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Philippinen
Die blutige Amtszeit von Rodrigo Duterte

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Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte während einer Sitzung mit Kabinettsmitgliedern im Präsidentenpalast Malacanang in Manila, Philippinen

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | King Rodriguez

Als Präsident Rodrigo Duterte Mitte 2016 sein Amt antrat, begann er sofort mit der Umsetzung seines wichtigsten Wahlversprechens. Er erklärte einen rigorosen „Krieg gegen die Drogen“. Der Präsident gab an, er werde Süchtige und Dealer zur Rechenschaft ziehen, um Kriminalität und Drogen zu bekämpfen. Sehr schnell wurde deutlich, mit welcher Brutalität er seinen Plan durchsetzen würde.

Zuvor hatte Duterte in seiner Heimatstadt Davao „Todesschwadronen“ eingesetzt, die ihm nach eigenen Angaben bei der Bekämpfung von Kriminellen während seiner 10-jährigen Amtszeit als Bürgermeister der Stadt halfen. Jetzt, am Ende seiner sechsjährigen Präsidentschaft, schätzen unabhängige Menschenrechtsgruppen, dass außergerichtliche Tötungen auf den Philippinen im Zusammenhang mit dem „Krieg gegen Drogen“ bis zu 30.000 Menschenleben gefordert haben. Die Polizei meldet 6.215 Tote als Folge von Dutertes so genannter „Antidrogenkampagne“.

Unter den Opfern befanden sich auch Minderjährige. Nach Angaben des Children's Legal Rights and Development Center wurden allein in den ersten zwei Jahren während Dutertes Präsidentschaft mindestens vierzig Kinder in seinem „Krieg gegen die Drogen“ getötet. Trotz dieser erschreckenden Statistik und der zahlreichen trauernden Familien lösten nur wenige Fälle einen landesweiten Aufschrei aus, wie zum Beispiel die brutale Ermordung des 17-jährigen Kian in einem Vorort von Manila. Bevor er erschossen wurde, wurde Kian von Polizisten schikaniert und ihm wurde eine Waffe gegeben. In solchen Fällen folgten die Erklärungen der Polizei immer demselben Muster: Die Polizisten seien angegriffen worden und hätten sich aus Notwehr verteidigen müssen, um ihr Leben zu schützen.

Etwa ein Jahr nach der Erschießung von Kian leitete der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag eine Voruntersuchung zu den Menschenrechtsverletzungen Dutertes ein. Der Präsident kündigte daraufhin im Jahr 2019 die Mitgliedschaft der Philippinen beim IStGH. Der Austritt hinderte die Staatsanwälte in Den Haag jedoch nicht daran, ihre Voruntersuchungen abzuschließen und eine offizielle Untersuchung der außergerichtlichen Tötungen und weiterer Menschenrechtsverletzungen während Dutertes Amtszeiten einzuleiten. Trotz der tödlichen Angriffe auf die eigene Bevölkerung hatte Duterte Ende 2021 weiterhin einen Beliebtheitsgrad von 65 %.

Die Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs sind derzeit ausgesetzt, um den Antrag der Philippinen zu überprüfen, die Untersuchungen an die philippinische Regierung zu übergeben. Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen am 9. Mai könnten ebenfalls über die Zukunft des Verfahrens entscheiden. Die derzeitige Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin Leni Robredo kündigte eine „sehr offene, sehr transparente" Untersuchung von Dutertes „Krieg gegen die Drogen“ an. Sie versprach auch die Zusammenarbeit mit den Ermittlern des IStGH für den Fall, dass sie zur neuen Präsidentin der Philippinen gewählt wird. Darüber hinaus sagte Robredo, sie werde sich für einen Wiedereintritt der Philippinen in den Internationalen Strafgerichtshof einsetzen. Robredos Gegenkandidat Ferdinand „Bongbong“ Marcos, der Sohn des verstorbenen philippinischen Diktators Ferdinand Marcos Sr., erklärte, die Ermittler aus Den Haag können als „Touristen“ auf die Philippinen kommen. Von der Regierung dürften sie keine Unterstützung erwarten.

Erfundene Anklagen gegen Kritiker

Schon vor seinem Amtsantritt als Präsident hatte Dutertes „Todesschwadronen“-Kampagne in Davao philippinische Ermittler auf den Plan gerufen, allen voran Leila de Lima, eine der schärfsten Kritikerinnen Dutertes. Als ehemalige Vorsitzende der Menschenrechtskommission der Philippinen leitete de Lima eine Untersuchung der außergerichtlichen Tötungen unter Duterte in seiner Heimatstadt Davao. Später, als Senatorin, leitete de Lima auch eine erste Untersuchung von Dutertes „Krieg gegen die Drogen“. Wenig später wurde Senatorin de Lima auf Basis erfundener Anschuldigungen angeklagt und verhaftet. Seitdem sitzt sie im Gefängnis und ist seit fast fünf Jahren inhaftiert.

