EN

Nordkorea
So wahrscheinlich sind nordkoreanische Waffenlieferungen an Russland

Kremlchef Wladimir Putin begrüßt Nordkoreas Diktator Kim Jong Un

Kremlchef Wladimir Putin begrüßt Nordkoreas Diktator Kim Jong Un

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Vladimir Smirnov

Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un und der russische Präsident Wladimir Putin haben sich am Kosmodrom Wostotschny getroffen, einem Weltraumbahnhof im Osten Russlands. Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben sich beide Staaten deutlich angenähert - und könnten nun Waffenlieferungen für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vereinbaren.

Vier Stunden haben der russische Präsident Wladimir Putin und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un miteinander beraten. Die beiden Staatschefs beschlossen laut staatlichen Medien mehrere Kooperationsvorhaben und versicherten sich Solidarität. Besonders brisant: Russland plant, Nordkorea bei seinem Satellitenprogramm unterstützen. Ein solche Unterstützung würde mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen UN-Sanktionen verstoßen. Passenderweise fand das Treffen auf dem Weltraumbahnhof Wostotschny statt. Putin und Kim machten sogleich eine Besichtigungsrunde. Kim habe “großes Interesse an Raketentechnologie und einen Fokus auf Fortschritte in der Raumfahrt”, sagte Putin. ”Ich habe vor, ihn während unserer Tour durch die Basis mit den neuesten Technologien vertraut zu machen.”

Die USA gehen sogar davon aus, dass ein noch heißeres Thema auf der Agenda stand: Munitionslieferungen an Russland für den Angriffskrieg gegen die Ukraine.  Laut John Kirby, Sprecher des US-Sicherheitsrates, will Russland Raketen und Artilleriegranaten in Nordkorea bestellen. Analysten halten es für realistisch, dass Nordkorea tatsächlich Rüstungsgüter liefern wird. Auf Gespräche über Waffenlieferungen deutet auch die Zusammensetzung von Kims Delegation hin. Mit dem Staatschef reisen hochrangige Militärs nach Russland, unter anderem Verteidigungsminister Kang Sun Nam und der Chef der Behörde für Munitionsindustrie, Jo Chun Ryong.

Es ist der erste Auslandsbesuch von Kim Jong Un seit vier Jahren. Der nordkoreanische Staatschef kam mit seinem gepanzerten Luxuszug nach Wostotschny. Das Treffen mit Putin ist ein weiteres Zeichen der Annäherung zwischen beiden Staaten. Nordkorea ist für Russland nicht nur als möglicher Munitionslieferant interessant. Das asiatische Land ist auch einer der wenigen Staaten, die Russlands Invasion diplomatisch unterstützen. Mit nur sechs weiteren Staaten stimmte Nordkorea bei der jüngsten UN-Vollversammlung gegen eine Resolution für den Abzug Russlands aus der Ukraine. Selbst der Iran, der Russland mit Drohnen unterstützt, enthielt sich bei der Abstimmung.

Die Nordkoreaner hingegen sichern sich mit der engeren Kooperation mit Russland die Unterstützung einer Vetomacht im UN-Sicherheitsrat. Gleichzeitig verringern sie ihre einseitige Abhängigkeit von China, ihrem eigentlich wichtigsten Partner. Zudem könnte eine engere Kooperation die desolate wirtschaftliche Lage verbessern. Insbesondere die Versorgung mit Nahrungsmitteln hat sich seit Beginn der Corona-Pandemie massiv verschlechtert.

Die USA gehen davon aus, dass sich Nordkorea Waffenlieferungen wohl unter anderem mit Nahrungsmitteln bezahlen lassen könnte. Außerdem wird Nordkorea nach Rohstoffen und Rüstungs-Knowhow als Gegenleistung verlangen. Neben Waffen wäre Nordkorea auch in der Lage, Arbeiter nach Russland zu schicken. In Russland herrscht auch aufgrund der Einberufungen wegen des Krieges ein Mangel an Arbeitskraft. Nordkoreaner könnten diese Lücke füllen - und Devisen in die nordkoreanische Staatskasse bringen.

