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Wahl in Rumänien
Politisches Erdbeben in Rumänien

Jugendliche rufen Slogans und blinken mit ihren Handys in Bukarest, Rumänien, am Mittwoch, 27. November 2024, während einer Demonstration gegen Calin Georgescu, den unabhängigen Kandidaten für das rumänische Präsidentenamt, der die erste Wahlrunde gewonnen hat und in die Stichwahl am 8. Dezember einzieht.

Jugendliche rufen Slogans und blinken mit ihren Handys in Bukarest, Rumänien, am Mittwoch, 27. November 2024, während einer Demonstration gegen Calin Georgescu, den unabhängigen Kandidaten für das rumänische Präsidentenamt, der die erste Wahlrunde gewonnen hat und in die Stichwahl am 8. Dezember einzieht.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Vadim Ghirda

Der erste Wahlgang der Präsidentschaftswahlen in Rumänien ging mit einer handfesten Überraschung aus: Der auch im Land praktisch unbekannte nationalistische und rechtsextreme Kandidat Calin Goergescu konnte 2,12 Millionen Stimmen und damit die meisten Stimmen (22,94%) auf sich verbuchen. Auf dem zweiten Platz setzte sich die bürgerlich-liberale Kandidatin Elena Lasconi mit 1.772.500 Stimmen (19,17%) knapp vor dem Vorsitzenden der Sozialdemokraten, Ministerpräsident Marcel Ciolacu, mit 1.769.760 Stimmen (19,17%) durch. Vierter wurde der rechtsextreme Kandidat George Simion mit 1,28 Millionen Stimmen (13,86%). Vorab-Umfragen hatten Ciolacu als sicheren Sieger gesehen, um den zweiten Platz hätten sich Lasconi und Simion streiten sollen.

Georgescu, der wenige Tage vor der Wahl noch abgeschlagen mit 4-5% gehandelt wurde, konnte durch massive Präsenz auf der chinesischen Plattform TikTok einen täglichen Zuwachs von 1-2% verzeichnen, eine letzte Umfrage sah ihn zwei Tage vor der Wahl bei 10%. In einer Erklärung des Sicherheitsrates, der gestern von Präsident Iohannis einberufen wurde, ist von Cyberangriffen die Rede. Dabei wird Russland genannt, und analysiert, dass TikTok eindeutig die anderen Kandidaten herausgefiltert, und die Algorhythmen Georgescu bevorzugt hätten – ein klarer Verstoß gegen das Wahlgesetz. Obwohl die Plattform von der Zentralen Wahlbehörde gemahnt wurde, hat diese nicht reagiert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun, auch dahingehend, ob der Kandidat illegale Mittel verwendet hat, zumal er selbst behauptet, keinen Pfennig im Wahlkampf ausgegeben zu haben.

Calin Georgescu

Calin Georgescu, unabhängiger Kandidat für die Präsidentschaftswahlen, spricht zu den Medien in Izvorani, Rumänien.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Andreea Alexandru

Wer ist Calin Georgescu?

Georgescu (62), ein Ultranationalist und Verfechter von nationaler Souveränität mit pro-russischer Haltung, ist eng mit der extremistischen AUR-Partei verbunden, die ihn zuvor bereits mehrfach als möglichen Premierministerkandidaten ins Gespräch gebracht hatte. Zuletzt hatte sich die Partei jedoch von ihm getrennt, so dass er als unabhängiger Kandidat antrat. Er befürwortet den Austritt aus der NATO und einen Stopp der Ukraine-Hilfe. Als ultrakonservativer religiöser Kandidat und Verschwörungstheoretiker präsentierte er sich als der Antisystem-Bewerber in Konkurrenz zum korrupten Establishment der GroKo bestehend aus den Sozialdemokraten (PSD) mit Ministerpräsident Marcel Ciolacu an der Spitze und den konservativen Nationalliberalen (PNL), geleitet vom ehemaligen Premier Nicolae Ciuca. Beide traten in Folge des schlechten Ergebnisses vom Parteivorsitz zurück.

Kaum in den traditionellen Medien präsent, konnte Georgescu in den vergangenen Monaten durch eine intensive TikTok-Kampagne erhebliche Unterstützung gewinnen. Seine wachsende Popularität wurde sogar von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti hervorgehoben, die auf Telegram berichtete: „Unterstützer einer Annäherung an Russland, Georgescu überholt Premierminister Ciolacu.“

Politische Nachbeben

Rumänien hat wegen der Unklarheiten im Wahlkampf die EU-Kommission eingeschaltet. In Brüssel soll nun ein Gipfel-Treffen mit TikTok zustande kommen, wo die Zukunft der Onlineplattform in der EU besprochen werden soll. Indes hat das Verfassungsgericht aufgrund einer Beschwerde der ultrakonservativen Kandidaten eine Neuauszählung aller Stimmen verfügt – angeblich sei Lasconi bei der Auszählung bevorzugt worden. Diese wird laut Beschluss der Zentralen Wahlbehörde von Beamten der Präfektur ohne Wahlbeobachter oder Aufzeichnung mit elektronischen Mitteln durchgeführt. Chef der Operation ist der noch immer amtierende Ministerpräsident Marcel Ciolacu. In einem Facebook-Post behauptete er, er werde sich aus dem Rennen zurückziehen, selbst wenn die Neuauszählung ihn begünstigen sollte. Lasconi ficht indes den Beschluss der Wahlbehörde wegen Intransparenz beim Berufungsgericht an.

Zu den jüngsten politischen Entwicklungen in Rumänien sowie zu dem Urteil des Verfassungsgerichts erklärt der europapolitische Sprecher der FDP Bundestagsfraktion Thomas Hacker:

 

 

Die Neuauszählung der Stimmzettel sollte unter der Präsenz von internationalen Beobachtern stattfinden. Demokratische Abstimmungen sind das höchste Gut in einer funktionierenden Demokratie. Gerade die Menschen Rumäniens haben sich dieses Recht hart und unter großen Opfern erkämpft. Daher darf zu keinem Zeitpunkt auch nur der geringste Anschein für politische Einflussnahme auf das Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen erweckt werden.

Thomas Hacker

Das Ergebnis der Neuauszählung soll am Sonntagabend bekannt gegeben werden, nach Schließung der Wahllokale bei den Parlamentswahlen. Eine Woche später soll dann die Stichwahl zur Präsidentschaftswahl erfolgen. Die Lage in Rumänien bleibt mithin politisch explosiv. Im ganzen Land gibt es bereits Proteste gegen Faschismus und Georgescu. Am Wochenende ist in Bukarest eine Großdemonstration gegen den Beschluss des Verfassungsgerichts angekündigt, da dieses als politisiert und von den Sozialdemokraten dominiert gilt.

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Florian von Hennet
Florian von Hennet
Leiter Kommunikation, Pressesprecher
Telefon: + 4915202360119