Erfundene Anklagen sind nach wie vor Dutertes bevorzugtes Mittel, um gegen jeden vorzugehen, der ihn kritisiert. Ein weiteres Beispiel ist die philippinische Friedensnobelpreisträgerin und erfahrene Journalistin Maria Ressa. Sie gründete das unabhängige Nachrichtenportal Rappler.com, welches Präsident Duterte und seinen „Krieg gegen die Drogen“ kritisch beleuchtet. Gegen Ressa wurden 10 Haftbefehle ausgestellt. Sollte sie schuldig gesprochen werden, müsste sie den Rest ihres Lebens im Gefängnis verbringen.

Präsident Rodrigo Duterte wurde auch berühmt-berüchtigt für seine vulgäre und obszöne Sprache: Er nannte sowohl Barack Obama, den ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten, als auch Papst Franziskus „Hurensohn". Darüber hinaus schockierte Duterte die Öffentlichkeit mit der Bemerkung, er hätte bei der Vergewaltigung und Ermordung einer australischen Missionarin „in der ersten Reihe“ stehen sollen

Dutertes Umgang mit der Pandemie Covid 19

Schockierend sind auch die Ergebnisse von Dutertes Wirtschafts- und Sozialpolitik. Während seiner Amtszeit lag die Zahl der in Armut lebenden Filipinos bei rund 26 Millionen, was fast einem Viertel der Bevölkerung entspricht. Ende 2021 erleideten 10 % der Familien auf den Philippinen Hunger. Infolge der Pandemie litten 30 % aller philippinischen Haushalte unter Nahrungsmittelmangel. Duterte war nicht in der Lage, die Krise zu bewältigen. Die Arbeitslosenquote stieg im August 2022 auf 17,5 % an. Mit über 55.000 offiziellen Todesfällen haben die Philippinen die zweithöchste Covid-Sterblichkeitsrate in Südostasien - und das, obwohl Präsident Duterte einen der längsten und härtesten Lockdowns der Welt verhängte. Kinder und ältere Menschen durften erst rund 1 1/2 Jahre nach Beginn der Pandemie im März 2020 wieder ihre Häuser verlassen. Eine unzureichend durchgeführte Impfkampagne, die Anfang März 2021 begann, führte dazu, dass ein Jahr später nur 60 % der philippinischen Bevölkerung mit zwei Dosen geimpft waren.

Die Pandemie offenbarte auch den desolaten Zustand des philippinischen Gesundheitssystems, welches nur fünf Krankenhausbetten pro 10.000 Einwohner bereitstellt – und somit das Schlusslicht in der Gesundheitsversorgung in ASEAN bildet. Zu Beginn der Pandemie ordnete Duterte die vollständige Lahmlegung des öffentlichen Nahverkehrs an, sodass das Gesundheitspersonal händeringend nach Möglichkeiten suchte, zur Arbeit zu kommen und die Patienten zu versorgen.

Die Regierung Duterte vergab rund 175 Mio. Euro Pandemie-Mittel an ein einziges Pharmaunternehmen. Dieses neu gegründete Unternehmen hatte keine nachweisbaren Erfolge vorzuweisen. Außerdem wurden mehr als 56 Millionen Dosen des chinesischen Sinovac-Impfstoffs gekauft, der sich als unwirksam gegen das Coronavirus erwies. Die Regierung Duterte lockerte die Quarantänevorschriften für Reisende, die mit dem chinesischen Impfstoff geimpft waren, während sie diejenigen, die Impfstoffe von Pfizer oder Moderna erhalten hatten, zu längeren Quarantänen zwang.

Bindung an China

Eines der drängendsten internationalen Themen der Präsidentschaft Dutertes war der Streit mit China über Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer. Im Jahr 2016 spielte der neu ernannte Präsident den juristischen Sieg der Philippinen durch den Ständigen Schiedsgerichtshof herunter - vielleicht in der Hoffnung, durch die Zusammenarbeit mit Peking das Wirtschaftswachstum zu steigern. Das im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen eingerichtete Gericht entschied, dass Chinas Anspruch auf Basis "historischer Rechte" über fast das gesamte Südchinesische Meer unrechtmäßig ist. Dutertes Strategie, das Urteil herunterzuspielen und sich mit China anzufreunden, ist nicht aufgegangen. Die von der chinesischen Regierung versprochenen Infrastrukturprojekte blieben hinter den Erwartungen zurück. Chinesische Schiffe dringen weiterhin in die Wirtschaftszone der Philippinen ein und hindern philippinische Fischer daran, ihre Fanggebiete zu erreichen.

Wenn man sich die verheerenden Ergebnisse der sechsjährigen Präsidentschaft von Rodrigo Duterte ansieht, könnte man annehmen, dass es nur besser werden kann, wenn im Mai ein neuer Präsident gewählt wird. Ferdinand „Bongbong“ Marcos, der die Umfragen anführt, könnte jedoch Duterte 2.0 werden. Seine Vizepräsidentin, die in einer separaten Abstimmung gewählt wird, könnte Dutertes Tochter Sara Duterte werden.

Rebecca Zistel leitet das FNF-Büro in Manila.