EU- Wahlen, Spanien, Portugal
Europawahlen 2024: Die Ausgangslage auf der iberischen Halbinsel
Die Ausgangslage in Spanien
Für Spanien ist diese Wahl von großer Bedeutung, denn es geht nicht nur um die Zukunft Spaniens in Europa, sondern auch um die Regierungsfähigkeit der aktuellen Regierung. Somit wird diese Wahl maßgebend für die nationale Parteienlandschaft sein.
Relevante Parteien und Kandidierende
- Partido Popular (PP): Die christlich-konservativ orientierte Partei setzt in ihrem Wahlkampf vor allem auf die Themen Frieden, Migration und gibt sich pro-europäisch. In ihrem Wahlprogramm heißt es: „Europa steht vor vier großen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen: der demokratischen Herausforderung, der sozialen Herausforderung, der wirtschaftlichen Herausforderung und der geostrategischen Herausforderung“. [1] Der Digitalisierung und insbesondere den jüngsten Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz steht die Partei eher zurückhaltend gegenüber.
Auch in Zukunft wird die Partei der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament angehören. Spitzenkandidatin Dolores Monserrat ist seit 2019 stellvertretende Sprecherin der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament.
- Partido Socialista Obrero Español (PSOE): 2019 war sie noch die mit Abstand stärkste Partei bei den Europawahlen in Spanien. Ein schlechtes Abschneiden könnte die Position von Pedro Sánchez, Ministerpräsident von Spanien, schwächen. Darüber hinaus würde ein schlechtes Wahlergebnis die starke Position der spanischen Sozialdemokraten in der S&D (Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament) gefährden.
Spitzenkandidatin Teresa Ribera, Juristin und dritte Vizepräsidentin der Madrider Regierung und Ministerin für ökologischen Wandel und demografische Herausforderungen, setzt ihren Fokus im Wahlkampf vor allem auf die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien, auf soziale Gerechtigkeit und die Reindustrialisierung der europäischen Wirtschaft. Die einflussreiche Energie- und Umweltpolitikerin hat bereits ihr Interesse für einen Posten in der Kommission bekundet.
- Ciudadanos (Cs): Die liberale Partei setzt in diesem Wahlkampf vor allem auf eine wettbewerbsfähige Wirtschaft und eine nachhaltige EU. Die Energieunabhängigkeit von autokratischen Staaten wie Russland und die damit verbundene Versorgungssicherheit soll langfristig gewährleistet werden. Spitzenkandidat Jordi Cañas betont die Dringlichkeit einer humanen, verantwortungsvollen und intelligenten Migrationspolitik der europäische Gemeinschaft. Gefordert wird, die Interessen junger Menschen verstärkt in europäische Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen.
- Vox: Die Rechtspopulisten sind auf Stimmenfang. Am vergangenen Pfingstwochenende fand eine Großveranstaltung statt, bei welcher Rechtspopulisten aus aller Welt zusammenkamen, um sich auf die heiße Phase des Europawahlkampfes einzustimmen. Anwesend waren unter anderen der argentinische Präsident Javier Milei und die französische Politikerin Marine Le Pen. Vor mehr als 10.000 Zuhörern kritisierte Milei die spanische Regierung und griff die Ehefrau von Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE) scharf an. Diese Äußerungen führten zu diplomatischen Spannungen zwischen Spanien und Argentinien, so bestellte der spanische Außenminister den argentinischen Botschafter ein und drohte mit weiteren Maßnahmen.
Auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der ungarische Regierungschef Victor Orban nahmen per Videobotschaft an der Veranstaltung teil.
Vox konzentriert sich vor allem auf das Thema Migration, die „Wiederherstellung der Souveränität der europäischen Nationen“, Arbeitnehmerrechte - mit besonderem Augenmerk auf die Landwirtschaft, sowie auf den erhöhten Schutz der EU-Außengrenzen. Es wird jedoch nicht davon ausgegangen, dass der Spitzenkandidat Jorge Buxadé eine Debatte über den Austritt aus der EU führen wird. Vielmehr wird er wohl den Fokus auf "ein Europa der souveränen Vaterländer" legen wollen. Der Spitzenkandidat ist Staatsanwalt und Universitätsprofessor.
