Fachkräftemangel
Das Migrationsabkommen mit Indien ist ein wichtiges Signal
Rund 200.000 Inderinnen und Inder leben in Deutschland – und sind Teil einer beeindruckenden Erfolgsgeschichte: Die Zugewanderten mit indischer Staatsbürgerschaft sind überdurchschnittlich gebildet, verdienen im Schnitt deutlich mehr als Inländer und jede andere größere Ausländergruppe – und helfen besonders häufig, die Fachkräfteengpässe in sogenannten MINT-Berufen zu lindern.
Angesichts dieser ausgesprochen guten Erfahrungen ist es ein erfreuliches Signal, dass sich Deutschland und Indien in Migrationsfragen weiter aufeinander zubewegen. Außenministerin Annalena Baerbock und ihr indischer Amtskollege Subrahmanyam Jaishankar unterzeichneten diese Woche in Neu-Delhi ein Abkommen, das die Mobilität von Studierenden, Auszubildenden und Fachkräften zwischen den beiden Ländern weiter fördern soll.
Das Signal der Offenheit
Es ist nach Angaben der Bundesregierung das erste umfassende Abkommen im Migrationsbereich, das Deutschland mit einem Herkunftsland abgeschlossen hat. Bei ihrem ersten Indien-Besuch seit Amtsantritt betonte Baerbock: „Wir wollen, dass hoch qualifizierte Fachkräfte und junge Leute aus Indien nach Deutschland kommen.“ Das Signal der Offenheit ist wichtig: Die Bundesregierung zeigt damit, dass sie es ernst meint, im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe mitzumischen.
Kooperationen mit Indien bieten bei der Fachkräftesicherung enormes Potenzial: In der OECD ist Indien mit Abstand das wichtigste Herkunftsland hoch qualifizierter Zuwanderer. Als Zielländer sind englischsprachige Länder wie die USA und Großbritannien bei Inderinnen und Indern aber deutlich beliebter als Deutschland. Maßnahmen, um die Bundesrepublik attraktiver zu machen, sind daher zu begrüßen – das Migrationsabkommen mit Indien kann dazu ebenso einen Beitrag leisten wie die Pläne der Bundesregierung, die Einwanderung von Fachkräften insgesamt zu vereinfachen.
Abkommen und Gesetzesreformen allein sind aber nicht genug: Visaverfahren müssen dringend schneller und effizienter werden. Zu lange Wartezeiten bei den deutschen Behörden haben in der Vergangenheit schon viele Inderinnen und Inder vor den Kopf gestoßen – und auch deutschen Arbeitgebern die Anwerbung von Fachkräften erschwert. Es ist gut und richtig, dass Baerbock hier Verbesserungen verspricht. Auch eine zügige Anerkennung von Bildungsabschlüssen und Berufsqualifikationen ist elementar.
Etablierung einer Willkommenskultur
Nötig ist es aber auch, dass sich in den Betrieben eine Willkommenskultur etabliert. Dazu gehört auch die Bereitschaft, Bewerberinnen und Bewerbern ohne oder mit nur geringen Deutschkenntnissen eine Chance zu geben. Denn Sprachanforderungen schrecken nach wie vor viele Kandidaten ab. Ingenieurinnen und Informatiker aus Indien orientieren sich deshalb häufig lieber in Richtung der angelsächsischen Länder. Die Etablierung eines internationalen Arbeitsumfeldes in den Betrieben könnte das ändern.
Dabei geht es nicht nur darum, für Zuwanderer aus Indien attraktiv zu sein. Das Land bietet zwar außergewöhnlich gute Chancen – ist aber nicht das einzige, das sich für eine Zusammenarbeit anbietet. In Südasien finden sich auch bevölkerungsreiche Staaten wie Pakistan und Bangladesch mit zusammen rund 400 Millionen Einwohnern. Sie sollten bei der Suche nach Fachkräften sowie engagierten Studierenden und Auszubildenden nicht vergessen werden.
Dr. Carsten Klein ist Regionalbüroleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit für Südasien