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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Ostdeutschland-Bericht
Carsten Schneiders neuer Blick

Der Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland schlägt ein neues Kapitel der Einheit Deutschlands auf. Richtig so!
Carsten Schneider

Carsten Schneider, MdB, Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, bei der Vorstellung des Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit

© picture alliance / Metodi Popow | M. Popow

Endlich! Es wurde höchste Zeit, dass der jährliche Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit spannender wird. Nicht mehr nur langweiliger statistischer Rückblick auf das Erreichte - und das Noch-nicht-Erreichte -, sondern Forum für Meinungen, Perspektiven und Umfragen zum Thema "Osten".

Das ist gelungen - auf gerade mal 150 Seiten. "Ostdeutschland. Ein neuer Blick." So der freche Titel. Und dann drei Teile: A ("Ostdeutschland heute") mit Beiträgen von Autoren zu Einzelthemen - bis hin zu Irina Scherbakowas Diskussion sowjetischer Kriegsdenkmäler aus der Sicht von Memorial, der verbotenen russischen Organisation zur Erforschung der historischen Wahrheit der Sowjetunion; Teil B ("Deutschland Monitor: Einstellungen zu Demokratie und Politik in Deutschland") - mit differenzierten Ergebnissen einer breiten Meinungsumfrage in Ost und West; und schließlich Teil C ("Für gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West: Vorhaben der Bundesregierung in der 20. Legislaturperiode") mit Plänen des Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und Transformation über die Politik für Innovation, wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz bis hin zur Extremismusbekämpfung.

Dies alles atmet Optimismus. Das glaubt man kaum bei der vorherrschenden Stimmungslage in Deutschland, 33 Jahre nach der Vereinigung Deutschlands, aber so ist es. Zugegeben, die 18 Beiträge in Teil A lesen sich zum Teil wie - allerdings gut gemachte - Werbebroschüren, vom Potenzial der Wendekinder über die Fußballerfolge ausgewählter Vereine bis hin zur geplanten Riesen-Intel-Investition in Magdeburg. Der Deutschland-Monitor in Teil B zieht in seinem detaillierten Fragekatalog durchaus die problematische Furche nach, die politisch den Osten und den Westen Deutschlands immer noch - und verstärkt (?) - trennt, wenn auch nicht wirklich spaltet. Und die Lebensverhältnisse, die in Teil C kompakt dargestellt werden, entwerfen anspruchsvolle politische Aufgaben; noch immer liegt das Pro-Kopf-Einkommen des Ostens bei rund 80 (und eben nicht 100 Prozent!) des Westens und die Produktivität bei rund 85 Prozent, mit Verbesserungen (wenn überhaupt) nur im Schneckentempo während der Corona-Zeit und danach.

Und trotzdem: Es werden stets Blickwinkel eingenommen, die Hoffnung machen: nicht auf absolute West-Ost-Angleichung, die es wohl nie geben wird und im Übrigen auch nicht erstrebenswert ist, wenn man bedenkt, dass im Wirtschaftsleben zwischen Regionen (auch innerhalb des Westens!) die Unterschiede das Normale und die Gleichheit eher die Besonderheit ist; wohl aber auf jene innovationsgetriebene Dynamik, die in den fünf Flächenländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen branchenspezifisch unterschiedlich ausfällt, aber in der Summe mit dem Kraftfeld der Metropole Berlin in den nächsten Jahrzehnten vielversprechend ist. Immer wieder taucht in dem Bericht die berechtigte Einschätzung auf, dass der Osten Deutschlands zu einem attraktiven Standort der modernen Hochtechnologie avancieren kann - und dies schon tut, wenn nur die Politik die Rahmenbedingungen richtig setzt.

Fazit: erfreulich. Die politische Wende zum Wachstum beginnt eben im Kopf. Carsten Schneider und sein Team haben einen ersten Beitrag dazu geleistet. So muss es weitergehen. Allerdings nicht nur für ein paar Jahre, sondern für die nächsten zwei Jahrzehnte, die vor uns liegen. Denn Ostdeutschland steht keineswegs allein im Standortwettbewerb um Kapital, Technologie und kluge Köpfe - in einer Zeit der Knappheit an Arbeitskräften. Es gibt genug Konkurrenten im westlichen wie im östlichen Ausland. Für griesgrämigen Pessimismus ist da kein Platz, auch eine Generation nach der Deutschen Einheit.