[1] https://www.pp.es/actualidad-noticia/manifiesto-elecciones-europeas-2024
Aktuelle Umfrageergebnisse
Aktuellen Umfragen zufolge kommen die Sozialdemokraten auf 34 Prozent, was bedeuten würde, dass sie zumindest ihre Sitzzahl von 2019 (21) halten könnten. Die Volkspartei Partido Popular könnte ihre Stimmenzahl mit gut 29 Prozent mehr als verdreifachen und käme hinter den Sozialdemokraten auf den zweiten Platz. In anderen Umfragen liegen Konservative und Sozialdemokraten allerdings deutlich näher beieinander, so dass es bis zur Wahl spannend bleibt, wer in Spanien die stärkste Kraft sein wird.
Aktuell versucht die PP Wähler von der rechtsradikalen Vox abzugreifen, indem sie gezielt das Thema Migration mehr bespielt, ob das eine Auswirkung auf den Wahlausgang haben kann, wird sich schlussendlich erst am Wahltag zeigen.
Die rechtsradikale Partei Vox liegt laut Umfragen mit 9 Prozent auf dem dritten Platz, was einen Zuwachs von ein bis zwei Mandaten im Parlament bedeuten könnte.
Die liberale Partei Ciudadanos schwankt in den Umfragen stark, muss allerdings mit massiven Verlusten rechnen. Bei der letzten Europawahl 2019 konnte sie noch 12 Prozent auf ihr Konto verbuchen, nun sagen die Umfrageinstitute ihr ein Ergebnis zwischen 1 und 2,2 Prozent voraus.
Ausblick
Für die liberalen Kräfte in Spanien, insbesondere für Ciudadanos, bieten die Europawahlen die Chance, in der spanischen Parteienlandschaft wieder relevanter zu werden. Ihre Vision eines geeinten, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Europas kann bei den Wählern Anklang finden, wenn es ihnen gelingt, diese richtig zu transportieren.
Derzeit fehlt es Spanien an einer relevanten liberalen Partei. Der Fokus auf Wirtschaft, Jugend, Nachhaltigkeit und eine intelligente Migrationspolitik könnte die Möglichkeit bieten, sich von den anderen Parteien abzuheben, alte Wähler zurückzugewinnen und neue Wähler zu gewinnen.
Ein starkes Ergebnis für die Liberalen könnte zu einer stärkeren Stimme für Reformen und Modernisierung in Europa führen.
Dazu muss die Partei aber wieder an Kraft gewinnen, denn aktuell steht sie am Rande der Bedeutungslosigkeit. Nachdem sie bei den letzten Parlamentswahlen in Spanien nicht mehr angetreten ist, sind viele ihrer Stammwähler enttäuscht und abgewandert.
An die 12 Prozent bei den letzten Europawahlen und die 15,9 Prozent bei den Parlamentswahlen im April 2019 wird sie kaum anknüpfen können.[1] Viele ihrer prominentesten Politiker sind zur konservativen PP abgewandert, so dass die Liberalen in Spanien auch personell nicht stark aufgestellt sind.
Es bleibt zu hoffen, dass die Liberalen in den letzten Wochen noch einmal ihre letzten Kräfte mobilisieren und den Wiedereinzug ins Europaparlament schaffen. Die aktuellen Umfragen lassen dies allerdings noch offen.
[1] https://resultados.elpais.com/elecciones/2010/autonomicas/09/index.html
Ausgangslage in Portugal
Auch in Portugal wird Anfang Juni das neue EU-Parlament gewählt, und im Vorfeld der Wahlen lohnt sich ein Blick nach Portugal. Das portugiesische Parteiensystem ist äußerst vielfältig und zeichnet sich unter anderem durch verschiedene Parteienbündnisse aus, die sich je nach politischer Lage zusammenschließen. Spannend ist auch die relativ junge liberale Partei „Iniciativa Liberal“, die stetig an Zustimmung in der Bevölkerung gewinnt.
Parteien und Kandidaten
Partido Socialista (PS)
Die Partido Socialista, Teil der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, ist eine sozialdemokratische, linksgerichtete Partei. Obwohl sie in der Vergangenheit lange den Premierminister stellte, sank die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Politik der Sozialdemokraten, so dass sie bei der letzten Wahl abgewählt wurden.
