Übergewinnsteuer
Das Phantom der Finanzpolitik
Kein Zweifel, sie ist sehr populär: die Idee der „Übergewinnsteuer“. Wer durch glückliche Umstände einen massiven unternehmerischen Gewinn erzielt, der soll auch zeitnah einen zusätzlichen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Und zwar über den im Vorhinein durch die Steuergesetze festgelegten Rahmen hinaus.
Das klingt einfach, fair und konsequent. Und dies umso mehr, wenn den „Übergewinnen“ der einen entsprechende „Überverluste“ von anderen gegenüberstehen - seien es Unternehmen anderer Branchen oder private Verbraucher der hergestellten Produkte oder Rohstoffe.
Soweit die Idee. Sie stößt allerdings auf eine komplexe Realität, die sich dem einfachen Grundgedanken massiv widersetzt. Drei Punkte sind dabei von herausragender Bedeutung:
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In der öffentlichen Diskussion herrscht bisweilen die einfache Vorstellung, man könne sich Unternehmen in einzelnen Branchen „nach Augenschein“ herauspicken und ihnen eine Übergewinnsteuer aufzwingen, gewissermaßen als Ergebnis eines steuerjuristisch geprüften Anfangsverdachts. Dies wäre natürlich ein glatter Rechtsbruch - wegen der damit verbundenen Diskriminierung. Jüngste Beispiele wie Biontech in der Pharmaindustrie oder derzeit die global tätigen Ölkonzerne machen dies bereits deutlich: Wenn Biotech, warum nicht andere Firmen der gleichen Branche oder anderer Branchen (z. B. die Maskenhersteller) als Sonder-Profiteure der Corona-Pandemie Über-gewinnbesteuern? Wenn Konzerne wie Shell oder Total, warum nicht auch die Profiteure rund um die Mineralölindustrie wegen massiv gestiegener Gewinne ins Visier der Übergewinnsteuer nehmen? Wer genau steht unter „Anfangsverdacht“ und wer nicht? Der Willkür und juristischen Angreifbarkeit sind da keine Grenzen gesetzt. Die Steuer muss also letztlich „branchen-neutral“ funktionieren, sich also wirklich am gemessenen „Übergewinn“ orientieren - und nicht an der Branchenzugehörigkeit des Unternehmens.
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Eine allgemeine (branchen-neutrale) Übergewinnsteuer ist allerdings ein geradezu klassisches Monster der bürokratischen Belastung und Willkür. Der Staat muss nämlich Kriterien finden, was genau ein „Übergewinn“ in Abgrenzung von einem „Gewinn“ überhaupt ist. In der Praxis geht das wohl nur mit einem kruden Vergleich zu einem langjährigen Durchschnittsgewinn, den man als „normal“ definiert. Problem dabei ist natürlich, dass Gewinne als Residualgröße von Erlös und Kosten generell stark schwanken. Es ist also überaus schwierig, eine Art „Normalniveau“ zu deuten, und alles, was davon massiv nach oben abweicht, als „Übergewinn“ zu qualifizieren. Entsprechende Ausweichreaktionen der Unternehmen wären selbstverständlich vorprogrammiert: Alle Fantasie des Managements würde mobilisiert, um den Übergewinn klein zu halten - Verlagerung von Gewinnen zu ausländischen Töchtern, kreative Verrechnungsmodelle, vorgezogene absetzbare Investitionen, auch wenn sie betriebswirtschaftlich besser später getätigt würden. Und zur Not natürlich der Klageweg, mit Verzögerungen der „Gewinneintreibung“ und damit des Steueraufkommens über Jahre.
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Schließlich bleiben die ordnungspolitischen Bedenken grundsätzlicher Art. Der Gewinn ist nun mal Ausweis richtiger unternehmerischer Entscheidungen, auch wenn sie mal auf „Glück“ beruhen - und damit auch Signal für die Lenkung des Finanzkapitals und der Innovationsbemühungen in die volkswirtschaftlich sinnvolle Richtung. Bei Biontech war dies offensichtlich: Die Entwicklung von Vakzinen mit größter gesellschaftlicher Nutzwirkung schafft große Gewinne und erhöht den Anreiz für andere Pharmafirmen, es Biontech gleich zu tun, wobei die Risiken des Marktes hoch sind, wie die Beispiele gescheiterter Versuche bei der Suche nach Corona-Impfstoffen zeigten. Aber selbst bei Ölkonzernen hat die Gewinnsteigerung ihren weltwirtschaftlichen Lenkungszweck. Denn es stehen mit Putins Krieg gegen die Ukraine gewaltige Fragen an, wie unsere Energieversorgung mit Treibstoff, Wärme und Strom in den nächsten Jahren durch Neuinvestitionen zu gestalten ist, um den Weg in eine ökologisch und klimapolitisch nachhaltige Zukunft der Energieversorgung zu sichern. Das Kapital und die Expertise der Ölkonzerne wird dabei eine wesentliche Rolle spielen, ob uns das gefällt oder nicht.
Fazit: Es ist dringend geboten, dem Versuch der Einführung einer Übergewinnsteuer zu widerstehen. Sie würde unser Land in der schwierigen Situation der Anpassung an eine neue Welt der Energieversorgung in eine Sackgasse manövrieren. Besser wir lassen das.