Bereits im November vergangenen Jahres hatten die USA Nordkorea vorgeworfen, die russische Söldnertruppe Wagner mit Waffen zu versorgen. Im Januar zeigte Sicherheitsberater John Kirby Satellitenaufnahmen von einem Güterzug, der angeblich Raketen nach Russland liefern sollte.  Ein eindeutiger Beweis für nordkoreanische Waffenlieferungen nach Russland war dies jedoch nicht.

Im Sommer veröffentlichte die “Financial Times” einen Bericht über nordkoreanische Waffen in der Ukraine - die waren allerdings in den Händen der ukrainischen Armee. Das ukrainische Verteidigungsministerium deutete in dem Bericht an, die Waffen seien von Russland erbeutet worden. Derzeit deutet aber nichts darauf hin, dass nordkoreanische Waffen im großen Stil in der Ukraine eingesetzt werden - das geben auch die USA zu.

Beide Staaten haben Berichte zu Waffenlieferungen dementiert. Insbesondere Russland könnte an Glaubwürdigkeit verlieren, sollte es tatsächlich Waffen beziehen. Der UN-Sicherheitsrat hat Nordkorea mit Zustimmung Russlands Waffenexporte untersagt. Würde Russland nun tatsächlich Waffen importieren, würde es seine eigenen Sanktionen unterlaufen.

Allerdings deutet vieles darauf hin, dass sich Russland ohnehin nicht mehr an die Regeln im Sicherheitsrat gebunden fühlt und einen Waffendeal vorantreibt.  Im Juli war bereits Russlands Verteidigungsminister Sergei Shoigu nach Nordkorea gereist. Kim führte ihn dort durch eine Waffenausstellung mit neuester nordkoreanischer Militärtechnik, unter anderem Kampfdrohnen. Bei einer Militärparade besichtigte Shoigu außerdem vom UN-Sicherheitsrat eigentlich verbotene ballistische Raketen.

An der Tour beteiligte sich auch der Vize-Verteidigungsminister Aleksei Krivoruchko, der Russlands Munitions- und Waffenbeschaffungen verantwortet.  Laut Analysten ist Russland vor allem an Artilleriemunition interessiert: Nordkorea verfügt über mit russischen Geschützen kompatible Granaten mit den Kalibern 152mm und 122mm. 

Auch Kurzstreckenraketen könnten auf der Einkaufsliste der Russen stehen. Die nordkoreanische KN-23 ist beispielsweise eine Weiterentwicklung der russischen Iskander-Rakete. Entsprechend vertraut dürften russische Soldaten mit der Handhabung der Waffe sein. Die KN-23 hat laut Militärexperten eine Reichweite von fast 700 Kilometern. Die KN-23 wurde auch auf der Waffenausstellung gezeigt, die Shoigu in Nordkorea besichtigte.

Die Vereinigten Staaten drohen Nordkorea, dass es einen “hohen Preis” zahlen müsste, sollte es tatsächlich Waffen liefern. Allerdings haben die USA kaum die Möglichkeit dazu, Nordkorea noch weiter unter Druck zu setzen. Die bilateralen Sanktionen, sowie die Sanktionen der westlichen Verbündeten, lassen sich jedoch kaum noch steigern. Russland, und vermutlich auch China, verhindern globale Sanktionen im UN-Sicherheitsrat - und scheinen aktuelle Sanktionen kaum noch umzusetzen.

Allerdings können die Amerikaner gegen Unternehmen vorgehen, die den geheimen Handel zwischen Nordkorea und Russland unterstützen. So hat das US-Finanzministerium Mitte August Sanktionen gegen drei slowakische Firmen verhängt. Sie sollen versucht haben, geheime Waffengeschäfte zwischen Russland und Nordkorea zu organisieren.

Frederic Spohr leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Seoul.

Jannik Krahe studiert Politikwissenschaften an der TU Darmstadt und absolviert derzeit ein Praktikum bei FNF Korea.