaft und das Land tun. Und das ist notwendig, denn wir haben immer noch Probleme, eine echte Demokratie aufzubauen. Ich glaube, dass wir die Gesellschaft verändern können.”

Narmin sieht sich selbst als Vorbild und versucht, ihre Ideen durch ihre eigenen Erfahrungen zu verbreiten. "Was ich tun wollte, habe ich getan."

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