Unter der Spitzenkandidatin Marta Angst setzt die PS auf ein Wahlprogramm, das soziale Gleichheit und mehr Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten der EU in den Mittelpunkt stellt. Weitere Schwerpunkte sind die Verteidigung gemeinsamer Werte in der EU, eine grüne und energieunabhängige Politik, die Digitalisierung sowie ein gemeinsames internationales Migrationsmanagement.
Demokratische Allianz (AD)
Die Aliança Democrática ist ein mitte-rechts Bündnis, das sich je nach politischer Stimmung im Land aus drei Parteien zusammensetzt. Derzeit liegt die AD in den Umfragen knapp vor den Sozialdemokraten. Dem Bündnis gehören die Parteien PSD, CDS und PPM an.
Partido Social Democrata (PSD)
Die Partido Social Democrata, die derzeit den Ministerpräsidenten stellt, ist eine liberal-konservative Partei und gehört zur Fraktion der Christdemokraten im Europäischen Parlament. Die PSD hat eine starke Basis und eine lange Tradition in der portugiesischen Politik.
Partido Popular
CDS - Partido Popular ist eine rechtskonservative Partei, die ebenfalls eine wesentliche Rolle in der politischen Landschaft Portugals spielt.
Monarchistische Volkspartei (PPM)
Diese monarchistische Volkspartei ist politisch eher unbedeutend, sie hat keine Mandate in einem Parlament.
Aliança Democrática
Spitzenkandidat Sebastian Bugalho führt das Bündnis Aliança Democrática mit einem Programm in den Wahlkampf, das sich vor allem auf die europäische Sicherheitspolitik und die wirtschaftliche Entwicklung konzentriert.
Iniciativa Liberal (IL)
Die Iniciativa Liberal, Mitglied der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), hat sich als liberale Kraft in Portugal etabliert. Bei den diesjährigen Parlamentswahlen gewann sie acht Sitze im portugiesischen Parlament.
Unter ihrem Spitzenkandidaten João Cotrim Figueiredo tritt die IL mit einem zukunftsorientierten Wahlprogramm an. Sie setzt sich für Steuersenkungen, Bürokratieabbau und die Privatisierung der staatlichen Fluggesellschaft ein. Wirtschaftswachstum soll zur politischen Priorität in der EU werden, ökologische Nachhaltigkeit soll nicht vernachlässigt, sondern mit wirtschaftlichem Wachstum in Einklang gebracht werden. Weitere Schwerpunkte sind die Stärkung des EU-Binnenmarktes, die Förderung des Unternehmertums, Freihandelsabkommen und Multilateralismus, nachhaltige Sozialsysteme und soziale Sicherheit. Die IL ist wirtschaftspolitisch stark aufgestellt und bietet viele neue progressive Ideen, die zu einem liberalen und nachhaltigen Europa führen können, sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch.
Chega!
Chega! ist eine rechtsextreme, rechtspopulistische Partei. Ihr Spitzenkandidat António Tânger Corrêa betont zwar die Notwendigkeit des Verbleibs Portugals in der EU, fordert aber gleichzeitig weniger Föderalismus innerhalb der Europäischen Union und mehr Souveränität für die einzelnen Staaten. Weitere Schwerpunkte des Wahlprogramms sind der verstärkte Schutz der EU-Außengrenzen sowie Migration und Sicherheit.
Bloco de Esquerda (BE)
Der Bloco de Esquerda ist ein linkes Parteienbündnis, das der EU und der Globalisierung kritisch gegenübersteht. Catarina Martins führt die Partei als Spitzenkandidatin mit einem Wahlprogramm, das Klima, soziale Gerechtigkeit sowie Renten und Löhne in den Mittelpunkt stellt.
LIVRE
LIVRE ist eine links-grüne Partei, die sich für eine pro-europäische Gemeinschaft einsetzt. Spitzenkandidat ist Rui Tavares. Das Wahlprogramm fordert mehr Solidarität und Gleichheit zwischen den Mitgliedsstaaten.
Aktuelle Politische Situation in Portugal
Die politische Landschaft in Portugal zeichnet sich durch ein breites Spektrum an Parteien aus, die kooperieren, um den Einfluss der extremen Rechten zu begrenzen. Bei den letzten Wahlen gewannen die rechten Parteien deutlich an Stimmen, was die etablierten Parteien zu einer verstärkten Zusammenarbeit veranlasste. Gleichzeitig sinkt die Wahlbeteiligung in Portugal kontinuierlich, was eine Herausforderung für die Demokratie darstellt.